
Wusste offenbar von nichts: CS-CEO Tidjane Thiam.Bild: AP
01.10.2019, 06:4401.10.2019, 11:26
Bei der Credit Suisse hat der Leiter des operativen Tagesgeschäfts die Verantwortung für die Bespitzelungsaffäre übernommen und ist zurückgetreten. Was genau passiert ist, wurde aber immer noch nicht geklärt.
Der «Chief Operating Officer» (COO) Pierre-Olivier Bouée habe angegeben, alleine entschieden zu haben, die Überwachung des ehemaligen Topmanagers Iqbal Khan anzuordnen, teilte die Credit Suisse am Dienstag mit.
Die Untersuchung durch Homburger Rechtsanwälte im Auftrag des Verwaltungsrats habe keine Hinweise geliefert, dass der Verwaltungsrat, Konzernchef Tidjane Thiam oder andere Mitglieder der Geschäftsleitung vor dem 18. September 2019 davon gewusst hätten. Zu dem Zeitpunkt war die Überwachung bereits abgebrochen.
Bouée sagte aus, er sei besorgt gewesen, dass Khan, der am (heutigen) Dienstag zur Konkurrentin UBS wechselt, «ein Risiko für die wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen der Credit Suisse darstelle». Denn dieser habe weiterhin mit wichtigen Mitarbeitern der CS in Kontakt gestanden.

Der operative Chef (Chief Operating Officer COO) Pierre-Olivier Bouée.bild: credit suisse
Mehr zur Beschattungs-Affäre:
Sicherheitschef muss ebenfalls gehen
Jedoch habe weder die Überwachung noch die anschliessende Untersuchung Anhaltspunkte geliefert, dass Khan gegen vertragliche Verpflichtungen verstossen und versucht habe, Mitarbeitende oder Kunden der Credit Suisse abzuwerben, hiess es in der Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse.
Mit Blick auf die Beschattung gab es klare Worte: Der Verwaltungsrat unterstütze zwar «geeignete Massnahmen zum Schutz der Interessen des Unternehmens, auch in Fällen, in denen leitende Angestellte das Unternehmen verlassen». Der Auftrag zur Überwachung von Iqbal Khan sei jedoch «falsch und unverhältnismässig» gewesen und habe «zu einem schwerwiegenden Reputationsschaden für die Bank» geführt. Zudem habe die Untersuchung «bis heute» keine Hinweise zutage gefördert, dass die Credit Suisse weitere scheidende Mitarbeiter überwachen liess.
Bouée habe in der Folge seinen Rücktritt erklärt, den der Verwaltungsrat mit sofortiger Wirkung angenommen habe. Gleiches gilt für den Leiter der globalen Sicherheitsdienste, der von Bouée mit der Überwachung beauftragt worden war. Weitere Mitarbeiter der Grossbank seien nicht involviert gewesen.

Urs Rohner: Der CS-Verwaltungsratspräsident während der Medienkonferenz von Dienstag.Bild: AP
Was war geschehen?
Khan wurde nach Angaben der Credit Suisse zwischen dem 4. September und dem 17. September 2019 während sieben Wochentagen mehrheitlich tagsüber überwacht. An der Ecke Fraumünster- und Börsenstrasse in der Zürcher Innenstadt entdeckte er dann ein Mitglied des Überwachungsteams und stellte diesen.
Was sich zwischen Khan und dem Detektiv genau zugetragen hat, sei allerdings nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen, weil dies Gegenstand einer laufenden Strafuntersuchung ist. Die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft hatte aufgrund einer Anzeige von Kahn ein Strafverfahren wegen Nötigung und Drohung eröffnet.
Das Überwachungsunternehmen sei von einem externen Dienstleister beauftragt worden, hiess es von Credit Suisse weiter. Allerdings liege zur Auftragserteilung nichts Schriftliches vor.
Private Kommunikationen teilweise gelöscht
Homburger habe während der Untersuchung Zugang zu den der Credit Suisse zur Verfügung stehenden Informationen erhalten. Allerdings erhielt die Kanzlei keine Einsicht in die Akten der Polizei und der Staatsanwaltschaft über die strafrechtlichen Ermittlungen im Zusammenhang mit der Überwachung. Zudem sei private Kommunikation nur teilweise verfügbar gewesen: «Einige private Kommunikationen sind gelöscht worden».
Die Untersuchung habe keine Hinweise geliefert, dass die Überwachung mit den in Medienberichten dargestellten persönlichen Differenzen zwischen Thiam und Khan im Zusammenhang stand. Das persönliche Verhältnis zwischen den beiden sei jedoch auch nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen.
Zum Nachfolger von COO Bouée und zum neuen Mitglied der Geschäftsleitung ernannte die Bank nun James Walker. Walker übe gegenwärtig «verschiedene wichtige Funktionen im Finanzbereich der Bank» aus, hiess es. So sei er Finanzchef der wichtigsten amerikanischen Tochtergesellschaften sowie Leiter «Product Control». (sda/awp)
Das war die Pressekonferenz:
Wirklich viel Neues kam nicht dabei heraus. Die Untersuchung der Anwaltskanzlei Homburger hat nichts ergeben. COO Bouée und Sicherheitschef Boccali haben ganz alleine gehandelt, niemand sonst in der Bank hatte sonst eine Ahnung der Beschattungsaktion.
CEO Tidjane Thiam war ebenfalls zu keinem Zeitpunkt in die Aktion involviert, wie der Verwaltungsrat nicht müde wurde zu betonen. Er wird CEO bleiben und geniesst weiterhin vollstes Vertrauen von oben.
Wieso fand diese Aktion überhaupt statt? Gibt es ein Kulturproblem bei der CS?
Rohner meint: Nein. Die Kultur sei sogar sehr gut. In den nächsten Wochen würde der Fall intern aufgearbeitet. Die Verantwortlichen, die, wie er immer wieder betont, auf eigene Faust gehandelt hätten, würden die Konsequenzen durch ihre Entlassung tragen.
Dazu will sich die CS nicht äussern, aus Respekt vor dem
Verstorbenen.
Sind Beschattungen ein normaler Bestandteil im Bankenwesen? Nein, sagt Urs Rohner, es werde in Zukunft keine solche Beschattungen mehr geben. Es entspreche nicht der Kultur der CS.
Ein Journalist will wissen, wie viel Abgangsentschädigung der scheidende COO Bouée nun erhalten wird. Die sehr bürokratische Antwort zusammengefasst: Keine. Das sei vom Gesetz so vorgeschrieben.
Bouée und Boccali schrieben sich über die Schweizer Messengerapp Threema, sie haben ihre Konversationen jedoch gelöscht. Diese Konversationen waren Bestandteil der Untersuchung, konnten aber nicht eingesehen werden.
Ein Journalist des Tagesanzeigers fragt, wie zwischen persönlichem (die Streit an der Cocktailparty im Januar zwischen Khan und Thiam) und geschäftlichem bei der Untersuchung unterschieden wurde.
Antwort: Dem Streit wurde während der Untersuchung keine Beachtung geschenkt, es ging lediglich darum, wieso der COO und der Sicherheitschef die Beschattung eingeleitet haben.
Nun dürfen Journalisten Fragen stellen. Die erste Frage bezieht sich darauf, ob CEO Thiam tatsächlich nichts gewusst hat. Zusammengefasste Antwort: Nein.
John Tiner, Vorsitzender des Audit Committee und Mitglied des Verwaltungrats, spricht nun über die Untersuchung, die die Zürcher Anwaltskanzlei Homburger durchgeführt hat.
Diese fand keine Hinweise darauf, dass Khan versucht hätte, Kunden oder Mitarbeiter der CS abzuwerben. Auch entlastet Homburger den CEO Tidjane Thiam. Einzig der COO Bouée und der Sicherheitschef seien in die Beschattungsaffäre verwickelt gewesen.
Der Verwaltungsratspräsident entschuldigt sich bei den Aktionären, den Mitarbeitern und den Kunden. Die Affäre hätte einen grossen Reputationsschaden für die Bank verursacht.
Rohner nimmt den CEO der CS, Tidjane Thiam, in Schutz. Er sei nicht über die Beschattung informiert gewesen und geniesse weiterhin vollste Rückendeckung des Verwaltungsrates.
Rohner bezeichnet die Überwachung als falsch. Die Massnahme sei unverhältnismässig gewesen und die Mitarbeiter, die direkt darin involviert waren, sollen nicht mehr für die Credit Suisse arbeiten.
Der Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse, Urs Rohner, fasst die gesamte Bespitzelungsaffäre nochmals zusammen. Nach dem heftigen Streit zwischen Thiam und Khan schien es zuerst so, als würde die Zusammenarbeit zwischen den beiden weiter funktionieren. Nach einigen Monaten stellte sich jedoch heraus, dass dies nicht der Fall war und die CS liess Khan ziehn.
Die Credit Suisse will heute morgen eine Medienkonferenz zur Bespitzelungsaffäre abhalten. Bei dieser ging es darum, dass ihr ehemaliger Star-Banker Iqbal Khan, der heute seinen ersten Arbeitstag bei der UBS hat, wegen Verdachts auf Kaderabwerbung von einer privaten Sicherheitsfirma beschattet wurde.
Wie die CS heute bereits mitteilte, treten der Sicherheitschef Remo Boccali sowie COO (Chief Operating Officer) Pierre-Olivier Bouée zurück.
Um 08:00 Uhr gehts los.
Die CS-Chefs
1 / 14
Die CS-Chefs
Am Anfang war der Eisenbahn- und Gotthard-Pionier: Am 16. Juli 1856 nimmt die von Alfred Escher [/strong]gegründete [strong]Schweizerische Kreditanstalt (SKA), Vorgängerin der heutigen Credit Suisse, ihre Geschäftstätigkeit auf. Der Politiker und Wirtschaftsführer leitete die SKA als erster Verwaltungsratspräsident von 1856-1877 und von 1880-1882.
quelle: alfred-escher-stiftung / alfred-escher-stiftung
Das könnte dich auch noch interessieren:
Wenn es nach den Bürokraten in Bundesbern geht, wird die digitale Massenüberwachung auf dem Verordnungsweg ausgebaut. Deswegen schlagen zahlreiche gesellschaftliche Akteure Alarm.
Über Bern braut sich ein perfekter Sturm zusammen. Auslöser sind die Pläne des Bundes, die staatliche Überwachung digitaler Kommunikation auszuweiten.