Als Facebook-Gründer Mark Zuckerberg vor einem Jahr den Fokus auf virtuelle Welten ausrief und dem Konzern den neuen Namen Meta verpasste, geizte er nicht mit grossen Worten. «Wir sind überzeugt, dass das Metaverse der Nachfolger des mobilen Internets sein wird», verkündete er. Die Technik werde das Gefühl von Anwesenheit erzeugen – «als wären wir direkt da, mit den Leuten, egal, wie weit entfernt wir tatsächlich sind.»
Ein Jahr später scheint diese Vision nicht näher zu sein. Der Konzern heisst nun zwar Meta statt Facebook. Aber seine tragenden Säulen sind nach wie vor die Werbeeinnahmen, die die sozialen Netzwerke Facebook und Instagram mit ihren Milliarden Nutzern einbringen. Zuckerberg betont, dass der Wandel Zeit brauchen werde. «Es ist nicht so, dass diese Sachen in einem oder sogar in zwei, drei Jahren reif sein werden», sagte er jüngst in einem Interview des Tech-Blogs «The Verge». Der Konzern sei aber entschlossen, die Entwicklung voranzutreiben – «wir werden dies das nächste Jahrzehnt tun – oder solange wie es sein muss».
Der Umsatzrückgang beim Facebook-Konzern Meta hat sich im vergangenen Quartal beschleunigt. Die Erlöse sanken im Jahresvergleich um 4 Prozent auf 27,7 Milliarden Dollar, wie Meta nach US-Börsenschluss am Mittwoch mitteilte. Unterm Strich sackte der Gewinn um 52 Prozent auf rund 4,4 Milliarden Dollar ab. Auch die Umsatzprognose enttäuschte die Anleger. Sie liessen die Aktie im nachbörslichen Handel zeitweise um rund 12 Prozent fallen.
Nach Veröffentlichung dieser schlechten Quartalszahlen fielen die Meta-Aktien am Donnerstag um satte 25 Prozent auf 97,94 Dollar. Damit haben sie den tiefsten Stand seit Dezember 2016 erreicht.
NOW: Meta sinks 25% at the open, its lowest since 2016 https://t.co/VoBwsUBrAg pic.twitter.com/UeNDlzBehO
— Bloomberg (@business) October 27, 2022
Die Erfindung der Zukunft verschlingt Milliarden. Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres häuften die Reality Labs – der Konzern-Bereich, in dem alles rund um das Metaverse und Brillen zur Anzeige virtueller Realität gebündelt ist – einen operativen Verlust von rund 5,77 Milliarden Dollar an.
Das ist ein Minus, das der Facebook-Konzern schultern kann. Allerdings haben Zuckerberg und Meta das Problem, dass ihr Kerngeschäft weniger Geld bringt. Die Meta-Apps warfen im ersten Halbjahr einen operativen Gewinn von 22,65 Milliarden Dollar ab – ein Jahr zuvor waren es noch 28 Milliarden gewesen.
Zum einen fahren wegen Inflationsdrucks und Konjunktursorgen die Werbekunden ihre Marketing-Ausgaben zurück. Zum anderen kosten Apples Massnahmen zum Schutz der Privatsphäre Meta Milliarden. App-Anbieter wie Facebook müssen iPhone-Nutzer inzwischen um Erlaubnis fragen, wenn sie ihr Verhalten quer über verschiedene Dienste und Anwendungen nachverfolgen wollen. Viele lehnten das ab – und zerschlugen so Geschäftsmodelle in der Online-Werbung, die auf diesem permanenten Tracking basierten.
Da Marc Zuckerbergs Vermögen fast vollständig in seiner 13-prozentigen Beteiligung an Meta gebunden ist, ist auch dieses im Gleichschritt mit dem Aktienkurs des Unternehmens gesunken. Allein vom Mittwoch auf den Donnerstag verlor Zuckerberg 11 Milliarden.
Mark Zuckerberg’s fortune plunged by $11 billion after Meta reported a second-straight quarter of disappointing earnings
— Bloomberg (@business) October 27, 2022
It brings his total wealth loss to more than $100 billion in just 13 months https://t.co/ITi50N06R8 pic.twitter.com/SVgPYOAFLW
Heute vor einem Jahr, am 28. Oktober 2021, kündigte Zuckerberg die Umbenennung von Meta an. Damals war Zuckerberg gemäss dem Bloomberg Billionaires Index noch 118 Milliarden Dollar wert. Im Verlaufe dieses Jahres verlor er jedoch über die Hälfte seines Vermögens. Sein Nettovermögen liegt jetzt «nur» noch bei etwa 37 Milliarden Dollar, was einem Verlust von insgesamt 81 Milliarden Dollar gleich kommt.
Bereits im September machten seine Verluste Schlagzeilen. So berichtete unter anderem «Forbes», dass er nicht mehr die Nummer 3 auf der «Forbes 400»-Liste der reichsten US-Bürger sei, sondern «nur» noch den 11. Rang belege. Auf der weltweiten Rangliste der reichsten Menschen, wo er zuvor ebenfalls den dritten Rang belegte, ist er laut dem Bloomberg Billionaires Index jetzt auf den 29. Rang abgerutscht.
Zuckerberg versicherte allerdings, dass man die Investitionen in die Zukunft nicht kürzen werde. Stattdessen wird in anderen Bereichen gespart. Und Meta hofft, Unternehmen für die Idee virtueller Welten zu begeistern, in denen ihre Abläufe und Geschäfte Platz finden könnten. Die rund 200 Millionen PCs, die jährlich hauptsächlich für berufliche Zwecke gekauft würden, könnten durch Metaverse-Technik wie Brillen ersetzt werden, sagte er. Irgendwann jedenfalls. Denn auch bei der gerade erst vorgestellten VR-Brille Quest Pro für 1400 Dollar schränkte er ein, dass erst spätere Generationen den nötigen Reifegrad erreicht haben werden.
Er sei froh, die Neuausrichtung in der eher heilen Welt vor einem Jahr angestossen zu haben statt unter dem heutigen Druck, resümierte Zuckerberg. Wie lange er dem Metaverse-Traum weiter hinterherjagen kann, wird aber massgeblich von der Profitabilität des Facebook-Geschäfts abhängen.
Zuckerbergs Wunsch, die führende Rolle bei der nächsten Computer-Plattform zu spielen, ist verständlich. Denn im mobilen Internet mit den heutigen Smartphones ist Meta trotz Milliarden Nutzern nur ein Gast auf den Plattformen von Apple und Google, das die Schlüsselrolle beim Android-System spielt.
Auch wenn die Lage für Zuckerberg derzeit nicht rosig aussieht, warnt der bekannte Whistleblower Edward Snowden auf Twitter mit Humor davor, das Metaverse abzuschreiben:
sure laugh at zuckerberg's stock crash but remember that in five years he's gonna own your eyeballs and pause the ads every time you blink pic.twitter.com/607z7g7iQW
— Edward Snowden (@Snowden) October 27, 2022
Allerdings ist Meta auch bei Weitem nicht das einzige Unternehmen, das im Metaverse Fuss fassen will. So betreibt der auf Grafikkarten und künstliche Intelligenz spezialisierte Konzern Nvidia seine «Omniverse»-Plattform, in der Unternehmen zum Beispiel ganze virtuelle Werke einrichten können, um die Abläufe zu optimieren. «Das Metaverse ist aus unserer Sicht die direkte Fortsetzung des Internets», sagt der zuständige Nvidia-Manager Rev Lebaredian. Nur dass man sich aus einer zweidimensionalen Welt in eine 3D-Umgebung bewege. Und dafür werde man eine Menge Standards brauchen, bei denen am Ende alle Player an einem Strang ziehen müssten.
Und auch der Apple-Konzern, mit dem Meta aktuell im Clinch liegt, reiht schon seit Jahren seine Metaverse-Bausteine auf, obwohl man das Konzept dort vielleicht nicht so nennt. Von Apple wird zunächst eine Brille erwartet, die – ähnlich wie die Quest Pro – mit Kameras ihre Umgebung aufnehmen und dem Nutzer mit zusätzlichen Details versehen anzeigen kann. 2023 könnte es laut Medienberichten und Analysten so weit sein. Dann dürfte sich der Kampf um das Metaverse noch einmal zuspitzen. (saw, mit Material der sda/awp/dpa)
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