Wirtschaft
Franken

Darf's ein bisschen weniger sein?

Medikamente werden in der Schweiz trotz Eurozerfall nicht billiger.
Medikamente werden in der Schweiz trotz Eurozerfall nicht billiger.Bild: KEYSTONE
Euro-Rabatte

Darf's ein bisschen weniger sein?

Viele Branchen haben aus der Vergangenheit gelernt und geben die Währungsvorteile an die Konsumenten weiter – es gibt aber auch schwarze Schafe. 
11.02.2015, 07:0511.02.2015, 08:21
thomas schlittler / aargauer zeitung
Mehr «Wirtschaft»
Ein Artikel von
Aargauer Zeitung

Am 15. Januar gab die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Aufhebung des Euro-Mindestkurses bekannt. In den darauffolgenden Tagen kündigten Firmen aus verschiedenen Branchen Preissenkungen im grossen Stil an: Coop frohlockte bereits am 22. Januar, dass die Preise von über 1000 Produkten aus dem Euroraum gesenkt würden. 

Migros, Denner, Aldi, Lidl und Manor liessen Ähnliches verlauten. Kuoni, Hotelplan und Tui versprachen auf Badeferien gar Preisnachlässe von 15 bis 20 Prozent. Und Autoimporteure lockten ebenfalls mit saftigen Euro-Rabatten. 

Vom Preiszerfall ist nichts zu sehen

Trotz dieser Ankündigungen sanken die Konsumentenpreise im Januar im Vergleich zum Dezember nur um 0,4 Prozent, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) gestern mitteilte. Vom grossen Preiszerfall ist nichts zu sehen. Handelte es sich bei den Versprechen der Firmen nur um leere Worte? Oder wieso schlagen sich die angekündigten Preissenkungen nicht in der Statistik nieder? 

Hans Markus Herren, Bereichsleiter Konsumentenpreise beim BFS, erklärt die Diskrepanz: «Wir haben die Preise in der ersten Januar-Hälfte erhoben. Allfällige Preissenkungen nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses sind im Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) deshalb noch nicht erfasst.» 

Kaufkraft hat bereits vor SNB-Entscheid zugenommen

Dass das Preisniveau im Januar trotzdem zurückgegangen ist, sei auf die jährlich wiederkehrenden Ausverkäufe und den Ölpreiszerfall zurückzuführen, so Herren. Die Kaufkraft der Schweizer Bevölkerung hat damit bereits vor der Gewährung von Euro-Rabatten zugenommen. 

Josianne Walpen von der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) attestiert den Detailhändlern und Autoimporteuren, dass sie aus den Erfahrungen der Vergangenheit gelernt haben: «Im Gegensatz zu 2011, als der Schweizer Franken gegenüber dem Euro letztmals so stark war, geben sie die Wechselkursgewinne dieses Mal schneller an die Konsumenten weiter.» 

Kleider, Kosmetik, Medikamente unverändert 

Allerdings gibt es gemäss Walpen auch Konsumgüter, bei denen die Konsumenten vergeblich auf Preissenkungen warten: «Insbesondere Grossimporteure, welche bei Markenprodukten den ‹Zuschlag Schweiz› verlangen, bewegen sich nicht.» Bei Kleidern und bei vielen Kosmetikartikeln blieben die Preise deshalb unverändert hoch. 

Kennst du schon die watson-App?

Über 100'000 Menschen nutzen bereits watson für die Hosentasche. Unsere App hat den «Best of Swiss Apps»-Award gewonnen und wird von Apple als «Beste Apps 2014» gelistet. Willst auch du mit watson auf frische Weise informiert sein? Hol dir jetzt die kostenlose App für iPhone/iPad und Android.

Das grösste Ärgernis ist in den Augen der SKS aber das Preisgefüge bei den Medikamenten: «Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gesteht der Pharmabranche für kassenpflichtige Importmedikamente noch längere Zeit einen markant höheren Wechselkurs zu.» 

Wann kommen billigere Medikamente?

Das Thema beschäftigt auch Preisüberwacher Stefan Meierhans. Nach seinen Berechnungen könnten die Medikamentenpreise nach dem Wegfall der Euro-Untergrenze währungsbedingt um 800 Millionen Franken gesenkt werden. Das entspricht einer potenziellen Senkung der Krankenkassenprämien von 2,8 Prozent. 

Das BAG bestätigt, dass die Versicherten mit dem heutigen System erst mit Verzögerung von niedrigen Wechselkursen profitieren. Es verweist aber auch auf die positive Seite dieser Verzögerung: Steigt der Kurs wieder an, wird noch länger mit dem tieferen Wechselkurs gerechnet.  

Jetzt auf

Marketingaktionen oder Preissenkungen?

Abschliessend hält Walpen von der SKS fest, dass es in einigen Branchen sehr schwierig sei, festzustellen, wie stark die Preissenkungen tatsächlich seien – und bis zu welchem Grad es sich bei den Rabatt-Ankündigungen um Marketingaktionen handle. Ein Beispiel dafür sei die Reisebranche. «Dort ist ein Vorher-nachher-Preisvergleich nicht einfach», so Walpen. 

Aber auch bei Detailhändlern mit einem sehr breiten Sortiment sei es schwierig, abzuschätzen, wie stark die verschiedenen Preissenkungen ins Gewicht fallen.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
2 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
2
Warum so politisch? Wir müssen ändern, wie wir über 4-Tage-Wochen und Co. reden
Reden wir in der Schweiz über New Work, also neue Formen des Arbeitens, wird die Diskussion sofort politisch. Dabei sollten wir die Wissenschaft einfach in Ruhe dazu forschen und die Unternehmen ihre Wege finden lassen.

Ich stelle mir gerade vor, wie ich vor 50 Jahren meinen Job erledigt hätte. Alleine für diesen Artikel hätte ich mich in ein Archiv begeben müssen. Dann hätte ich mir Notizen gemacht, wäre zurück an meinen Arbeitsplatz und hätte in meine Schreibmaschine getippt. Wäre ein Tippfehler aufgetaucht, wovon ich schwer ausgehe, hätte ich das Blatt entfernen, den Fehler mit Tipp-Ex überstreichen und das Papier wieder einsetzen müssen. (So zumindest stellt man sich das als Gen Y vor.)

Zur Story