Die Zuger Kantonalbank (ZK) realisierte 2023 einen Gewinnzuwachs von über 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die St. Galler Kantonalbank (SGKB) verdiente fast 13 Prozent mehr und konnte ihre Dividenden um zwei Franken (auf 19 Franken) erhöhen. Bei der Kantonalbank in Genf (BCGE) betrug das Plus sogar über 31 Prozent. Ähnlich gut sieht es bei der Banque Cantonale Vaudoise (BCV, plus 21 Prozent), der Basler Kantonalbank (BKB, ebenfalls plus 21 Prozent) und der Zürcher Kantonalbank (ZKB) aus. Die neue Nummer Zwei der Schweiz unter den grössten Banken steigerte ihren Gewinn um 17 Prozent und verdiente mit 1,2 Milliarden Franken so viel wie keine andere – und so viel wie noch nie zuvor.
Zusammen haben die Kantonalbanken in diesem Jahr 2,3 Milliarden Gewinn erwirtschaftet – ein Plus von etwa 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für viele von ihnen resultierte 2023 ein Rekordgewinn.
Bei der ZKB sei der Gewinn so hoch gewesen, dass es dem CEO Anfang Februar sogar «sichtlich peinlich war», den Rekordüberschuss den anwesenden Medien zu präsentieren, wie «Finanz und Wirtschaft» schreibt.
Ende Jahr zeigte eine Studie der Hochschule Luzern (HSLU) anhand von Zahlen der Nationalbank (SNB), was viele bereits vermutet hatten: dass es im Zuge der CS-Krise zu relativ grossen Verschiebungen von Kundeneinlagen kam. Und: dass die Kantonalbanken zu den grossen Profiteuren gehören.
«Wir schätzen, dass die Grossbank etwa vier Prozentpunkte an Marktanteilen verloren hat», sagt Simon Amrein, Dozent an der Hochschule Luzern, gegenüber SRF. Das entspreche rund 60 Milliarden Schweizer Franken. «Davon ist deutlich mehr als die Hälfte zu den Kantonalbanken geflossen», so Amrein. Ihr gemeinsamer Marktanteil bei Kundengeldern liegt gemäss HSLU-Studie mittlerweile bei 31,7 Prozent. Lag dieser Prozentsatz noch 2021 bei 27,0 Prozent, haben die Kantonalbanken die Grossbank mittlerweile überholt.
Zwar geben sich die Chefs alle Mühe zu betonen, dass der Credit-Suisse-Effekt überschätzt werde. In den vergangenen zwei Jahren habe es ohnehin eine «Bewegung zu sicheren Häfen» gegeben, sagt zum Beispiel der Chef der ZKB, Urs Baumann im SRF-«Eco Talk». Man hätte «nicht wahnsinnig» von der CS profitiert, sagt auch der Chef der Urner Kantonalbank.
Doch der CS-Effekt lässt sich nicht nur an den Kundengeldern bemessen. Auch in puncto Mitarbeitende fungieren die Kantonalbanken als Auffangbecken. Insgesamt könnten bis Ende des Integrationsprozesses bis zu 3000 Mitarbeitende in der Schweiz ihren Job verlieren. Andere haben bereits vorher das Weite gesucht – insbesondere im oberen Kaderbereich. So zum Beispiel der neue Chef der Genfer Kantonalbank, der 27 Jahre CS-Erfahrung mitbringt. Oder der neue CEO der Schaffhauser Kantonalbank, der seinen Posten als Leiter des «Corporate Cash Management» bei der CS bereits kurz vor der Übernahme abgegeben hat.
Viel stärker als der CS-Effekt dürfte allerdings das stark veränderte Zinsumfeld den Kantonalbanken in die Karten gespielt haben. In den vergangenen zwei Jahren hat die Nationalbank den Leitzins relativ schnell deutlich angehoben: Im Mai 2022 lag er noch bei -0,75 Prozent, seit Juni 2023 lässt die SNB ihn bei 1,75 Prozent ruhen.
Dieser Anstieg in kurzer Zeit hatte einen Einfluss auf das eigentliche Kerngeschäft der Banken: das Zinsdifferenzgeschäft. Rund zwei Drittel ihrer Einnahmen generieren die Kantonalbanken damit, der Bereich war denn auch deutlichster Treiber der Rekordgewinne.
Ein höherer Leitzins erlaubt es den Banken, auch auf Kredite, die sie zur Verfügung stellen, höhere Zinsen zu verlangen. Der Grund ist, dass auch sie nun für ihre Kredite bei der Nationalbank mehr zahlen müssen. Diese Erhöhung haben die Kantonalbanken zum Beispiel bei Krediten an Firmen ziemlich rasch weitergegeben. Doch auf der Passivseite, also dort, wo sie ihren Kunden einen Zins schuldet (zum Beispiel auf Sparkonten), wurden die höheren Zinsen nur mit Verzögerung weitergegeben.
Mit dieser Vorgehensweise ziehen die Kantonalbanken nun Kritik auf sich. Sara Stalder von der Stiftung Konsumentenschutz sagte am Montag im «Eco Talk», die Sparerinnen und Sparer seien 2023 deutlich zu kurz gekommen. Hinzu kämen Gebühren, die ebenfalls bezahlt werden müssten. Diese Gebühren seien in der «Tiefzinsphase teilweise fantasievoll erhoben» – seither aber kaum zurückgebaut worden. «Das ist eigentlich eine doppelte Schröpfung», so Stalder.
Die Kantonalbanken wehren sich gegen das Narrativ der «Kunden-Schröpfung» und begründen es damit, dass die Zinsen nicht überall sofort angehoben werden können – zum Beispiel bei Inhabern mehrjähriger Festhypotheken. Gleichzeitig müsse man die hohen Sicherheitseinlagen bei der Nationalbank finanzieren. Auffallend ist trotzdem: Gemäss «Finanz und Wirtschaft» haben diejenigen Kantonalbanken 2023 am meisten Gewinn erwirtschaftet, welche die Zinsen am zögerlichsten weitergegeben haben.
Ihre hervorragende Situation beflügelt die Kantonalbanken. Sie setzen ihre Ambitionen, auch ausserhalb des jeweiligen Kantons Fuss zu fassen, fort. So nimmt gemäss Recherchen der «Luzerner Zeitung» bei mehreren Banken der Anteil der Hypotheken, die im eigenen Kanton vergeben werden, kontinuierlich ab. Ebenfalls Zeugnisse dieser Expansionsvorhaben: Die ZKB nimmt für institutionelle Kunden aus der Romandie in diesem Frühling erstmals den Betrieb eines lokalen Vertriebsbüros in Lausanne auf, die Basellandschaftliche Kantonalbank hat bereits im letzten Jahr in Zürich eine neue Digitalbank für nachhaltige Anlagen (Radicant) sowie Filialen in den Kantonen Basel-Stadt und im Aargau eröffnet.
Zudem bedienen die Kantonalbanken vermehrt Kunden aus dem Ausland. Das lief zuletzt zumindest im Fall René Benko zu Ungunsten der Banken: Neben der Obwaldner Kantonalbank und der Graubündner Kantonalbank (GKB) sollen sich mindestens drei weitere auf Geschäfte mit dem gestrauchelten Immobilien-Mogul und Signa-Gründer eingelassen haben. Im Falle der GKB wurde dazu kürzlich eine externe Untersuchung eingeleitet. Ihrem Präsidenten wird zudem unterstellt, René Benko, mit dem er «kollegial verbunden» gewesen sein soll, das Geschäft mit weiteren Kantonalbanken ermöglicht zu haben.
Die Ambitionen der Kantonalbanken werden zunehmend kritisch beäugt. Dies vor allem, weil die grosse Mehrheit von ihnen – 21 von 24 – explizit von Staatsgarantien profitiert. Um die Kundengelder zu garantieren, würde im Krisenfall und bei einer damit verbundenen Zahlungsunfähigkeit der jeweilige Kanton für die Verbindlichkeiten der Bank haften – fast wie der Bund bei der Credit Suisse und der UBS.
Einen (wichtigen) Unterschied gibt es jedoch: Hat die neue, fusionierte Grossbank UBS «nur» eine implizite Staatsgarantie, profitieren die Kantonalbanken von einer expliziten Garantie. Das heisst, während bei der UBS die Absicherung durch den Staat von den Marktteilnehmern implizit angenommen wird (weil sie als «too big to fail» gilt), wird die Absicherung durch den Kanton explizit festgehalten. Umgekehrt heisst das aber auch, dass die Kantonalbanken jährlich für diese Versicherung einen gewissen Betrag abgeben. Das hat für die damalige CS nicht gegolten – und gilt auch für die heutige Grossbank UBS nicht.
Und ich bin ganz sicher nicht der einzige.