Sag das doch deinen Freunden!
Die Kampagne gegen die beiden Historiker Sarasin und Goltermann im Herbst 2014 war für Schweizer Verhältnisse wohl einmalig und selbst für die «Weltwoche» aussergewöhnlich. In einer Artikel-Serie – insgesamt waren es 16 Artikel, einmal gar eine Titelstory – warf der stellvertretende Chefredaktor des Blattes, Philipp Gut, den beiden Geschichtsprofessoren ein Liebesverhältnis vor. Er folgerte daraus, bei der Berufung von Goltermann an die Universität Zürich sei Beziehungskorruption im Spiel gewesen.
Zuerst hat eine von der Universität Zürich eingesetzte Expertenkommission diese Vorwürfe als unberechtigt zurückgewiesen. Nun hat auch die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat Klage wegen übler Nachrede und mehrfache Widerhandlung gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb erhoben.
Über Seiten listet sie dabei auf, welch grobes Geschütz die «Weltwoche» aufgefahren hat. Hier eine kurze Auswahl von insgesamt 41 Auszügen: Vetterliwirtschaft, Beziehungsfilz, Beziehungskorruption, Doppelmoral, unverantwortliches Treiben, extremer Fall von Befangenheit.
Guts Geschichten sind reich an Vorwürfen, aber arm an harten Beweisen. Mehr als handschriftliche Notizen von angeblich geführten Gesprächen hat er offenbar nicht vorzuweisen. Mit wem diese Gespräche geführt worden sind, will Gut mit Berufung auf den Quellenschutz nicht preisgeben.
Der Quellenschutz ist dann angebracht, wenn es gilt, Zeugen vor möglicherweise verhängnisvollen Konsequenzen ihrer Aussagen zu schützen, bei einem berechtigten Fall von Whistleblowing beispielsweise. Bei der «Weltwoche» hingegen liegt der Fall anders.
Gut nennt keine Vorfälle, sondern stellt Schutzbehauptungen auf und versteckt sich hinter Phrasen wie «absolut vertrauenswürdige Quellen», mit denen er gesprochen haben will. «Es gibt nicht einmal eine konkrete Behauptung, die man widerlegen könnte», sagt Sarasins Anwalt Daniel Glasl. «Das könnte man vorlegen, ohne die Quelle preisgeben zu müssen.»
Wie die «SonntagsZeitung» schreibt, ist zudem keiner der «absolut vertrauenswürdigen Quellen» bereit, mit vollen Namen zu ihren Aussagen zu stehen.
Die «Weltwoche» wollte offenbar Roger Schawinski und den ehemaligen «Weltwoche»-Chefredaktor und heutigen PR-Berater Jürg Wildberger im Nachhinein dazu überreden, zu ihren Gunsten auszusagen. Das kann als Zeichen der Verzweiflung gedeutet werden. Schawinski ist ein guter Freund von Philipp Sarasin, Wildberger sein Berater in dieser Affäre.
Philipp Gut ist ein erfahrener Journalist. Wie kommt es, dass er derart fahrlässig gehandelt hat? Sind der «Weltwoche» ihre Erfolge in den Fällen Monika Stocker und Philipp Hildebrand in den Kopf gestiegen? Hat man nicht damit gerechnet, dass sich Sarasin und Goltermann zur Wehr setzen?
Gut bestreitet das: «Die Geschichte stimmt – es bleibt ein Skandal, dass Prof. Sarasin nicht in den Ausstand trat, obwohl er bereits vor dem Berufungsverfahren eine Affäre mit Kandidatin Goltermann hatte», sagt er. Und weiter: «Die ‹Weltwoche› verfügt über mehrere erstklassige, voneinander unabhängige und absolut vertrauenswürdige Quellen aus dem nächsten beruflichen und privaten Umfeld von Philipp Sarasin. Wir haben ihnen Anonymität zugesichert. Daran halten wir uns. Der Quellenschutz ist unverzichtbar für einen Journalismus, der seine Rolle als kritische vierte Macht im Staat wahrnimmt.»
Quellenschutz und vierte Macht, das tönt gut an Kongressen über journalistische Ethik. Im Fall «Weltwoche» gegen Sarasin hingegen ist es reiner Zynismus. Ob Gut damit vor dem Richter bestehen und den Beweis, gutgläubig gehandelt zu haben, erbringen kann, ist fraglich.
Wenn nicht, muss er mit einer Geldstrafe von 31'200 Franken und einer Busse von 6000 Franken rechen. Dieses Strafmass fordert die Staatsanwaltschaft. Dazu wird noch die Übernahme der Kosten der Gegenpartei kommen. Insgesamt dürfte sich so ein Betrag in einer sechsstelligen Höhe zusammenläppern.
Weit mehr schmerzen dürfte jedoch der Reputationsschaden für die «Weltwoche» und vor allem Philipp Gut. Er wurde kürzlich als möglicher Nachfolger von Felix Müller als Chefredaktor der «NZZ am Sonntag» gehandelt. Sollte er verurteilt werden, dann dürfte dies illusorisch sein.