Google schafft Fakten. Die Mitarbeiter des IT-Konzerns können bis im Juli des nächsten Jahres von zu Hause arbeiten, wenn sie das wünschen. Ursprünglich wollte Google seine Mitarbeiter im Januar zurückholen. Die Ankündigung des US-Unternehmens sorgt auch deshalb für viel Aufmerksamkeit, weil Google damit deutlich weiter geht als andere Firmen.
Er wolle den Mitarbeitern die Möglichkeit geben, flexibel zu bleiben und vorauszuplanen, schrieb Konzernchef Sundar Pichai in einem E-Mail an die Belegschaft, wie das «Wall Street Journal» berichtet. «Ich weiss, es war nicht einfach», so der Amerikaner, der auch Chef des Google-Mutterkonzerns Alphabet ist. Er hoffe, der Entscheid werde den Angestellten die Flexibilität bieten, «um in den nächsten zwölf Monaten eine Balance zwischen der täglichen Arbeit sowie der Sorge für sich und die Angehörigen zu finden».
Der Schritt betrifft rund 200'000 Mitarbeiter, die für Alphabet arbeiten. Diese sind auf zahlreiche Standorte weltweit verstreut - vom Hauptsitz in Kalifornien, wo das Coronavirus derzeit besonders stark wütet, bis nach Zürich. Die Ankündigung gelte auch für die Schweiz, wie eine Sprecherin auf Anfrage bestätigt.
In den USA kehren die Angestellten bislang nur langsam an ihren Arbeitsplatz zurück. So beträgt etwa in New York der Anteil jener Mitarbeiter, die zurück in ihrem Büro in Manhattan sind, weniger als zehn Prozent. Dies, obschon die Stadt bereits vor einem Monat grünes Licht gegeben hat, um die leeren Büros wieder zu besetzen.
Andere US-Technologiekonzerne sind bisher noch nicht so weit gegangen wie Google. Der Softwareentwickler Microsoft etwa hat seinen Mitarbeitern mitgeteilt, dass sie möglicherweise schon im Herbst dieses Jahres ins Büro zurückkehren werden. Bei anderen Firmen dauert die Homeoffice-Anweisung bis Ende Jahr. Facebook wiederum geht davon aus, dass im nächsten Jahrzehnt rund die Hälfte der Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten wird, wie Gründer Mark Zuckerberg kürzlich sagte.
Wird der Entscheid von Google auch auf die Schweiz abfärben? Zumindest Novartis ist in Sachen Homeoffice vorgeprescht. Die Angestellten sollen in Absprache mit ihren Vorgesetzten entscheiden, wie, wo und wann sie arbeiten, sagte Konzernchef Vas Narasimhan letzte Woche. Das passt zur neuen Firmenkultur, die der Amerikaner unter dem markigen Namen «Unboss» fördern will. Dabei werden Hierarchien abgebaut und den Mitarbeitern mehr Verantwortung übertragen. Der Pharmakonzern soll so agiler und flexibler werden.
Dass Homeoffice bei vielen Schweizer Firmen kein vorübergehendes Phänomen sein wird, zeigt sich auch bei der UBS. Konzernchef Sergio Ermotti rechnet damit, dass auf die lange Sicht rund 30 Prozent des Personals von zu Hause arbeiten wird. Durchaus möglich, dass sein Nachfolger Ralph Hamers diese Entwicklung zusätzlich fördern wird. Dem Niederländer eilt der Ruf voraus, der digitalste Chef in der europäischen Bankenszene zu sein.
Von anderen Unternehmen sind erst Vorgaben bis Ende Jahr bekannt. So dürfen bei den SBB maximal 50 Prozent der Büroangestellten zurück an ihren Arbeitsplatz, ebenso bei der Post, wo die Rückkehr etappenweise erfolgt. Die Swisscom hingegen verzichtet mittlerweile auf solche Vorgaben und überlässt die Entscheidung über den Arbeitsort derzeit ihren Mitarbeitern.
Doch längst nicht alle Unternehmen in der Schweiz sind so grosszügig. So ist von mehreren Firmen bekannt, dass sie ihre Angestellten zurück ins Büro zitiert haben. Dazu gehört etwa Coop. Die Mitarbeiter in der Verwaltung müssen seit Anfang Monat wieder im Büro arbeiten. Auch Ems-Chemie und Stadler Rail haben ihre Mitarbeiter wieder zurück an ihren Arbeitsplatz beordert.
Grundsätzlich sei das Arbeiten im Homeoffice in der Firma nicht vorgesehen, sagte Stadler Rail der NZZ. Für Innovationen brauche es vor allem Interaktionen zwischen den Angestellten, sagte Ems-Chefin Magdalena Martullo-Blocher. Diese seien ihrer Ansicht nach nur im Büro zu haben.
(frh) Die Rechnung ist einfach: Wer nicht ins Büro pendelt, fährt auch weniger mit dem öffentlichen Verkehr. Entsprechend gross ist die Sorge in der ÖV-Branche, dass die Passagiere nicht zurückkommen werden. Die SBB etwa lobbyierten beim Bund bereits gegen die Homeoffice-Empfehlungen, die das BAG im Lockdown getroffen hat. Auf der anderen Seite könnte Homeoffice helfen, Pendlerströme in Stosszeiten zu durchbrechen. Auch die Strassen werden durch Staus weniger belastet.
(gjo) Viele Büroflächen sind derzeit ungenutzt. Halten Unternehmen am Homeoffice fest, könnten in Zukunft ganze Immobilien leer stehen. Immobilienexperten der UBS schliessen nicht aus, dass die Gesamtnachfrage nach Büroflächen in den nächsten Jahren sinken könnte. Profitieren dürften davon die Mieter. Weniger erfreulich ist diese Entwicklung für Anleger, die ihr Geld in Immobilienfonds gesteckt haben, sowie für grosse Vermieter wie Swiss Life, Zurich oder SBB.
(gjo) Homeoffice ist für Eltern Segen und Fluch zugleich. Sie können mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, haben aber nicht immer die nötige Ruhe zum Arbeiten - oder müssen ihre Kinder nebenbei sogar selber betreuen. Letzteres war insbesondere während des Fernunterrichts der Fall und brachte nicht wenige Eltern an den Anschlag. Die Themen Kinderbetreuung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf wurden durch die Erfahrungen mit Homeoffice somit in den Fokus gerückt.
(frh) Führen auf Distanz - das wird die Herausforderung für die Chefs und Chefinnen im Homeoffice sein. Sie müssen dafür sorgen, dass sich die Angestellten nicht zu wenig betreut und nicht zu stark kontrolliert fühlen. Ein schwieriger Balanceakt. Gleichzeitig stehen aber auch die Angestellten in der Pflicht, damit der Kontakt zu den Kollegen nicht abbricht. Statt im Pausenraum trifft man sich künftig häufiger zum virtuellen Kafi. Technische Möglichkeiten gibt es genug.
(chm) Wer von zu Hause arbeitet, wird nicht von hustenden Arbeitskollegen und klingelnden Telefonen abgelenkt. Das steigert die Konzentration - und kann die Produktivität verbessern. Wie ist es aber mit der Kreativität? Gute Ideen entstehen oft nicht im stillen Kämmerlein, sondern beim Mittagessen oder Sporttreiben mit Kolleginnen und Kollegen. Also ausserhalb der Sitzungen. Kurzfristige Produktivitätssteigerungen könnten langfristig in Defizite bei der Kreativität münden. (bzbasel.ch)
So könnte sie natürlich ihre Weisheiten und Geschäftsphilosophien nie an den Mann bringen.
Weniger Kreativität durch Homeoffice? Bei EMS und Stadler meint man damit wohl zu wenig Kontrolle über die Mitarbeiter. Bzw. mangelt es schlichtweg an Vertrauen in ihre Angestellten.
Wir arbeiten momentan im Wochenrhythmus Home Office/Büro (max 50% in den Büros). Die reine Zeit im HO wird dann doch irgendwann sehr einsam auch wenn ich ziemlich produktiv bin. Also ein guter, flexibler Mix aus Büro und Home Office ist aus meiner Sicht definitiv sinnvoll.