In London kommen am Freitag alte Aktien und Anleihen aus Österreich unter den Hammer. Die in der früheren deutschen Reichsbank lagernden Alt-Aktien überdauerten in Ost-Berlin Nachkriegszeit und DDR.
Nach dem Berliner Mauerfall vor 27 Jahren hat er für wilde Spekulationen gesorgt – und in der Sammlerszene für Unruhe: Der «Reichsbankschatz».
Fast 60 Jahre lang schlummerte er in Ost-Berlin in unterirdischen Tresoren. Im Sommer 2003 gelangte er dann an die Öffentlichkeit, als die ersten von rund 30 Millionen Alt-Aktien aus der Zeit vor 1945, die zu DDR-Zeiten in Kellern der ehemaligen Reichsbank lagerten, unter den Hammer kamen.
Seit 2009 ist es wieder stiller geworden um die historischen Wertpapiere von der Mitte des 19. Jahrhunderts und älter bis 1945. Auch scheint der ganz grosse Hype um die begehrten Alt-Aktien und Anleihen inzwischen etwas verflogen. Doch in- und ausländische Sammler dürften dieser Tage wieder mit dicken Lettern das Wort «Reichsbankschatz» in ihren Kalendern vermerkt haben.
Am 18. November werden erstmals ausländische Papiere aus den Alt-Beständen der Reichsbank versteigert. In London bietet das Auktionshaus «Spink» etwa 700'000 alte Aktien und Anleihen aus Österreich an – von Kaiser Franz Joseph I. und «Sissi» beziehungsweise aus der Zeit von 1855 bis 1945. Auftraggeber ist das deutsche Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV).
Der «Reichsbankschatz» war nach dem Zweiten Weltkrieg von der DDR übernommen worden. Die Berge alter Aktien und Anleihen lagerten noch Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung in den dicken Tresoren der früheren Reichsbankzentrale in Berlin. Dort residiert heute das Auswärtige Amt.
Zu Kriegsende stapelte sich ein Grossteil der in Deutschland ausgegebenen Aktien und Anleihen bei der Reichsbank, die alleinige Wertpapiersammelstelle im Deutschen Reich war. Aktien von Firmen, die bis Mitte der 60er Jahre ihren Sitz nach Westdeutschland verlagerten, fielen unter die dortige Wertpapierbereinigung.
In Ostdeutschland wurden alle Wertpapiere in den Depots der nach dem Krieg geschlossenen Banken blockiert, aber nicht konfisziert. Die in der Reichsbank lagernden Papiere überdauerten im Ostteil Berlins somit Nachkriegszeit und DDR.
Mit der Einheit gingen Eigentumsrechte an den BADV-Vorläufer, das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (Barov) über. Es ging um etwa 26 Millionen deutsche, auf Reichsmark lautende Titel sowie weitere Wertpapiere.
Das Bundesamt musste Ansprüche berechtigter Inhaber oder Rechtsnachfolger klären. Vor einer Verwertung wurden die Papiere aussortiert, die von Alteigentümern beansprucht wurden. Die für «kraftlos» erklärten, teils edel gestalteten Farbdrucke haben also nur noch Sammlerwert und werden schrittweise verwertet.
Die Reichsbank verwahrte nach Angaben des BADV Anleihen und Aktien aus rund 40 Ländern. Aufgrund eines Depotzwanges mussten deutsche Staatsbürger vor 1945 ihre ausländischen Papiere dem Reichsbankdepot anbieten. Die meisten ausländischen Wertpapiere stammten aus Europa, aber auch aus Mexiko und China. Von den USA gebe es nur 400 Papiere.
Dass erst jetzt die ausländischen Papiere unter den Hammer kommen, liege an dem teils komplizierten Prozedere, Wertpapiere als «wertlos» einzustufen. Was unterschiedliche Gründe habe:
Zum einen stünden dem internationale Abkommen entgegen. Zum anderen gebe es einseitige Schuldenmoratorien einiger Staaten, sagt BADV-Sprecherin Jacqueline Bessé. Auch hätten nicht alle Staaten eine Bereinigung bei Wertpapieren vorgenommen. Viele Fragen müssten geklärt werden.
Zwischen 2003 und 2009 wurden rund 20 Millionen deutsche Wertpapiere versteigert. Die Erlöse flossen in einen Entschädigungsfonds für Opfer des NS-Regimes und des DDR-Regimes.
Es ging um Alt-Papiere aus der Zeit von 1781 bis 1945. Mit den fünf Sonderauktionen war das Frankfurter Auktionshaus «Busso Peus Nachf.» beauftragt worden. Die brachten nach Angaben von Christoph Raab aus dem Aktionshaus insgesamt etwa 8,8 Millionen Euro.
Wie stark das Interesse an den jetzt auf den Markt kommenden Papieren aus Österreich ist, wird sich in London zeigen. Spink-Experte Peter Christens erwartet eine «gute Nachfrage»: «Die Stücke sind sehr dekorativ und von der Geschichte her interessant.»
Er rechne mit einem fünfstelligen Euro-Betrag als Erlös. Kein Vergleich zu den Auktionen deutscher Alt-Papiere. Österreich sei ein kleinerer Sammlermarkt als der deutsche, die Preise daher eher überschaubar.
Um maximale Erlöse zu erzielen, setzt das Bundesamt auf eine über mehrere Jahre verteilte Verwertung. «Nach der grosszügigen Bedienung des Sammlermarktes durch den Bund hätte der Markt vermutlich weitere Auktionen nicht ‹verkraftet›», heisst es mit Blick auf die Sonderauktionen bis 2009.
In den Folgejahren seien die Preise gefallen. «Es war daher wirtschaftlich gesehen vernünftig, dem Markt die Möglichkeit zu geben, sich ‹neu› zu formieren.»
(sda/dpa)