An der Ausbildung kann es nicht liegen: Kwasi Kwarteng besuchte die Eliteschule Eton, doktorierte an der Elite-Universität Cambridge und absolvierte dazu noch ein Nachdiplomstudium in Harvard. Danach arbeitete er mehrere Jahre bei Investmentbanken und Hedgefonds. Als Politiker ist der 47-jährige bisher kaum aufgefallen. Zwar sitzt er seit 2010 im Parlament, doch davon hat die Öffentlichkeit bisher kaum Kenntnis genommen.
Das hat sich schlagartig verändert. Die neue britische Premierministerin Liz Truss hat Kwarteng zu ihrem Finanzminister und damit in die zweitmächtigste politische Position auf der Insel gehievt, und schon mit seinem ersten Mini-Budget hat er für Panik an den Finanzmärkten und einen Absturz des britischen Pfunds gesorgt.
Angefangen hat es damit, dass Premierministerin Truss ihren von hohen Gaspreisen gebeutelten Bürgerinnen und Bürgern Hilfe in der Höhe von 150 Milliarden Pfund versprochen hatte. Dabei sind die britischen Staatsfinanzen derzeit, milde ausgedrückt, angespannt. Wegen der Coronakrise liegt die Verschuldungsquote schon deutlich über 100 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Gleichzeitig ist die Inflation in den zweistelligen Bereich geklettert.
So verständlich die Gashilfe ist, so unverständlich ist das Vorhaben, das Kwarteng am vergangenen Freitag in seinem Mini-Budget vorgestellt hat: Trotz der unvorhergesehenen Mehrausgaben will er zusätzlich die Gutverdienenden mit einer Steuersenkung in der Höhe von 45 Milliarden Pfund beschenken. Damit will er gemäss der längst diskreditierten Trickle-down-Theorie die Wirtschaft ankurbeln.
Das war selbst für die Finanzmärkte des Guten zu viel. Das Pfund sackte ab. Zum ersten Mal war die britische Währung weniger als ein Dollar wert. Inzwischen hat es sich wieder leicht erholt.
Nicht nur die Finanzmärkte reagierten heftig. Der Internationale Währungsfonds kanzelte Kwarteng wie einen Schulbuben ab und forderte ihn auf, seine Steuerpläne umgehend wieder zu schubladisieren.
Aus der Finanzgemeinde schlug ihm derweil Unverständnis und Spott entgegen. Adam Posen, ein bekannter Ökonom und ehemaliger Berater der Bank of England, erklärte gegenüber der «New York Times»: «Diese Politik ist nicht nur auf empörende Weise unverantwortlich, es scheint auch, als ob die Verantwortlichen nicht begreifen, dass sie damit die Zentralbank zwingen, die Leitzinsen zu erhöhen.»
Tatsächlich ist das 45-Milliarden-Steuergeschenk an die Reichen nicht gegenfinanziert. Damit der Staatshaushalt nicht aus dem Ruder läuft, muss die Bank of England (BoE) daher die Noten-Drucker-Presse anwerfen, und das in einem Umfeld, in dem sie wegen der steigenden Inflation bereits die Leitzinsen mehrmals erhöhen musste. Mit seinem Mini-Budget unterläuft Kwarteng somit die Bemühungen der Nationalbank, die Inflation in den Griff zu bekommen.
Sich gegen die eigene Notenbank zu stellen, ist selten eine gute Idee. Paul Hollingworth, Ökonom bei der BNP Paribas Bank, erklärt denn auch in der «Financial Times»: «Es ist schwierig, den Eindruck einer koordinierten Politik zu vermitteln, wenn die Politik Gas gibt und die Notenbank auf die Bremse steht.»
Gestern musste die BoE gar notfallmässig eingreifen, denn die Zinsen für britische Staatspapiere drohten zu explodieren. Das hätte verschiedene Pensionskassen in Zahlungsnöte gebracht. Deshalb aktivierte die BoE ihr bereits für beendet erklärtes Quantiativ-Easing-Programm wieder und gab bekannt, sie wolle wieder Staatspapiere in der Höhe von 65 Milliarden Pfund aufkaufen.
Nicht nur die eigene Zentralbank bringt Kwarteng mit seinen Steuerplänen in Nöte, auch die eigene Wählerschaft. Die Briten sind ein Volk von Hauseigentümern, vor allem die begüterten konservativen Wähler. Das Instrument der Festhypotheken ist hingegen auf der Insel wenig verbreitet, rund zwei Drittel der Hauseigentümer haben variable Hypotheken. Weil die BoE die Leitzinsen erhöht, müssen sie daher in Kürze mit massiv steigenden Hypothekenzahlungen rechnen, welche die Steuersenkungen mehr als auffressen. Einzelne Banken haben ihrerseits aufgehört, Hypothekarkredite zu erteilen.
Der neue Finanzminister begibt sich somit auf Kollisionskurs mit der eigenen Notenbank und verärgert seine eigenen Wähler. Weshalb tut er das? Kwarteng ist ein Ideologe, respektive ein überzeugter Libertärer. 2012 hat er ein Buch mit dem Titel «Britannia Unchained» veröffentlicht. Darin betet er die übliche Leier von zu hohen Steuern, zu erdrückender Regulation und wohlstandsverwahrlosten Jugendlichen herunter.
Mit einer Schocktherapie will er die wirtschaftliche Stagnation aufrütteln und schreckt dabei vor nichts zurück. Jonathan Portes, Ökonomie-Professor am King’s College in London, erklärt dazu: «Das ist die bekannte Shock-and-awe-Taktik. Truss, Kwarteng und ihre Leute meinen, sie müssten so rasch handeln. Je länger sie warten, desto grösser wird der Widerstand.»
Premierministerin Liz Truss ihrerseits ist eine Möchtegern-Margaret Thatcher. Als sie ebenfalls im Schlamassel steckte, hat die ehemalige Premierministerin einst in einem legendären Zitat erklärt: «Diese Dame lässt sich nicht verbiegen.» Es ist zu befürchten, dass Truss ihrem Vorbild nacheifern und zusammen mit ihrem Finanzminister stur an ihrem Kurs festhalten wird.
Für die Briten bedeutet das nichts Gutes. Robert Shrimsley, Kolumnist in der «Financial Times», stellt düster fest: «Wir erleben, wie eine Regierung in Echtzeit implodiert. Es wird eine eindrückliche Show werden, doch der Eintrittspreis wird sehr hoch sein.»
Doch, genau daran liegt es. Es wird dort der neoliberale Traum doziert, inklusive Trickle-Down, selbst-regulierender Markt und so weiter. Löpfe sagt es ja selbst: "Kwarteng ist ein Ideologe, respektive ein überzeugter Libertärer." Genau das ist es, was diesen pseudo Eliteschulen entspringt.
Daneben sind Tories halt Tories: alle Macht dem Kapital / den Kapitaleignern.