Sie sei gerade aus den Reben zurückgekommen, als sie die Neuigkeit gehört habe, erzählt Winzerin Sophie Kessler-Matière. «Ein amerikanischer Strafzoll von 200 Prozent, und das in unserem Hauptexportmarkt, das klingt schon fast surreal», meint die langjährige Vorsteherin des Provence-Weingutes Château Calissanne. «Zuerst dachte ich, die Amerikaner hätten eine Null zu viel angehängt.»
Haben sie aber nicht. Präsident Donald Trump kündigte am Donnerstag an, dass er Wein und Champagner aus «Frankreich und anderen EU-Ländern» mit einer Steuer belegen werde – wenn Brüssel seine am Mittwoch beschlossenen Zölle auf US-Produkte wie Bourbon-Whiskey, Jeans, Zahnseide, Erdnussbutter oder Harley Davidson-Motorräder nicht «sofort» zurücknehme. Diese 26 Milliarden Euro schwere EU-Massnahme war ihrerseits eine Antwort auf Trumps 25-prozentige Strafzölle für Stahl und Aluminium aus Europa.
200 Prozent Verteuerung, das hatte es im Welthandel noch kaum gegeben. Eine Ausnahme waren die rein politischen Strafzölle von bis zu 218 Prozent, die China 2020 vorübergehend gegen Australien wegen einer Covid-Kritik erlassen hatte.
200 Prozent, das bedeutet eine Verdreifachung des Flaschenpreises: Von beispielsweise 15 Euro klettert er auf 45 Euro. «Da können wir unsere US-Exporte, die über 10 Prozent unserer Produktion ausmachen, gleich einstellen», erklärt Sophie Kessler-Matière. Weinhändler geben ihr recht: Bei 100 Prozent Strafsteuer gehe der Export jeweils um 70 Prozent zurück, bei 200 Prozent komme er ganz zum Erliegen.
Betroffen sind nicht nur unabhängige Weinbauern, sondern auch Grosskonzerne wie LVMH, Pernod-Ricard oder Rémy Cointreau mit weltbekannten Weinen, Champagner-, Cognac- oder Pastis-Marken. Ihre Titel verloren an der Börse mehrere Prozentpunkte, als Trump sein Ultimatum bekanntgab.
Die französische Presse spricht von einem «Keulenschlag für unsere Winzer». Ihre Branche steckt bereits in einer mehrjährigen Absatzkrise des Heimmarktes Frankreich; aber auch in China und Fernost kommen Bordeaux-Wein, Cognac oder Armagnac aus der Mode. Umso wichtiger sind die Exporte in die USA. Seit einem Handelsabkommen von 1997 führen die europäischen Winzer ihre Weine dorthin ohne Zollschranken aus. Die französische Weinbranche verkauft heute rund 15 Prozent ihrer Produktion in die USA. Dort würden Importeure und Weinhändler ebenso getroffen.
Wütende Reaktionen gibt es in Frankreich gegen Trumps Hüftschüsse, aber auch gegen die EU. Der Weinmarktberater Jean-Marie Cardebat wirft der EU einen «schweren strategischen Fehler» vor. Sie «kitzle» die USA geradezu, wenn sie emblematische US-Produkte wie Jack Daniel's oder Harley Davidson besteure. Betroffen werde gerade auch der Senator des US-Staates Kentucky, Mitch McConnell, der noch als einer von wenigen Republikanern Trump Paroli biete.
Mit diesem Verhalten manövriere sich die EU-Kommission selber in die Sackgasse, denkt Cardebat in Bordeaux: «Wenn sie zurückkrebst, verliert sie international an Glaubwürdigkeit. Wenn nicht, verurteilt sie die französischen Weine und Spirituosen. Was für ein Irrtum!»
Die französische Branche hofft noch, dass Trump nur bluffe. Premierminister François Bayrou erklärte, seine Regierung müsse hart bleiben, denn: «Wir können uns von diesem Mann nicht plattmachen lassen.» Finanzminister Eric Lombard ruft allerdings durch die Blume zu Verhandlungen auf. Ein Handelskrieg sei kein Nullsummenspiel, vielmehr hätten beide Seiten nur zu verlieren. «Das ist idiotisch», ärgert sich der Minister.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte schon am Donnerstag erklärt, sie bleibe «offen für Verhandlungen». Ihr Kommissär werde mit dem zuständigen US-Handelsminister noch diese Woche Verhandlungen aufnehmen. Trumps Ankündigung eines bewusst überrissenen 200-Prozent-Zolls lässt allerdings nicht viel Spielraum für eine vernünftige Lösung. Die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, meinte, der Handelskrieg würde zuerst die USA treffen. Ob die Botschaft in Washington ankommt, ist unsicher. (aargauerzeitung.ch)
LEUTE erwacht; eine klare Kante und Position zeigen, das ist auch ein Aufwand und man muss auch den Einsatz bezahlen wollen, wenn man denn da mitmischen will und nicht einfach rumgeschupft werden.