«Das globalisierte ‹Wall Street Journal› hat keine Ahnung, wovon es spricht. Es gehört zum schmutzigen Denken der EU, die einzig mit dem Zweck gegründet wurde, die USA über den Tisch zu ziehen.» (Es wurde gar ein weit vulgärerer Ausdruck benutzt.)
Wer so etwas behauptet, der braucht wahrscheinlich professionelle Hilfe und hat den Anspruch verwirkt, ernst genommen zu werden. Doch – man glaubt es kaum – das ist eine wörtliche Übersetzung eines Posts, den der amtierende amerikanische Präsident verfasst hat als Reaktion auf die Ankündigung der EU, auf die US-Strafzölle mit Gegenmassnahmen zu reagieren und amerikanischen Whiskey und Motorräder der Marke Harley-Davidson ebenfalls mit Strafzöllen zu belegen.
Trump hatte nicht nur einen Tobsuchtsanfall, er goss auch weiteres Öl in das bereits lodernde Handelskrieg-Feuer und erklärte, er werde alle alkoholischen Getränke aus der EU – Champagner, Wein, Prosecco etc. – seinerseits mit einem Strafzoll von 200 Prozent belegen. Das bedeutet, dass beispielsweise eine Flasche Moët & Chandon, ein in den USA beliebter Champagner, bald gegen 100 Dollar kosten würde und damit für den Normalverbraucher unerschwinglich wird.
Nicht nur handelspolitisch gesehen ist dies unsinnig, auch wirtschaftlich. «Diese Zölle werden die einheimische Wein-Industrie kaum verändern, denn die europäischen machen nur einen kleinen Teil der in den USA verkauften Weine aus», stellt das «Wall Street Journal» klar. Apropos «Wall Street Journal»: Anders als von Trump behauptet gehört es Rupert Murdoch, einem inzwischen in den USA eingebürgerten konservativen Verleger aus Australien, der ein erklärter Gegner der EU ist.
Anyway: Trumps öffentlicher Wutanfall im Oval Office und in Begleitung von Mark Rutte, dem neuen NATO-Generalsekretär, bezog sich nicht nur auf die EU. Auch Kanada und Grönland bekamen ihr Fett ab. Der US-Präsident erklärte einmal mehr, er wolle sein Nachbarland mit Strafzöllen dazu zwingen, zum 51. Bundesstaat der USA zu werden.
Auch seinen Anspruch auf Grönland hielt er aufrecht, obwohl die soeben neu gewählte Regierung dieser Insel das explizit ablehnt und es letztlich Krieg mit Dänemark – einem NATO-Partner – bedeuten würde, sollte Trump seinen Anspruch tatsächlich umsetzen. Gleichzeitig soll der Präsident das Pentagon angewiesen haben, Angriffspläne auf Panama auszuarbeiten.
Der US-Präsident realisiert allmählich, dass er sich verschätzt hat. Seine Strafzölle machen seine Handelspartner nicht gefügig. Anders als die Mitglieder seiner Republikanischen Partei zeigen diese Rückgrat und schlagen zurück. Sie können dabei auf die Unterstützung ihrer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger rechnen.
Die sogenannte Soft Power der USA, die Macht, die auf dem Prestige eines Landes beruht, schmilzt derzeit wie ein Schneeball in der Hölle. «Es ist nicht nur Trump», jammert etwa David Brooks, Kolumnist in der «New York Times». «Amerikas gesamte Reputation ist im Eimer.» Dabei bezieht er sich nicht nur auf den alten Kontinent. «Die Nationen in Asien werden zum gleichen Schluss kommen, den die Europäer bereits gezogen haben: Amerika ist der Judas.»
Die Wut auf die USA wächst täglich. Die grundsätzlich so friedlichen Kanadier verbannen amerikanischen Whiskey aus den Regalen ihrer Läden und buhen, wenn bei einem Eishockey-Spiel die US-Nationalhymne ertönt. (Kanadische und amerikanische Teams spielen in der gleichen Liga.)
Doug Ford, der Premierminister von Ontario, will gar den elektrischen Strom abstellen, den die kanadische Provinz in die USA liefert. Dabei ist Ford alles andere als ein Linker. Bisher galt er als eine Art kanadische Antwort auf Trump.
Dank des neuen Feindbilds Amerika entsteht derweil in Europa, was bisher als ein Ding der Unmöglichkeit erschien: so etwas wie Einigkeit. Selbst konservative Politiker wie der angehende deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz schlagen inzwischen antiamerikanische Töne an. Der «Economist» ruft gar zum aktiven Widerstand auf: «Amerikas geplagte Verbündete müssen sich wehren», postuliert das Magazin in seiner jüngsten Titelgeschichte.
Den grössten Schaden richtet Trump mit seinen absurden Zöllen jedoch im Inland an. Die Kurse an den Aktienbörsen haben mittlerweile mehr als zehn Prozent verloren. Die amerikanischen Investoren verlieren nicht nur viel Geld, sondern allmählich auch die Geduld. Auf der Meinungsseite des bereits erwähnten «Wall Street Journal» erscheinen täglich Kommentare, welche Trump hart kritisieren und vom «dümmsten Handelskrieg aller Zeiten» sprechen.
Jüngstes Beispiel ist ein Kommentar von Phil Gramm – einst ein äusserst konservativer Senator – und Donald Boudreaux. Sie erinnern Trump daran, dass schon die Strafzölle in seiner ersten Amtszeit ein Flop waren. «Und wenn man das zweite Mal von einem Maultier getreten wird, lernt man nichts dazu», so Gramm/Boudreaux. «Wir müssen uns daran erinnern, dass während der protektionistischen Politik in Trumps erster Amtszeit das Handelsdefizit zugenommen und die Beschäftigung abgenommen hat. (…) Das alles geschah vor Ausbruch der Pandemie.»
Das Wehklagen der Wall Street und der Business-Gemeinschaft tönt allerdings hohl. Trumps idiotische Zollpolitik ist nicht vom Himmel gefallen, der US-Präsident hat sie in seinem Wahlkampf in allen nur erdenklichen Varianten herunterdekliniert. Man wollte es einfach nicht glauben – und erhält jetzt die Quittung.
Angesichts des sich abzeichnenden wirtschaftlichen Chaos – immer mehr Ökonomen warnen gar vor einer Rezession – besteht gar die Möglichkeit, dass die versprochenen Steuergeschenke es nicht durch den Kongress schaffen werden.
Wie absurd die Situation mittlerweile geworden ist, zeigt die Tatsache, dass selbst Tesla den Präsidenten in einem Brief vor seiner Zollpolitik warnt. Die «Financial Times» zitiert aus diesem Brief folgende Passage: «Vergangene handelspolitische Massnahmen haben beispielsweise dazu geführt, dass die betroffenen Länder umgehend reagiert haben, auch indem sie Strafzölle auf importierte Elektroautos erhoben haben.»
Allerdings: Besagter Brief ist nicht namentlich unterzeichnet. «Niemand will deswegen gefeuert werden», erklärt eine nicht genannt sein wollende Person dazu.
Ebenso wäre es ein Zeichen wenn Europa eigene Kreditkarten schaffen würde, damit man nicht länger auf Visa MasterCard und AMEX angewiesen ist.