In den letzten zwei Jahrzehnten hat die westliche Sicht auf China eine Kehrtwendung erfahren: Einst schien das Reich der Mitte dank des grössten Wirtschaftswunders der Geschichte unaufhaltsam auch auf dem Weg zur grössten Volkswirtschaft der Welt zu sein. Ökonomen rätselten einzig darüber, wann dies der Fall sein würde.
Seit der Pandemie hört man andere Töne. Immobilienkrise, Überalterung, Jugendarbeitslosigkeit, nein, China wird es nicht packen, das ist nun die vorherrschende Sicht. China wird in die «Falle der mittleren Einkommen» plumpsen und auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein, sich daraus zu befreien.
Dieser Meinung scheint auch Donald Trump zu sein. «Handelskriege sind eine gute Sache und leicht zu gewinnen», prahlt er deshalb und hat jetzt einen ausgewachsenen Handelskrieg mit einem vermeintlich schwachen China angezettelt. Auch sein Finanzminister Scott Bessent ist überzeugt, dass nur die USA diesen Krieg gewinnen können. «Was können wir verlieren, wenn die Chinesen ebenfalls die Zölle erhöhen? Wir exportieren bloss einen Fünftel dessen, das sie exportieren, das ist ein Blatt, mit dem man nur verlieren kann.»
Zwei Fehler haben sich in diesen Vergleich eingeschlichen: Erstens ist ein Handelskrieg kein Poker-Spiel, und zweitens stimmen die Zahlen nicht ganz. Im Jahr 2024 haben die USA Güter und Dienstleistungen in der Höhe von 199,2 Milliarden Dollar exportiert und 462,5 Milliarden Dollar importiert. Das Handelsbilanz-Defizit beträgt daher 263,3 Milliarden Dollar.
Immer noch eine stattliche Summe. Doch der renommierte Ökonom Adam Posen vom Peterson Institute für International Economics weist in «Foreign Affairs» darauf hin, dass Geld ersetzbar ist, Güter hingegen nur beschränkt. «Die amerikanische Wirtschaft ist total abhängig von chinesischen Quellen für lebensnotwendige Güter (pharmazeutische Produkte, billige Chips, Seltene Erden). Daher ist es extrem unvorsichtig, nicht für Ersatz zu sorgen, bevor man den Handel einstellt», so Posen.
Ebenfalls in «Foreign Affairs» weisen Kurt Campell und Rush Doshi darauf hin, dass Grösse zählt, und zwar militärisch wie auch wirtschaftlich. China hat rund viermal mehr Bewohner als die USA. Deshalb sind die Voraussetzungen für das Ringen um die Weltherrschaft nicht die gleichen. «China setzt auf Zeit und Masse, die Vereinigten Staaten und ihre Partner müssen Kohäsion und kollektiven Einfluss anstreben», stellen Campell/Doshi fest.
Genau dies jedoch verunmöglicht die Trump-Regierung. Sie belegt nicht nur Inseln, auf denen lediglich Pinguine leben, mit Strafzöllen, sie schlägt auch die traditionellen Verbündeten der USA vor den Kopf. In Peking dürfte man diesem Treiben gleichzeitig amüsiert und gelassen zusehen, denn «Chinas produktive Kapazitäten sind dreimal grösser als diejenigen der Vereinigten Staaten – ein entscheidender Vorteil im militärischen und technologischen Wettbewerb», so Campell/Doshi.
Das wiederum bedeutet gemäss Campell/Doshi, dass «Washington auf Alliierte und Partner angewiesen ist wie noch nie». Ausser Hochmut ist in der US-Hauptstadt jedoch nichts auszumachen, schon gar keine durchdachte Strategie. «Es ist geradezu lächerlich, wie das Weisse Haus dies alles schönfärben will», klagt das «Wall Street Journal». «In der Realität improvisiert Mr. Trump täglich.»
Der US-Präsident improvisiert nicht nur, er widerspricht sich auch laufend. Was will er überhaupt mit seinen Strafzöllen gegen China, die mittlerweile die schwindelnde Höhe von gegen 145 Prozent erreicht haben? Will er die US-Wirtschaft vollständig von China abkoppeln? Wenn ja, weshalb hofft er immer noch, dass Peking in einen Deal einwilligt? Und weshalb stellt er sich immer noch schützend vor TikTok, das längst an einen US-Investor verkauft sein müsste?
«Mr. Trumps ad hoc und zufällige Zollpolitik wird das Problem nicht lösen», stellt das «Wall Street Journal» fest. «Bis anhin fügt es der eigenen Sache und dem Land mehr Schaden zu als der Kommunistischen Partei von China.»
Zu diesem Schluss ist man auch in Peking gekommen. Man zahlt mit gleicher Münze und hat die Zölle für amerikanische Importe ebenfalls auf 125 Prozent erhöht. Selbstbewusst erklärt man: «Wenn ihr mit uns sprechen wollt, bitte, die Tür ist offen. Aber nur, wenn das Gespräch auf Augenhöhe stattfindet. Wenn ihr kämpfen wollt, müsst ihr wissen, dass auch wir kämpfen werden, und zwar bis zum Schluss. China lässt sich weder einschüchtern noch erpressen.»
«Wenn dein Gegner sich selbst ein Loch gegraben hat, dann lass ihn weiter graben», lautet eine bekannte politische Weisheit. Mit seiner widersprüchlichen Zollpolitik ist Trump in ein tiefes Loch gefallen. Er fügt dabei nicht nur dem Welthandel dauerhaften Schaden zu, er beschädigt vor allem auch die eigene Wirtschaft und die eigene Währung.
Der Dollar und die zehnjährigen amerikanischen Staatsanleihen, die T-Bonds, haben schlechte Tage hinter sich. Der Dollar verliert gegenüber anderen Währungen, die Renditen der T-Bonds hingegen steigen rasant. Beides entspricht nicht dem Lehrbuch der Ökonomie, und beides kann auch nicht mit technischen Faktoren abgetan werden. «Die fundamentale Erklärung dafür lautet, dass die globalen Investoren beginnen, die USA mit anderen Augen zu sehen», stellt das «Wall Street Journal» fest.
Der bisher unerschütterliche Glauben an den Greenback und die T-Bonds ist ins Wanken geraten. Und das in einer Zeit, in der die USA dank ihres Haushaltsdefizits nach wie vor darauf angewiesen sind, dass ihre T-Bonds gekauft werden. Stattdessen werden sie auf den Markt geworfen, mit dem Effekt, dass die Rendite weiter steigt und die Refinanzierung der Staatsschulden noch mehr kostet.
«Viele der Verkäufe gehen während der Öffnungszeit der asiatischen Börsen über die Bühne», stellt Mittel Kotecha von der Barclays Bank in der «Financial Times» fest. «Es besteht die Furcht, dass vor allem die Chinesen ihre US-Anleihen auf den Markt werfen werden.»
Alle werden wegen des Handelskriegs Schaden erleiden, auch China, doch keiner mehr als die USA selbst. «Die Trump-Regierung ist im Begriff, sich auf ein wirtschaftliches Äquivalent mit dem Vietnam-Krieg einzulassen», stellt Adam Posen fest. «Es ist ein selbstgewählter Krieg, der in einem Schlamassel enden wird, der das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und die Kompetenz der Vereinigten Staaten zu Hause und weltweit untergraben wird – und wir alle wissen, wie dieser Film ausgegangen ist.»
Gibts überhaupt noch welche?
Umgekehrt ist sich China wohl bewusst,dass sie nicht überziehen dürfen.Käme es zu einer Weltwirtschaftskrise oder ga Depression wie in den 30er Jahren,fällt das Regime dort