Der Hofnarr war eine feste Grösse am mittelalterlichen Hof. Er durfte sich ungestraft über den König lustig machen und Wahrheiten aussprechen, die sich gemeine Untertanen höchstens hinter vorgehaltener Hand zutuschelten. Wer den allmächtigen Mann auf dem Thron offen kritisierte, musste damit rechnen, seinen Kopf zu verlieren – und zwar im wörtlichen Sinn.
Sich über Politiker lustig zu machen gehört auch zum Wesen des Kabarettisten, oder Comedians, wie er neuerdings heisst. In Ländern mit freien Medien werden Politiker gnadenlos durch den Kakao gezogen. In jüngster Zeit gehen die Comedians einen Schritt weiter.
Soeben hat sich in Deutschland Jan Böhmermann als neuer Chef der krisengebeutelten SPD beworben. Wie immer bei ihm weiss man nicht so genau, ob er es tatsächlich ernst meint.
Böhmermann springt auf einen fahrenden Zug auf. In Italien hat Beppe Grillo die Cinque Stelle zur derzeit grössten Partei des Landes gemacht. In die Regierung hat er zwar den jungen, etwas unbedarften Luigi Di Maio geschickt, doch die Macht liegt nach wie vor in seinen Händen.
Wolodymyr Selenskyi sitzt in der Ukraine im Präsidentensessel. Der zuvor als Politiker völlig unbekannte Comedian hat die Wahlen im vergangenen Frühling gegen die etablierten Politiker klar gewonnen. Bisher rätseln jedoch sowohl seine Landsleute wie der Rest der Welt, was er mit seiner neu gewonnenen Macht erreichen will.
Ein ehemaliger Star der satirischen Kult-Sendung «Saturday Night Live», Al Franken, gehörte zu den profiliertesten Senatoren der USA. Vor knapp zwei Jahren wurde er ein Opfer der #metoo-Bewegung. Unter fragwürdigen Umständen wurde ihm sexuelle Belästigung vorgeworfen, und es gehört zur poetischen Gerechtigkeit, dass seine Hauptanklägerin, Kirsten Gillibrand, inzwischen als Präsidentschaftskandidatin das Handtuch werfen musste.
Auch diejenigen Comedians, die nicht auf den Feldherrenhügeln sitzen, haben massiv an Einfluss gewonnen. So sind die Comedyshows in den USA fast wichtiger geworden als die regulären News. Deren Stars sind mittlerweile rund um den Globus bekannt.
Der Vater dieser Entwicklung heisst Jon Stewart. Er hat die «daily show» zu einer festen Grösse der USA gemacht. Stewart hat die Sendung bis 2015 während 16 Jahren betreut. Sein Einfluss ist heute noch gross. So hat er kürzlich in einem weit beachteten Auftritt vor dem Kongress erreicht, dass selbst die Republikaner einem Gesetz zustimmen mussten, das den First Respondern von 9/11 endlich die ihnen gebührende Hilfe zukommen lässt.
Stewart hat auch jede Menge «Comedy-Kinder» gezeugt. Dazu gehört sein Nachfolger bei der «daily show», Trevor Noah. Berühmt und auch hierzulande sehr populär sind der Brite John Oliver und «Late-Show»-Gastgeber Stephen Colbert. Beide haben die Stewart-Schule durchlaufen.
Spätestens 2016 sind die Comedyshows so etwas wie der Rettungsanker der Nicht-Trump-Wähler geworden. Selbst die zuvor eher umpolitischen Comedians wie Jimmy Kimmel und Seth Meyer kennen eigentlich fast nur noch ein Thema: den Trottel im Weissen Haus.
Trump lässt dies keineswegs kalt. So hat er dem Comedy-Star bei HBO, Bill Maher, mit einer Millionenklage gedroht, weil dieser einst erklärt hat, Trumps Vater sei ein Orang Utang. Dies als Antwort auf Trumps unsägliche Birther-Kampagne, in der er Barack Obama unterstellt hat, er sei nicht in den USA auf die Welt gekommen und daher kein legaler Präsident.
Die Comedyshows sind der Beweis, dass die Demokratie in den USA zwar gefährdet, aber immer noch funktionsfähig ist. In Russland wagt keiner mehr, sich über Wladimir Putin lustig zu machen. Der russische Präsident lässt nicht einmal Hofnarren zu.
Um letzteren zu zitieren:
"Wenn Politiker nur noch Satire machen, müssen wir Satiriker wohl Politik machen"
Wobei ich mich auf den Staatsbesuch der Türkei schon ziemlich freuen würde
Insofern glaube ich, dass Satiriker hervorragende Politiker abgeben können.