An der Inaugurationsfeier von Donald Trump haben sich die Silicon-Valley-Grössen hinter dem Präsidenten aufgereiht. Ist dies das Sinnbild dafür, dass die CEOs letztlich alles Weicheier sind?
Tillmann Lang: So pauschal kann man das nicht sagen. Unternehmen sind keine idealistischen Vereine, natürlich hat ein CEO eines grossen Unternehmens auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Haltung und langfristiges Denken sollten daher zu den Eigenschaften eines CEOs gehören.
Jeff Bezos, Mark Zuckerberg und Tim Cook haben Donald Trumps Ring geküsst, um es höflich auszudrücken.
Ja, aber die sind nicht alle gleich. Beispielsweise war Google 15 Jahre Vorreiter bei Diversität. Dass die jetzt ein paar DEI-Programme streichen, schockiert mich nicht.
Aber der Hype um nachhaltige Investitionen scheint vorbei zu sein.
Das hat auch sein Gutes. Vieles war schlicht Heuchelei.
Oder Greenwashing. Man hat sich die CO₂-Neutralität mit Kredits im Ausland gekauft.
Schlimmer noch, das meiste, das gekauft wurde, war schlicht wertlos. Was als Weichei-Verhalten bezeichnet wird, kann man daher auch anders beurteilen.
Nämlich wie?
Dass man der Realität ins Auge blickt, dass man das Greenwashing einstellt. Die guten Firmen wissen, dass Nachhaltigkeit und Diversität nach wie vor wichtig sind, und die machen das, weil es ihnen Shareholder-Value bringt – und nicht, weil es dem Zeitgeist entspricht. Bei Diversität ist Google ein Beispiel dafür.
Apropos Zeitgeist. Wir leben in einer Zeit, in der man sich nicht einmal mehr die Mühe gibt, Korruption zu verheimlichen. Das ist doch die Botschaft, die das erwähnte Bild von der Inaugurationsfeier ausdrückt. Macht Ihnen das als Vertreter des Shareholder-Aktivismus – als jemandem, der überzeugt ist, dass Aktionäre ein Unternehmen auf einen nachhaltigen Pfad führen können – keine Bauchschmerzen?
Die offensichtliche Korruption, die sich jetzt bei den Trumps zeigt, ist tatsächlich ein Schritt zurück.
Und auch ein Zeichen dafür, dass ESG – verantwortliches Wirtschaften – der Vergangenheit angehört?
Man kann dies auch anders interpretieren, nämlich dahingehend, dass nachhaltiges Investieren erwachsen wird. Die Spreu trennt sich vom Weizen. Diejenigen, die nachhaltiges Investieren nicht ernst genommen haben, die springen jetzt ab. Die Grundmechanik bleibt jedoch unverändert. So zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie von Union Invest, einer deutschen Asset-Gesellschaft, dass 90 Prozent der institutionellen Anleger weiterhin ESG-Kriterien anwenden.
Wie sieht es generell bei den Anlegern aus?
Wir unterscheiden zwischen dunkelgrünen, hellgrünen und nicht grünen Anlegern. Die Dunkelgrünen – das können bis zu 20 Prozent der Gesellschaft sein – bleiben bei der Stange. Die Hellgrünen, die springen jetzt ab und kommen erst wieder, wenn auch ihre Freunde wieder grün investieren. Die Nicht-Grünen interessiert das Thema nur als Rendite-Bringer. Was wir feststellen, ist, dass es nicht mehr reicht, einfach zu sagen, eine Investition sei grün. Und das ist gut so.
Immerhin hat BlackRock, der grösste Vermögensverwalter der Welt, jetzt in Sachen ESG zurückgerudert.
In den USA sind die Verhältnisse anders als bei uns. BlackRock hat den Begriff ESG aus seinem Vokabular verbannt, weil es sonst keine Staatsaufträge mehr erhält, beispielsweise keine Pensionskassen-Gelder in Florida mehr verwalten darf. In den USA ist die ESG-Debatte ein grosses Politikum.
In Europa spricht man derweil kaum mehr von ESG.
Ich führe das auf eine Ernüchterung zurück. Anders als in den USA wird deswegen niemand abgestraft. Und vergessen wir nicht: Der Klimakrise ist das ESG-Thema egal. Sie erzeugt schon heute wirtschaftliche Kosten, und diese werden in der Zukunft noch grösser werden. Deshalb werden die Unternehmen wertvoll sein, die besser mit Ressourcen umgehen können. Die These, die hinter dem nachhaltigen Investieren steht, die verändert sich nicht.
Aber die Unternehmen fühlen sich derzeit nicht mehr daran gebunden. So hat sich beispielsweise VW soeben von der Verpflichtung entbunden, ab 2030 nur noch Elektroautos zu bauen.
Ob das eine weise Entscheidung war, wird sich zeigen. Mir scheint, es geht dabei eher darum, die Kuh noch zu melken, solange sie noch da ist. Die letzte Fussball-EM wurde schon von BYD gesponsert, und die bauen mittlerweile mitunter bessere Elektroautos als VW. Die Entscheidung riecht eher nach Verzweiflung als nach langfristigem strategischen Denken.
Wie können Shareholder Aktivisten verhindern, dass solch kurzfristige Entscheide gefällt werden?
Indem wir immer wieder aufzeigen, dass darunter letztlich der Shareholder-Value, der Wert eines Unternehmens für die Aktionäre, leidet. Bei VW sind wir aktuell nicht engagiert, bei BMW hingegen schon, und dort machen wir unseren Einfluss nach Möglichkeit geltend.
Sprechen wir über Tesla? Noch vor ein paar Jahren war dieses Unternehmen ein ESG-Musterknabe. Investieren Sie heute noch in dieses Unternehmen?
Nein. Aber schon vor fünf Jahren war Tesla nicht in unserem Portfolio.
Weshalb?
Weil Tesla beim Umgang mit den Mitarbeitern sehr viele Fragezeichen hatte. Aber wenn damals ein Kunde Tesla-Aktien wollte, dann haben wir diesen Wunsch erfüllt. Inzwischen ist Tesla für uns natürlich tabu. Früher haben wir gelegentlich erklärt, wir möchten für die Finanzbranche sein, was Tesla für die Automobilindustrie war. Diesen Vergleich benutzen wir nicht mehr.
Welchen Vergleich verwenden Sie heute?
Was Patagonia für die Textilbranche war.
Shareholder-Aktivismus kommt und geht in Wellen. Derzeit herrscht eher eine Flaute. Oder täusche ich mich?
Wir sind ja nicht Greenpeace. Wir treten keine Türen ein oder werfen mit Farbbeuteln. Wir versuchen, mit sehr seriösen Analysen zu überzeugen.
Das würde Greenpeace auch von sich behaupten.
Einverstanden. Greenpeace hat eine andere Rolle als wir. Die gehen nicht zu Shell und sagen, mit diesen Massnahmen könnt ihr euren Shareholder-Value verbessern. Unternehmen müssen Gewinn erzielen – wir übrigens auch –, und sie sind keine Idealisten-Vereine. In Shell würden wir gar nicht erst investieren. Was zutrifft, ist die Tatsache, dass die Unternehmen nicht mehr ein so offenes Ohr für nachhaltige Themen haben wie noch vor ein paar Jahren.
Ist das nicht der Beweis, dass der Shareholder-Aktivismus letztlich eine Illusion oder zumindest ein Schönwetter-Phänomen ist?
Früher haben sich die Aktionäre weit stärker für ihr Unternehmen engagiert als heute, wo viele nur noch passiv investieren. Gerade deshalb ist der Shareholder-Aktivismus noch wichtiger geworden. Die Klimakrise verschwindet ja nicht, weil sich der Zeitgeist geändert hat.
Mittlerweile sind die Chinesen bei Elektroautos, Solarzellen und Batterien weltweit an der Spitze. Sie haben das ohne Shareholder-Aktivisten geschafft.
Ich sehe das genau umgekehrt. Was wir in China beobachten, ist gewissermassen staatlicher Shareholder-Aktivismus. Die Unternehmen werden massiv vom Staat beeinflusst.
Ist die These, staatlichen Einfluss mit Shareholder Aktivismus gleichzusetzen, nicht ein bisschen zu steil?
Gerade auf dem Gebiet der nachhaltigen Entwicklung regiert nicht nur der Markt allein, sondern bewusste Entscheidungen von einflussreichen Teilnehmern sind dafür verantwortlich. Bei uns sind es die Aktionäre, in China ist es der Staat. Die Grunddynamik ist die gleiche. Es geht darum, ein Unternehmen in eine gute Richtung zu steuern.
Trump will sogar den Kohlenabbau wieder fördern. Ist dies eine Gelegenheit für Europa, dem Beispiel von China zu folgen?
Das ist sogar eine riesige Chance. China macht das schon mit den Elektroautos und den Erneuerbaren. Was die Erneuerbaren betrifft, haben es die Europäer ebenfalls nicht so schlecht gemacht. Defizite weisen sie vor allem auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz auf.
Wird die deutsche Autoindustrie die Chance packen und die Kurve kriegen?
Das wird sich zeigen. Dass die Verbrenner-Ziele kassiert worden sind, halte ich eher für ein Zeichen von Rat- und Mutlosigkeit. Ich halte es auch für bedenklich, dass bei BMW erst jetzt eine reine Plattform für Elektroautos kommt. Das ist eine grosse Investition, aber nur so kann man die Produktionskosten massiv senken.
Wenn ich Sie richtig verstehe, dann begrüssen Sie, dass die Greenwash-Heuchelei vom Tisch ist, bedauern gleichzeitig auch, dass die Unternehmen weniger geneigt sind, auf Vorschläge zur Nachhaltigkeit einzugehen. Was bedeutet dies nun für die Zukunft des Shareholder-Aktivismus?
Nochmals, die Klimakrise verschwindet nicht, sie wird sich im Gegenteil noch verschlimmern. Deshalb wird auch das Thema Nachhaltigkeit nicht verschwinden. Es wird sich bald zeigen, wer seine Hausaufgaben gemacht hat und wer nicht. Deshalb bin ich überzeugt: Langfristig sind wir die Fussballmannschaft, die bergab spielt. Die Branche ist am Erwachsenwerden – und der Hype ist vorbei.
Schon der 1. Satz und mir stellt‘s die Nackenhaare auf. Grosse Unternehmen welche alles dafür tun möglichst ihren Sitz dort zu haben, wo sie fast keine Steuern bezahlen müssen. Grosse Unternehmen welche auf Teufel komm raus Kosten optimieren, vielfach zL. der Angestellten. Die Aufzählung könnte weiter gehen aber …
Grosse Unternehmen haben genau 1 Ziel:
Aktionäre noch reicher machen, koste es was es wolle!