Donald Trump ist nach wie vor überzeugt, dass er, und nur er, Frieden zwischen Russland und der Ukraine stiften kann. «Schaut her, es wird nichts passieren, bis Putin und ich uns persönlich treffen», erklärte er am Rande seines Trips in den Persischen Golf. Als Geschäftsmann ist der US-Präsident auch überzeugt, dieser Friede werde ihm nicht nur den ersehnten Nobelpreis einbringen, sondern seinem Land und dem Westen auch lukrative Geschäfte eröffnen.
Oder auch nicht? Warum die Aussöhnung des Westens mit Russland eine Illusion ist, zeigen zwei kürzlich im Magazin «Foreign Affairs» erschienene Artikel. Der eine stammt von Andrei Jakowlew, Wladimir Dubrowskiy und Juri Danilow, drei anerkannten Russlandexperten. Der zweite von Alexander Gabujew, dem Direktor des Carnegie Russia Eurasia Centers in Berlin.
Alle der oben genannten Autoren sind sich einig, dass der Krieg Russland grundsätzlich verändert hat, «und zwar weit mehr, als Aussenseiter verstehen können», stellt Gabujew fest. Er fährt fort: «Kein Waffenstillstand, selbst kein vom US-Präsidenten verhandelter Frieden kann wieder rückgängig machen, wie sehr Wladimir Putin die Konfrontation mit dem Westen zum bestimmenden Prinzip des russischen Lebens gemacht hat.»
Jakowlew/Dubrowskiy/Danilow gehen gar noch einen Schritt weiter. Sie schreiben: «Sollte sich das Regime in den nächsten drei bis vier Jahren durchsetzen, könnte Russland einen sozialpolitischen Zustand erreichen, der weniger einem autoritären Kapitalismus als vielmehr einer Militärdiktatur im Sinne von Nordkorea gleicht.»
Die dystopische Analyse der Russland-Experten hat verschiedene Gründe.
Zum einen hat Putin das Vertrauen in die Elite verloren. Der Aufstand von Jewgeni Prigoschin, dem ehemaligen Chef der Wagner-Söldner-Truppe, habe Putin gezeigt, dass «auf die führenden Geschäftsleute im Falle einer Krise kein Verlass» sei, stellen Jakowlew/Dubrowskiy/Danilow fest.
Gleichzeitig hat Putin das Land auf Kriegswirtschaft umgepolt. Die Verteidigungsausgaben haben sich seit Ausbruch des Krieges mehr als verdoppelt. Die Löhne für Soldaten sind in die Höhe geschnellt. «Selbst wenn die Waffen in der Ukraine dereinst schweigen, wird die russische Wirtschaft stark militarisiert bleiben», so Gabujew. «Die enormen Verluste an militärischem Material müssen ersetzt werden, und Putin hat den Pfad zu einer massiven Ausweitung seiner militärischen Pläne eingeschlagen.»
Der Verlust des Vertrauens in die Business-Elite und die Umstellung auf Kriegswirtschaft hat Putin gezwungen, wie zu Zeiten der UdSSR auf Planwirtschaft zu setzen. Der Kreml habe begonnen, «den Privatsektor aggressiv zu verstaatlichen», stellen Jakowlew/Dubrowskiy/Danilow fest. Weil gleichzeitig auch die Abhängigkeit von Importen massiv verringert wurde, vergleichen die drei das russische Wirtschaftsmodell mit demjenigen von Nordkorea. «Putin hat ein System der Selbstständigkeit und anderen Ideen entwickelt, das an das Juche-Modell von Kim Jong Il erinnert», stellen sie fest.
Anders als die Planwirtschaft sowjetischer Prägung hat Putin jedoch keine langfristige Vision, wie sie der Kommunismus mit der klassenlosen Gesellschaft einst hatte. «Der Kreml hat deshalb kaum Optionen, ausser für globale Destabilisierung zu sorgen und für geopolitische Erpressung, eine Strategie, für die das Regime von Kim ein mächtiges Vorbild ist», stellen Jakowlew/Dubrowskiy/Danilow fest.
Innenpolitisch wird Putins Vorgehen immer repressiver. Der «Nackt-Party-Skandal» im Dezember 2023 – Mitglieder der Moskauer Jeunesse dorée haben damals eine wilde Party aufgeführt – hat dem russischen Präsidenten die willkommene Vorlage geliefert, die diktatorischen Schrauben anzuziehen. Das Regime habe damit signalisiert, das Privatleben seiner Bürger rigoros zu überwachen und dabei Methoden anzuwenden, die an Nordkorea und den Iran erinnerten, so Jakowlew/Dubrowskiy/Danilow.
Aussenpolitisch hat sich Russland «entscheidend mit China verbündet», wie Gabujew feststellt. Diese Partnerschaft aufzubrechen und eine Aussöhnung mit dem Westen anzustreben, ist daher auf absehbare Zeit zu einer Illusion geworden. «Was immer auch Trump unternehmen mag, unter Putin wird Russland nie ein Land werden, das keine Bedrohung für den Westen darstellt», so Gabujew.
Jakowlew/Dubrowskiy/Danilow sehen dafür auch innenpolitische Gründe. «Um zu überleben, verlangt das neue Modell eine permanente Konfrontation mit dem Westen», stellen sie fest. «Diese Konfrontation ist zur Legitimation für Putin geworden, genauso wie das regelmässige Ausrufen von vermeintlichen Siegen in diesem Kampf.»
Putin sitzt fest im Sattel. Es macht daher auch keinen Sinn, auf eine baldige Veränderung in Russland zu hoffen. Wie aktuell bei den Friedensverhandlungen in Istanbul spielt Putin mit dem Westen Katz und Maus. «Sollten sich die aktuellen Trends fortsetzen, muss sich Europa auf eine vollständig militarisierte Autokratie an seiner Grenze einstellen, die eine ähnliche Struktur wie Nordkorea aufweist, nur dass sie noch viel gefährlicher ist», stellen Jakowlew/Dubrowskiy/Danilow fest. «Die Vereinigten Staaten müssen damit rechnen, dass es zu einem militärischen Bündnis zwischen Russland und China kommen wird.»
Russland endet als Rohstofflieferant an der kurzen Leine von China.