Monatliche Geldfragestunde: «Also ich habe Aktien von einer Firma, die haben jetzt 86 % an Wert verloren, soll ich den Rest jetzt einfach verkaufen, um wenigstens die noch verbleibenden 1'000 Franken zu retten?»
Täglich treffe ich Menschen, die ihr Vermögen gerade empfindlich mindern sehen. Dabei handelt es sich nicht um irgendwelche super risikofreudige Finanzprofis oder Ultravermögende, sondern um ganz normale Menschen, deren Vorsorgekonti in Wertschriften oder Anlagen für die Zukunft gerade alle im roten Bereich stehen. Bei mir selbst ist es auch nicht anders: -7 % verzeichnet mein grösstes Säule-3a-Konto und was noch viel mehr auf das Gemüt schlägt, das Geld einer meiner Söhne ist jetzt bei -21 % (nein, es ist kein Kryptoportfolio).
Was es nicht einfacher macht, ist die häufig eher spärliche Information der Finanzanbieter, was sie denn in dieser Lage tun oder vielleicht auch nicht tun (oder dass es nichts zu tun gibt). Ich weiss nicht, wie es euch geht, aber bei mir hat sich von den 7 Online-Anbietern, die ich nutze, gerade mal einer in den letzten 6 Monaten gemeldet (Werbemails und regulatorisches mal ausgenommen): «Wir schauen alle unsere Portfolios an und nehmen, wo notwendig Anpassungen vor, falls Sie mehr erfahren möchten, kommen Sie zum Webinar», das war im August, seither kam auch da nichts mehr. Wenn alles rund läuft, dann braucht es nicht so viel Info, aber in dynamischen Zeiten wie jetzt wäre es doch gerade für die Online-Anbieter eine grossartige Möglichkeit, näher bei ihren Kunden zu sein?
Schwankungen, vielleicht eher spärliche Information und tägliche News können verunsichern. Gemäss verschiedenen Studien führen von Emotionen gesteuerte Finanzentscheidungen zu den häufigsten Anlegefehlern. Dynamische Zeiten bergen aber immer auch neue Chancen. Hier sind 5 Tipps, wie du in der Unsicherheit einen kühlen Kopf bewahrst und zusätzliche Chancen entdecken kannst.
Es liegt in der Natur der Sache, dass tagesaktuelle News immer einen momentanen Einblick vermitteln. Wichtig für Finanzentscheide ist zusätzlich auch der Kontext, z.B., wo steht die Teuerung oder die Wirtschaftsentwicklung in der Schweiz im Vergleich zum Rest von Europa (Inflation: Schweiz 3.5 %, EU-27 10.1 %) oder wie verhält sich die Rendite deines Fonds im Vergleich zum Markt. Für solche Informationen sind Sonntagszeitungen mit vertieften Einblicken oder Quellen wie Yahoo Finance, Morningstar, Bloomberg, Reuters oder die Analyseberichte verschiedener Finanzinstitute sehr nützlich.
Gerade in den letzten Monaten gab es einen Haufen tägliche Berichte zu den Börsen: Der Markt macht dies oder jenes und heute gerade das. Da viele von uns langfristig anlegen und nicht unbedingt im Day-Trading unterwegs sind, hilft es dir, längerfristige Zeiträume anzuschauen und den möglichen Herdentrieb zu vermeiden.
lllustratives Beispiel: Kursentwicklung Swiss Market Index 2022 zeigt -20.65 %. Schaut man sich die letzten 5 Jahre an, dann resultiert ein Plus von 10.98 % und seit 1995 in 27 Jahren +301.9 % (alle Kursdaten Stand 30. September 2022). Wenn du wie ich deine Säule 3a in Wertschriften Fokus Schweiz angelegt hast, dann liegt doch noch einiges drin bis du das Geld beziehen wirst.
Jede Krise an der Börse ist einmalig. Daten aus der Vergangenheit helfen uns zwar nicht, die Zukunft vorauszusagen, sind aber für die Einordnung nützlich: Zu den grössten Börsenkrisen der Vergangenheit gehören neben dem Tulpencrash in Holland (1637) der Wall-Street-Crash (1929), der Schwarze Montag (1987), das Platzen der Dot.com-Blase (2001-2002), die globale Finanzkrise (2008-2009) und die COVID-19-Pandemie (2020).
Forbes Advisor hat die grössten Crashs anhand des FTSE 100 analysiert und kam zu folgenden Resultaten:
Aktienmärkte sind zyklisch. Gesamthaft hat die Analyse keinen 10-Jahres-Zeitraum gezeigt, in dem Anleger Geld verloren hätten. Klar wäre die Versuchung gross, den Markt timen zu wollen, sprich an einem besonders günstigen Zeitpunkt zu verkaufen, warten und wieder zu kaufen. Allerdings gelingt dies in der Praxis sehr selten oder gar nicht. Kontinuität, z.B. monatlich anlegen und ein breit abgestütztes Portfolio über mehrere Sektoren, Geografien und Anlageklassen, hat sich in der Vergangenheit in volatilen Zeiten besser bewährt
Es mag esoterisch klingen, aber positive Glaubenssätze helfen uns, den häufig anzutreffenden Loss-Aversion Bias in Schach zu halten. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass wir Verluste als bis zu 2-mal schmerzlicher empfinden als gleichwertige Gewinne und so z.B. dazu neigen, negative Informationen anders zu gewichten. Bei starken Schwankungen im Aktienmarkt kann dies dann dazu führen, dass du deine langfristige Strategie aus diesem Impuls heraus änderst.
Abhilfe schafft hier, Informationen im Kontext anzuschauen, aber auch bewusst positive Impulse zuzulassen.
Wer mehr dazu und wie unser Hirn Informationen verarbeitet lesen möchte: Der ungeschlagene Klassiker über Entscheidungsprozess und Verhaltensökonomie «Thinking fast and slow» von Daniel Kahneman ist eine tolle Lektüre für trübe Herbstage.
Jede dynamische Zeit hat auch ihre Gewinner. Möglichkeiten ergeben sich z.B. Währungen (steigender US-Dollar), Branchen einbeziehen, welche sich bei langsamem Wirtschaftswachstum als robust erweisen, z.B. Gesundheitssektor oder Verbrauchsgüter. Möglichkeiten bieten auch der Energiesektor und langfristige Themen wie nachhaltige Mobilität, Ernährungssicherheit und Greentech. Wenn du schon ein robustes, diversifiziertes Portfolio hast, dann kann es sehr spannend sein, als Satelliten zusätzlich weitere Themen oder Anlageinstrumente hinzuzunehmen, um von neuen Möglichkeiten zu profitieren.
Wie geht ihr mit der gegenwärtigen Unsicherheit um? Habt ihr etwas an euren Anlagen geändert? Welche neuen Möglichkeiten seht ihr und welche Tipps habt ihr?