Eigenartig: Obwohl Geld etwas so Alltägliches ist, fällt es vielen Menschen schwer, darüber zu sprechen. Ich merke das immer bei mir selbst, zum Beispiel an Events: «Hallo, ich bin Olga und ich spreche über Geld». Fühlt sich oft wie so ein grosses Bekenntnis an, für das man sich fast ein bisschen schämen müsste.
Studien zeigen, dass das Unbehagen, über Geld zu sprechen, weit verbreitet ist. So schätzen z. B. 44% der Amerikaner persönliche Finanzen als ein schwierigeres Konversationsthema ein als Politik oder Religion. In der Schweiz scheinen wir zum Thema als «besonders verschlossen» zu gelten und 43% der Engländer finden über Geld zu sprechen beschämend. Und weiter:
6 von 10 Frauen sagen, dass sie lieber über den eigenen Tod sprechen würden als über Geld.
Warum ist über so etwas Alltägliches wie über Geld zu sprechen für uns so schwierig?
Sorgen um die Zukunft
2 von 3 Erwachsenen erwarten 80 oder mehr Jahre alt zu werden, aber nur 1 von 3 fühlt sich dafür finanziell vorbereitet. Und etwas mehr als die Hälfte gibt an, über ihre finanzielle Situation zumindest etwas gestresst zu sein. 34% der Millennials unterschätzen, wie viel Geld sie im Alter brauchen werden, massiv. Und man redet einfach nicht so gerne über Sachen, die einem Sorgen machen.
Spannungen in Beziehungen
Geld ist eine der Hauptursachen für Beziehungsstress, anscheinend sogar stressiger als die ärgerlichen Gewohnheiten des Partners. Reibereien entstehen oft dadurch, dass Paare ihre Ausgaben voreinander verstecken, unterschiedliche Spargewohnheiten oder unterschiedliche Ansichten darüber haben, wie mit dem Geld zu verfahren sei. Rund 7,2 Millionen Amerikaner halten ein Bank- oder Kreditkartenkonto vor ihrem Ehepartner oder Lebenspartner versteckt. Und in England verstecken fast die Hälfte der Erwachsenen 4000 £ oder mehr Schulden vor ihrer Familie und Freunden.
Scham und Angst, blossgestellt zu werden
Viele Frauen, die ich treffe, sagen, dass sie sich einfach schämen, über Geld zu sprechen. Sie sind der Ansicht, nicht genug darüber zu wissen, oder haben Angst, als inkompetent blossgestellt zu werden. «Ich habe Angst, dass ich dann keine Antwort weiss und man hinter meinem Rücken über mich lacht», sagte mir eine Frau, die einen zweistelligen Millionenbetrag als Firmenbudget erfolgreich verwaltet.
Um diesem Tabu auf den Grund zu gehen, habe ich Frauen befragt, die sich mit dem «Über-Geld-reden-Thema» sehr gut auskennen.
Wies Bratby, Gründerin von womeninnegotiation.org, meint zur Frage, ob Frauen mehr Schwierigkeiten haben über Geld zu sprechen als Männer:
«… Frauen haben Schwierigkeiten, über Geld zu sprechen, insbesondere wenn es darum geht, viel Geld zu haben oder viel Geld zu verdienen. Wenn ich Leuten erzähle, dass ich Frauen helfe, eine (grosse!) Menge Geld zu verdienen, sehe ich sie oft sichtbar zusammenzucken. Für Frauen ist es immer noch unhöflich, darüber zu diskutieren, da uns beigebracht wurde, für die Liebe zu arbeiten, nicht für das Geld.»
Dr. Fleur Platow, Finanzjournalistin und Autorin, beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit dem Thema und meint, es habe sich nicht viel geändert:
«Traditionelle Rollenbilder sind nur schwer zu überwinden. Der Anteil der Mitarbeiterinnen in der Finanzbranche wächst bei uns, doch die Mehrzahl hat nach wie vor wenig mit eigenen Anlage-Entscheidungen am Hut.»
Offen und selbstbewusst über Geld zu sprechen hat viele Vorteile:
Mehr Informationen und Transparenz – kann bei Verhandlungen zu besseren Resultaten führen
Austausch mit anderen vermittelt Wissen und praktische Erfahrung
Klarheit hilft, unnötigen Stress und finanzielle Überraschungen zu vermeiden
Mehr Selbstbewusstsein
… und wir geben unsere Ansichten zu Geld auch an die nächste Generation weiter
6 von 10 Befragten in England sagen, dass sie sich nach einem «Money-Talk» in Bezug auf ihre finanzielle Situation besser und positiver fühlen.
Wie aber packt man das am besten an? Wie spreche ich entspannt über Geld?
Ines Danuser, Senior Career Counsellor CSC Universität St. Gallen, rät, sich mit Kollegen, Kolleginnen und Bekannten offen über den Lohn auszutauschen. Ist das nicht gefährlich und wird man da nicht als geldgierig angeschaut?
«Das hat zuerst mal damit zu tun, Informationen zu beschaffen und Fakten einzuholen. Zudem hoffe ich doch sehr, dass man anders wahrgenommen wird. Genau dies ist ein wichtiger Puzzlestein des Erfolgs. Als aktive, eigenverantwortliche, mutige Person wahrgenommen zu werden, die weiss, was sie will und kann, und dies auch zum Ausdruck bringt. Also: just do it!»
Ein Standard-Erfolgsrezept gibt es nicht, aber 7 Tipps:
Die eigene Einstellung zu Geld hinterfragen: set your mind to it!
Einen geschützten Rahmen schaffen, z. B. ein Women's Investment Club oder Seminar. Dort fällt es leichter, da alle ein ähnliches Bedürfnis haben.
Über Ziele sprechen, nicht über Zahlen. Wenn man sich in einer Partnerschaft zuerst darüber unterhält, was man gemeinsam erreichen will und wer was zum gemeinsamen Ziel beitragen möchte, dann hat das Gespräch eine ganz andere Dynamik.
Stress mit Geld vermindern. Nur schon ein Budget zu haben hilft oft, entspannter zu sein.
Unsicherheit reduzieren und sich ein bisschen Grundwissen aneignen.
Freunde befragen, z. B. welche Tools sie nutzen, ob man nachhaltig investiert, ob man schon mal Fehler gemacht hat.
Keine Angst vor Blamage – niemand weiss alles über Geld, wirklich nicht! Und wenn man selbst etwas nicht weiss, dann die Chance nutzen: «Echt? Wusste ich nicht, erklär das doch mal genauer …»
Für alle, die gerne ein Buch zum Thema lesen möchten, empfiehlt Wies Bratby «You’re a Badass at Making Money» von Jen Sincero.
Geld definiert nicht, wer du bist, sondern nur die Umstände, in denen du lebst. Es ist ein Werkzeug, das dabei helfen kann, auszudrücken, was dir wichtig ist. So gesehen ist über Geld zu sprechen weder arrogant noch peinlich oder unromantisch, sondern einfach nur ein ganz normaler Teil des Lebens.
Deshalb schreibe ich auf watson jeden Donnerstag diesen Blog mit Tipps und Wissen aus fast einem Jahrzehnt Erfahrung mit Frauen und Geld. Und lade euch ein zu lesen, zu diskutieren, etwas zu bewegen, denn Finanzbildung geht uns alle was an.
bild: zvg
Olga Miler ...
... war über zehn Jahre in verschiedenen Funktionen bei der UBS tätig, unter anderem hat sie dort das Frauenförderungsprogramm Unique aufgebaut. Jüngst gründete sie das Start-up SmartPurse, eine Plattform, auf der sie digitale Kurse, Workshops und Coachings zum Thema Finanzen für Frauen anbietet. Jeden Donnerstag wird Miler im watson-Blog «Frauen und Geld» an ihrer Expertise teilhaben lassen.
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Die beliebtesten Kommentare
Wolf von Sparta
06.02.2020 16:43registriert Februar 2019
Mir ist das sowas von Wurscht zu sagen was ich verdiene. Von mir aus kann das jeder wissen. Von was oder wem sollte ich mich verstecken? Mehr Transparenz würde für fairere Löhne Sorgen..auch zwischen Mann und Frau!
Finde ich super! Man muss wirklich mehr über Geld sprechen und die finanzielle Zukunft in die eigenen Hände nehmen. Bin gespannt auf weitere tolle Artikel und Beiträge.
Tolle Rubrik, ich bin gespannt auf die weiteren Beiträge zu diesem Thema! Im Übrigen ist das Thema wahrscheinlich auch für Männer aktuell und spannend.
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