Ex-Novartis-Chef Daniel Vasella soll zur Steuervermeidung in die Trickkiste gegriffen haben. Nicht zum ersten Mal: Schon in der Vergangenheit wurde der 69-Jährige in Geldangelegenheiten immer wieder kritisiert.
31.01.2023, 10:5501.02.2023, 13:49

Folge mir
Die Niederlage vor Gericht
Ex-Novartis-Chef Daniel Vasella hat 2013 im Kanton Zug einen «äusserst hohen» Steuerbetrag nicht bezahlen wollen – weil er angeblich seinen Wohnsitz von Risch ZG nach Monaco verlegt hatte. Doch der Multimillionär unterlag vor dem Zuger Verwaltungsgericht.

Vasella wollte auf keinen Fall die Steuern aus dem Jahr 2013 zahlen. Und ging deswegen vor Gericht.Bild: KEYSTONE
Aus dem bislang unbekannten rechtskräftigen Urteil des Zuger Verwaltungsgerichts vom September 2020, das der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vorliegt und über das die SonntagsZeitung berichtete, geht hervor, dass Vasella im entsprechenden Rekursverfahren «vollständig» unterlag. Gerichtspräsident Aldo Elsener bestätigte auf Anfrage, dass es sich im anonymisierten Urteil um Vasella handelt.
Daniel Vasella musste demnach die gesamten Kosten des Verfahrens tragen, die «aufgrund des ausserordentlich hohen Zeit- und Arbeitsaufwands, der Wichtigkeit und Schwierigkeit» auf 25'000 Franken festgelegt wurden. Wie hoch der umstrittene Steuerbetrag ist, geht aus dem Urteil nicht hervor. Das Gericht bezeichnet ihn jedoch als «äusserst hoch».
Die Neuigkeiten schlagen hohe Wellen. Seine Sympathien hat der ehemalige Assistenzarzt aber bei vielen Kritikerinnen und Kritikern schon vor Jahren verspielt.
Die Sehnsucht nach dem grossen Lohn
1996 wurde Daniel Vasella zum Vorsitzenden der Geschäftsleitung des Pharmakonzerns Novartis AG gewählt, ab 1999 war er zudem als Verwaltungspräsident tätig. Während dieser Zeit kassierte der ehemalige Assistenzarzt das ganz grosse Geld: Laut Presseberichten soll er von 2000 bis zu seinem Abgang im Jahr 2013 fast 400 Millionen Franken verdient haben.
Öffentliche Missgunst erntete er erstmals 2003, als die Schweiz die Transparenzvorschriften erhöhte und Vasella Anfang 2003 seinen Lohn offenlegen musste: Im Jahr 2002 habe Vasella 20 Millionen Franken erhalten, gab Novartis-Sprecher Bruno Hofer bekannt. Das steuerbare Einkommen setzte sich dabei aus 3 Millionen Franken in bar und 17 Millionen in Aktien und Optionen zusammen.

Der Novartis-Hauptsitz in Basel.Bild: KEYSTONE
Den fetten Lohn hatte Vasella sich laut des Schweizer Wirtschaftsmagazins Bilanz selber zu verdanken. Als Vorsitzender der Geschäftsleitung lag sein Lohn für die Jahre 1997 und 1998 schätzungsweise «nur» zwischen ein und zwei Millionen Franken. Dies änderte sich erst, als er zusätzlich den Posten des Verwaltungspräsidenten übernahm. Sofort habe er einen Vergütungsausschuss installiert, berichtet das Magazin weiter. In diesen trat er ebenfalls ein und konnte so seinen Lohn selbst festlegen.
Damit dieser nicht komplett aus der Luft gegriffen war, beauftragte er seinen Personalverantwortlichen Norman Walker damit, Vergleichszahlen der Konkurrenz zu beschaffen. Nach der Öffentlichmachung seines Lohnes 2003 verwies er im Anschluss stets auf die dabei erhobenen Daten und rechtfertigte sich damit, dass es sich um einen «marktüblichen Lohn» handle.
Nebst dem gigantischen Lohnsprung stellte Vasella auch extreme Abgangsentschädigungen sicher: Bei einem Ausscheiden aus der Firma würde er drei Jahreslöhne, bei einem Verkauf fünf Jahreslöhne erhalten. Alle Vereinbarungen sollten zehn Jahre – also bis 2009 – gelten. Kritikerinnen und Kritiker Vasellas erwarteten, dass der Verwaltungsrat diesen Moment nutzen würde, um einzugreifen und Vasellas Lohn zu kürzen. Doch durch sein Doppelmandat behielt er das Zepter fest in der Hand und stellte so erneut die Bedingungen für die Vertragsverlängerung.
Die Debatte um die Abgangsentschädigung
Novartis gab Vasellas Rücktritt am 23. Januar 2013 bekannt, drei Wochen später kam raus, welche Abgangsentschädigung ausgehandelt wurde: 75 Millionen Franken verteilt auf 5 Jahre zu je 15 Millionen Franken. Bedingung dafür war, dass er nicht bei der Konkurrenz einsteigen durfte.
Der Aufschrei war gross – und ein gefundenes Fressen für die Abzockerinitiative, über die zwei Wochen später abgestimmt werden sollte. Diese wollte genau gegen solch exorbitante Managerlöhne und Verwaltungsratsentschädigungen vorgehen.

Vasella bei seiner letzten Generalversammlung am 22. Februar 2013.Bild: KEYSTONE
Nach dem Öffentlichwerden seiner geplanten Abgangsentschädigung liess Vasella schnell verlauten, dass er den gesamten Betrag spenden wolle. Ob er auf das Geld bewusst wegen der damals anstehenden Abstimmung zur Abzockerinitiative verzichtet habe, wollte die Tagesschau daraufhin von ihm wissen. «Das würde mir nicht im Traum einfallen», lautete seine Antwort darauf. Den Entscheid habe er schon viel früher getroffen.
Vasella und das scheinbare Desinteresse an Geld
Nach seinem Rücktritt gab Vasella viele Interviews, wobei er immer wieder Fragen zu seinem gigantischen Lohn beantworten musste. So wurde er etwa nach seinem Abgang 2013 vom «Sonntagsblick» gefragt, wann er denn auf den Geschmack gekommen sei, viel Geld zu verdienen. Seine Antwort darauf:
«Das war nie mein Ziel, es hat sich ergeben.»
Er habe bei Novartis aber immerhin zwischen 200 und 300 Millionen verdient, ergänzte der Reporter. Vasella gab sich unwissend:
«Jeden Tag steigt in der Presse die Summe. Ich weiss leider nicht, wo das viele Geld ist.»
Er wisse auch nicht, wie viel es total gewesen sei. Er habe diese Rechnung nie gemacht.
In einem Interview mit der Wirtschaftswoche im November 2013 gab er sich über die Kritik zu seiner Abgangsentschädigung überrascht: Er habe ja gesagt, dass er das Geld für wohltätige und soziale Zwecke verwenden werde. Aufgrund der massiven öffentlichen Kritik sei er aber zum Schluss gekommen, dass er auf die Entschädigung auch ganz verzichten könnte. Drei Jahre später, im November 2016, räumte er gegenüber Blick ein, dass er auch Fehler gemacht habe. Und zwar habe er nicht begriffen, dass es in der Öffentlichkeit keine Rolle spielte, ob er die Entschädigung nun spende – was seiner bekannten Absicht entsprochen habe, so fügte er an – oder selbst behalte.
Sowohl die ursprünglich geplante Entschädigung als auch seinen gigantischen Lohn schien er allerdings nie als unverhältnismässig zu empfinden. Fragen dazu beantwortete er stets mit der Floskel, dass Geld ja relativ sei oder dass das Salär fair und «konkurrenzmässig» sein solle.
Was denn das viele Geld mit ihm mache, wurde er nach seinem Abgang bei Novartis 2013 vom «Blick» gefragt.
«Es wirft die Frage auf, wie man es einsetzt. Kauft man sich eine Yacht? Ich sagte: auf keinen Fall. Die zweite Frage: Wie viel behält man, wie viel gibt man weiter?»
Gemäss eigenen Aussagen ist er immer sehr bedacht mit Geld umgegangen. Wie sehr, zeigt nun der Fall Monaco.
Der Trick mit Monaco
Denn: Auch wenn Vasella 2013 auf die Abgangsentschädigung von Novartis verzichtete, erhielt er im Anschluss insgesamt acht Millionen Franken. Und die wollte er scheinbar keinesfalls versteuern lassen. Um dies zu verhindern, meldete sich Vasella gleich Anfang 2013 bei der Einwohnergemeinde Risch ab, wo er seit 1998 in einer Villa wohnte. Der Zuger Steuerverwaltung gab er an, ab März nach Monaco umgezogen zu sein. Dort mietete er laut dem Urteil eine 5-Zimmer-Wohnung. Auf Anfang 2016 meldet er sich wieder an seiner alten Wohnadresse im zugerischen Risch an.
Im April 2017 veranlagte die Steuerverwaltung des Kantons Zug Vasella für das Steuerjahr 2013. Wegen «eines beibehaltenen Wohnsitzes» ging die Steuerverwaltung von einer unbeschränkten Steuerpflicht in der Schweiz und im Kanton Zug aus. Vasella aber wollte für die Monate April 2013 bis Dezember 2013 keine Steuern bezahlen und wehrte sich dagegen.
Das nun öffentlich gewordene Verwaltungsgerichtsurteil zeigt zahlreiche Indizien auf, die gegen Daniel Vasellas Umzug nach Monaco sprechen. Dazu wurden unter anderem der Strom- und Wasserverbrauch von der Villa in Risch und der Wohnung in Monaco verglichen. Fazit: Vasella soll sich kaum in Monaco aufgehalten haben.
Widersprüche kamen bei der Auswertung von Einträgen im Outlook-Kalender sowie Kreditkartenzahlungen ans Licht sowie bei den gebuchten Flügen, die fast immer über Zürich gingen. Die zentrale Stellung des Flughafens Zürich deute darauf hin, dass der Wohnsitz in der Schweiz nicht aufgegeben wurde, schreibt das Gericht. Vasella argumentierte laut Urteil, er habe Zürich als internationales Drehkreuz verwendet.
Schliesslich sprächen auch das Zurückbehalten der Post in Risch und die Nichtbekanntgabe des Adresswechsels an die Krankenkasse «relativ deutlich» gegen eine Absicht des dauernden Verbleibens in Monaco, heisst es im Urteil.
Die 25'000 Franken Verfahrenskosten dürften ihn derweil herzlich wenig kümmern. Vasellas gesamtes Vermögen wurde letztes Jahr auf 375 Millionen Franken geschätzt.
(Mit Material der Nachrichtenagentur sda)