Wirtschaft
Schweiz

2500 Franken pro Monat – Zürcher Gemeinde Rheinau will Grundeinkommen testen

Die Klosterinsel Rheinau mit der Klosterkirche, aufgenommen am Donnerstag, 26. Juli 2012, in Rheinau. (KEYSTONE/Steffen Schmidt)
Rheinau: In der 1300-Seelen-Gemeinde soll das Bedingungslose Grundeinkommen getestet werden.Bild: KEYSTONE

2500 Franken pro Monat – Zürcher Gemeinde Rheinau will Grundeinkommen testen

05.06.2018, 22:0006.06.2018, 06:43

Die Einwohnerinnen und Einwohner der Zürcher Grenzgemeinde Rheinau sollen für ein Jahr ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten. Die Gemeinde unterstützt einen privat organisierten Test. Das Experiment hat jedoch ein paar Haken.

Vor genau zwei Jahren sagte die Schweizer Stimmbevölkerung wuchtig Nein zu einer Initiative für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Die Abstimmung hatte aber die Schweizer Filmemacherin Rebecca Panian dazu veranlasst, einen Schweizer Ort zu finden, der sich für ein Grundeinkommens-Experiment zur Verfügung stellt.

Bei Panian und ihrem Team meldeten sich zahlreiche interessierte Dörfer, ausgewählt wurde nun Rheinau im Kanton Zürich mit rund 1300 Einwohnern. Am Dienstagabend wurde nach der Gemeindeversammlung den Anwesenden eröffnet, dass sie sich für den Versuch anmelden können. Beginnen soll dieser 2019 – so er denn zustande kommt.

Das nötige Geld ist nämlich noch nicht beisammen: Für die Finanzierung ihres Experiments zählen die Organisatoren auf ein Crowdfunding sowie auf Beiträge von Stiftungen. Zudem muss rund die Hälfte der Bevölkerung mitmachen, also 600 bis 700 Personen.

Bedingt bedingungslos

Das Kleingedruckte nimmt dem Versuch auch etwas die Attraktivität: Die teilnehmenden Rheinauerinnen und Rheinauern können sich nämlich nicht uneingeschränkt auf den Zustupf freuen: Zwar erhalten alle Erwachsenen ab 25 Jahren monatlich 2500 Franken ausbezahlt (für Kinder und junge Erwachsene liegt der Betrag tiefer).

Aber: Wer Einkommen erzielt, muss auch wieder Geld zurückzahlen. Das heisst: Wer mehr als 2500 Franken verdient, erhält unter dem Strich keinen Rappen Grundeinkommen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das eigene Einkommen aus Lohn, AHV oder Sozialleistungen stammt.

Die Idee dahinter laut den Initianten: «Jede Person über 25 Jahren hat pro Monat mindestens 2500 Franken zur Verfügung». In der Theorie würde das Grundeinkommen jegliche Sozialleistungen ersetzen – das kann das Experiment nicht simulieren. Unter anderem deshalb ist die Rückzahlung vorgesehen.

Projekt möglich machen

Die Idee sei auf einen privaten Kontakt hin entstanden, sagte Andreas Jenni, Gemeindepräsident von Rheinau, der Agentur Keystone-SDA vor der Versammlung. Das Projekt erscheine dem Gemeinderat aus gesellschaftspolitischer Sicht unterstützenswert, auch wenn er es durchaus auch kritisch betrachte.

«Die Leute sollen am Stammtisch darüber reden.»
Gemeindepräsident Andreas Jenni

Die grösste Herausforderung sei, auch jene Leute zu überzeugen, die keinen persönlichen Vorteil aus dem Experiment ziehen könnten, sagte er. Diese sind nötig, um den einjährigen Versuch wie geplant wissenschaftlich begleiten zu können.

Wie viele Menschen Geld erhalten könnten, hat die Gemeinde noch nicht berechnet. Deshalb sind auch die Kosten nicht genau abschätzbar. Aufgrund der Regeln sei kein riesiger Ansturm zu erwarten, sagte SP-Politiker Jenni. Er zeigte sich deshalb auch zuversichtlich, dass das benötigte Geld zusammenkommt.

Diskussion auslösen

Die Ankündigung soll eine Diskussion eröffnen, wie Jenni sagte. «Die Leute sollen am Stammtisch darüber reden.» Mehr Details sollen an einer Veranstaltung am 31. August folgen. Dann erst können sich die Interessierten verbindlich anmelden.

Vorgesorgt hat die Gemeinde, dass sie nicht von Leuten aus aller Welt überrannt wird. Teilnehmen am Versuch kann nur, wer heute bereits in Rheinau wohnt. (sda)

Auch in Finnland wurde das Bedingungslose Grundeinkommen getestet:

Mehr zum Thema:

Video: watson
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
28 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
demian
05.06.2018 22:52registriert November 2016
Also für Studenten und Lehrlinge? Oder bekommen Hausfrauen auch? Wenn es auf ein Jahr beschränkt ist, wird ja wohl kaum jemand seinen Job kündigen und davon leben, während er einen Traum zu erfüllen versucht.

Irgendwie macht das Experiment in dieser Form leider nicht wirklich Sinn.
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
bokl
05.06.2018 22:57registriert Februar 2014
Sinnloser Versuch. Ein BGE funktioniert nur, wenn alle anderen staatlichen Leistungen (AHV, IV, ALV, usw.) wegfallen. Dies kann so in einem 1-jährigen Feldversuch nicht getestet werden.
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Siebenstein
06.06.2018 06:25registriert Dezember 2016
Was für ein Blödsinn! So ist das nur ein Gemurkse aber auf keinen Fall ein bedingungsloses Grundeinkommen!
Ernsthaft testen lässt sich das auch kaum da sich die geldsparenden Folgen des allgemeinen Wegfalls von Sozialleistungen nicht simulieren lässt...
00
Melden
Zum Kommentar
28
Britischer Notenbankchef: Pleite von First Brands könnte Warnsignal gewesen sein
Gut drei Wochen nach der Milliardenpleite des überschuldeten US-Autoersatzteillieferanten First Brands ist wieder etwas Ruhe in die aufgescheuchten Kreditmärkte zurückgekehrt – vordergründig.
Der britische Notenbankchef Andrew Bailey ist besorgt über den Zustand des Finanzsystems. Dem parlamentarischen Ausschuss des Oberhauses für Finanzmarktregulierung sagte er letzte Woche: Es sei möglich, dass die Pleite von First Brands und des wenige Tage davor eingetretenen Milliardenbankrotts des texanischen Autokreditfinanzierers Tricolor die berühmten Kanarienvögel im Kohlebergwerk waren.
Zur Story