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Wirtschaft

Pleite First Brands: Britischer Notenbankchef ist besorgt

Britischer Notenbankchef: Pleite von First Brands könnte Warnsignal gewesen sein

Gut drei Wochen nach der Milliardenpleite des überschuldeten US-Autoersatzteillieferanten First Brands ist wieder etwas Ruhe in die aufgescheuchten Kreditmärkte zurückgekehrt – vordergründig.
27.10.2025, 12:5028.10.2025, 06:01
Daniel Zulauf / ch media

Der britische Notenbankchef Andrew Bailey ist besorgt über den Zustand des Finanzsystems. Dem parlamentarischen Ausschuss des Oberhauses für Finanzmarktregulierung sagte er letzte Woche: Es sei möglich, dass die Pleite von First Brands und des wenige Tage davor eingetretenen Milliardenbankrotts des texanischen Autokreditfinanzierers Tricolor die berühmten Kanarienvögel im Kohlebergwerk waren.

Andrew Bailey, Gouverneur der Bank of England, warnt vor den Risiken, die vom Schattenbankensektor ausgehen.
Andrew Bailey, Gouverneur der Bank of England, warnt vor den Risiken, die vom Schattenbankensektor ausgehen. bild: Imago

Bailey zielt mit der Allegorie auf eine weit grössere Krise, die sich mit den Konkursen angekündigt haben könnte. Die kleinen Vögel dienen den Minenarbeitern als Warnung vor giftigen Gasen. Fällt das Gefieder von der Stange, müssen die Mineure schnellstens an die frische Luft.

Schwierige Evakuation

Noch schwieriger als die rasche Evakuation von Bergwerken ist die Stabilisierung eines Finanzystems, in dem sich alle Akteure möglichst rasch in Sicherheit zu bringen versuchen. Die Bank of England nehme dieses Risiko «sehr ernst», versicherte ihr Gouverneur den Abgeordneten im House of Lords.

Gewiss, warnen ist eine Kernaufgabe der Notenbanken. Schliesslich gehört die Sicherung der Finanzstabilität zu ihrem Mandat. Gleiches lässt sich auch vom Internationalen Währungsfonds sagen, deren Chefin Kristalina Georgieva dieser Tage am IWF-Treffen in Washington einräumte, die wachsenden Risiken im Schattenbankensektor hielten sie nachts wach.

Die 4500 Milliarden Dollar, die traditionelle Banken gemäss IWF bei Hedge-Fonds, Privatmarktinvestoren und anderen Akteuren aus dem Schattenbankenbereich im Feuer haben, sind zwar viel. Und Pleiten wie First Brands und Tricolor machen die Zahl sogar furchterrend gross, zumal namhafte Banken involviert sind.

UK-Notenbankchef Andrew Bailey am IWF-Treffen in Washington, wo die Kreditblase auch ein Thema war.
UK-Notenbankchef Andrew Bailey am IWF-Treffen in Washington, wo die Kreditblase auch ein Thema war. bild: EPA

Aber noch sind die Verlust auf Ebene der einzelnen Institute nicht gross genug, als dass sich die Märkte dauerhaft davon beeindrucken lassen würden. UBS zittert bei First Brands um 515 Millionen Dollar, JP Morgan hat bei Tricolor 170 Millionen Dollar und Barclays 110 Millionen Pfund in den Sand gesetz.

Die Branche gibt sich vordergründig selbstsicher. Barclay's-Chef CS Venkatakrishnan räumte am Mittwoch, als seine Bank den Tricolor-Verlust offenlegen musste, gegenüber britischen Medien ein: Man sei durch den mutmasslichen Betrug bei Tricolor überrascht worden. Aber Kreditrisiken nehme man so ernst, dass man First Brands trotz mehrerer Anfragen mangels Informationen auflaufen liess. Venkatakrishnans Aussage würde bedeuten, dass die Adressen, die First Brands Geld geliehen haben, nicht richtig hingeschaut haben.

Peinlichkeiten umgedeutet

Nicht glaubwürdiger wird die Kreditwirtschaft mit JP-Morgan-Chef Jamie Dimon, der sinngemäss sagte Tricolor sei eine gruslige, für seine Bank aber ungefährliche, Küchenschabe gewesen. Doch der langjährige Bankchef weiss offensichtlich, wie sich eine Peinlichkeit umdeuten lässt: Gebe es eine Küchenschabe, müsse es noch andere geben, warnte er.

Tatsächlich weiss niemand so genau, wo und in welchem Umfang im obskuren Privatkreditmakt die Risiken verborgen sind. Ein aktueller Marktbericht des Schweizer Privatkreditvermittlers Partners Group legt den Finger auf die grossen Zahl von Privatkrediten in den USA, die in den kommenden ein bis drei Jahren zur Rückzahlung fällig werden. Fällig werdende Privatkredite im Umfang von 325 Milliarden Dollar würden mit Bonitätsnoten von B- und tiefer bewertet, was ein hohe bis sehr hohes Ausfallrisiko impliziert. Wird es diesen Schuldnern ebenso leicht wie in der Vergangenheit gelingen, durch Anpassungen der Kreditbedingungen die Laufzeiten zu verlängern?

Es wird ernst

Vorkommnisse wie First Brands und Tricolor sind, gelinde gesagt, wenig geeignet, das Vertrauen der Geldgeber zu stärken und die Verhandlungsposition der Schuldner zu verbessern. Offensichtlich haben sich die Parteien bislang aber immer gefunden. Kreditrückzahlungen wurden vertagt, die Geschäfte des hochverschuldeten Kreditnehmers weitergeführt und so der Schaden einer Pleite hinausgezögert. Wenn dieses Karussell zum Stillstand kommen sollte, wird man mehr und Konkreteres über die Risiken erfahren, die sich traditionelle Banken im Schattenbankenmarkt angelacht haben.

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