Wirtschaft
Schweiz

Wie Unternehmen Krisen nutzen, um Preise zu pushen

Achtung, Inflation der Ausreden – wie Unternehmen Krisen nutzen, um Preise zu pushen

Alles ist teurer geworden – nicht immer aus fairen Gründen. Es gibt Auswege, einer ist erst noch gesund.
08.05.2023, 09:45
Niklaus Vontobel / ch media
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Es bessert allmählich. Die Preise sind im April erneut weniger stark gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr waren es noch 2.6 Prozent – und damit deutlich weniger als die 3.5 Prozent auf dem Höhepunkt der aktuellen Inflationswelle. Ist also alles wieder gut?

Nicht wirklich. Die Preise steigen weniger stark, aber noch immer, sinken tun sie sowieso nicht. Es bleibt alles teurer als vor der Inflationswelle, um gut 5 Prozent. Die Löhne hielten nicht mit, die Kaufkraft nahm ab – laut Bundesamt für Statistik um 3 Prozent in zwei Jahren. Je nachdem, wofür ein Haushalt sein Geld ausgibt, trifft es ihn weniger oder noch mehr.

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Vieles ist teurer geworden: nicht immer aus gutem Grund.Bild: KEYSTONE

Doch müssen sich Konsumenten nicht einfach in ihr Schicksal fügen. Viele Unternehmen tun zwar, als seien die Aufschläge gottgegeben. Die unweigerliche Folge von höheren Kosten. Weil Corona ausbrach, Lieferketten stockten, Russland die Ukraine angriff und so weiter. Und es stimmt, vieles wurde teurer: Strom und Gas, Eier und Getreide. Aber das ist nicht die ganze Geschichte. Manche Unternehmen nutzen diese Krise auch als Ausrede oder zur Verschleierung.

«Viele Unternehmen hatten diese einmaligen oder sehr seltenen Ausreden, um die Preise zu erhöhen und um herauszufinden, wie viel der Konsument akzeptiert», sagte Experte Samuel Rines von der Beratungsfirma Corbu dem Finanzdienst Bloomberg. Rines hat sich zig Unternehmen angeschaut und stiess immer wieder auf solche Ausreden. Daraus entstand der Begriff von der «Excuseflation», also Inflation durch Ausreden.

Wenn hohe Preise einfach zu viel Spass machen

Pepsi-Cola sei ein Paradebeispiel eines Unternehmens, das die Geduld seiner Konsumenten auf die Probe stellt, so Experte Rines. Der Getränkehersteller hatte viel Geld verloren durch Putins Invasion der Ukraine, etwa 4 Prozent seines globalen Umsatzes. Kurz darauf ging er mit seinen Preisen im zweistelligen Prozentbereich hoch. Die weltweite Kundschaft nahm es hin, als wäre nichts gewesen.

Manche nehmen in Kauf, einige Kunden zu verlieren, um dafür höhere Preise durchsetzen zu können. Diese Strategie verfolgte die Lufthansa. Deren Chef Carsten Spohr plauderte vor Analysten aus, was Chefs sonst für sich behalten. Man habe keine Eile, die Kapazitäten aufzustocken, obschon die Nachfrage steige. Die hohen Preise würden «einfach zu viel Spass machen».

Internationale Konsumgüter-Konzerne erhöhen ihre Preise weltweit recht unzimperlich, wie sich bei der Veröffentlichung von Finanzergebnissen zeigt. So überwälzen sie ihre Kosten und schützen ihre Gewinne. Wie Bloomberg berichtet, ging Nestlé um 9.8 Prozent hoch mit den Preisen, Procter & Gamble um ungefähr 10 Prozent und Coca-Cola gar noch um etwas mehr als 10 Prozent.

Das gleiche Bild ergab sich in der Schweiz, als die Beratungsfirma Deloitte die Finanzchefs von 116 Unternehmen befragte. Gut ein Drittel hatte die Preise im Vergleich zum Vorjahr angehoben und so die Gewinnmarge nicht nur gehalten, sondern ausgebaut. Was nichts anderes bedeutet als: Sie reichten nicht bloss die Kosten weiter, sondern hoben die Preise noch mehr an.

Selbst für die Europäische Zentralbank ein Problem

Ist der Preis mal oben, holen ihn die Unternehmen nicht mehr runter, auch wenn sie die Kosten wieder in den Griff bekommen, wie Experte Rines im Bloomberg-Interview sagte. Am Ende haben die Unternehmen mehr Gewinn, die Konsumenten höhere Preise.

Solche Strategien sind so weit verbreitet, dass sie der Europäischen Zentralbank den Kampf gegen die Inflation erschweren. Deren Präsidentin Christine Lagarde sagte in einer Rede:

«Einige Unternehmen nutzen die Gelegenheit, um die Konsumenten mit starken Preisaufschlägen zu testen, die über ihre Kostensteigerungen hinausgehen.»
epa10608332 European Central Bank (ECB) President Christine Lagarde addresses a press conference following the meeting of the ECB Governing Council in Frankfurt am Main, Germany, 04 May 2023. EPA/RONA ...
EZB-Präsidentin Christine Lagarde.Bild: keystone

Trotz höherer Preise laufen die Kunden nicht davon. Wie EZB-Ökonomen schreiben, haben die Unternehmen ihre Gewinne erhöht, ohne Marktanteile zu verlieren. Dabei hilft ihnen, dass die Konsumenten nicht mehr durchblicken. Manches Unternehmen hat tatsächlich höhere Kosten, ihre Preissteigerungen sind damit berechtigt. Bei anderen ist dies nicht so. «So ist es schwieriger, zu erkennen, worauf die höheren Preise zurückzuführen sind: auf höhere Kosten oder auf höhere Gewinne.»

Dies zu erkennen, ist schon in normalen Zeiten knifflig, auch hierzulande. Sara Stalder, die Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz, spricht von einem «der bestgehüteten Geheimnisse der Schweiz».

Je höher die Verarbeitung, desto teurer die Produkte

Doch muss man diesen Durchblick nicht unbedingt haben. Selbst wenn die Unternehmen bloss ihre höheren Kosten weitergeben und nicht noch ihre Gewinne erhöhen: Es steht nirgends geschrieben, dass die Konsumenten diese höheren Kosten allein tragen müssen, während die Unternehmen sich schadlos halten. Das hätten die Unternehmen gerne und überwälzen alle ihre zusätzlichen Kosten, solange die Konsumenten es zulassen.

Doch die Konsumenten könnten ausweichen. Viele Unternehmen geben nur weiter, was sie wirklich müssen. Oder besser noch, werden effizienter, verbrauchen weniger Ressourcen und können so die Preise halten oder gehen weniger weit hoch. Es lohnt sich in diesem Zeiten also mehr als sonst, hinzuschauen und zu vergleichen, denn nicht alles wird gleich viel teurer.

Und es gibt diverse Sparkniffe, die auch in normalen Zeiten greifen - und erst noch gesund sind. Stalder vom Konsumentenschutz rät beispielsweise davon ab, stark industriell verarbeitete Lebensmittel zu kaufen. Je höher die Verarbeitung, wie zum Beispiel bei Fertiggerichten, desto teurer seien die Produkte. «Selber zu kochen, ist günstiger - und erst noch gesünder.» (aargauerzeitung.ch)

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122 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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eldorak
08.05.2023 10:11registriert April 2019
Dann wäre es ja Zeit für einen weiteren Artikel, in dem ein paar der Unternehmen erwähnt werden, die die Preise den Umständen entsprechend anpassen und nicht einfach nur für den eigenen Profit ;)
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Atavar
08.05.2023 10:02registriert März 2020
Nicht INflation sondern GIERflation.
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banda69
08.05.2023 10:44registriert Januar 2020
"Es bleibt alles teurer als vor der Inflationswelle, um gut 5 Prozent. Die Löhne hielten nicht mit, die Kaufkraft nahm ab – laut Bundesamt für Statistik um 3 Prozent in zwei Jahren."

Und was tut die selbst ernannte "Partei des Volkes" dagegen? Ah ja nichts. Die sind ja auf der Seite der Wirtschaft und der Abzocker.
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