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Ein paar hundert Jobs hier, ein paar tausend Arbeitsplätze dort – und bald sprechen wir über eine Krise, könnte man in Abwandlung einer bekannten amerikanischen Redewendung sagen. Die Nachrichten von der Arbeitsplatzfront sind vorwiegend schlecht. In Muttenz will Doetsch Grether 70 Stellen, in Winterthur Rieter 150 Stellen abbauen. Die Zürcher CS gibt derweil bekannt, 1600 Jobs in der Schweiz aufzuheben. Weitere Hiobsbotschaften werden folgen. Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, rechnet mit einem Stellenabbau in der Höhe von 10'000 Jobs bis Ende Jahr.
Das Paradoxe dabei ist, dass es der Schweizer Wirtschaft sehr gut geht, was ausser Lukas Bärfuss inzwischen fast alle begriffen haben. In den letzten zehn Jahren ist das Bruttoinlandprodukt stetig zwischen 1,5 und 2 Prozent gewachsen. Nicht so schnell, dass eine Überhitzung droht, aber auch nicht so langsam, dass wir Angst vor einer hohen Arbeitslosigkeit haben müssten.
Die wirtschaftlichen Bedingungen in der Schweiz sind vorbildlich, zumindest wenn man die klassische Ökonomie als Massstab nimmt: Die Arbeitsmärkte sind flexibel, die Steuern moderat, Märkte und Grenzen offen. Das WEF hat uns einmal mehr an die Spitze der wettbewerbfreundlichsten Länder gesetzt, Zürich und Genf führen regelmässig die Rangliste der Städte mit der höchsten Lebensqualität an. (Okay, einmal in fünf Jahren lassen wir Wien den Vortritt.)
Kein Wunder ist die Schweiz attraktiv geworden, vor allem für reiche Ausländer. Pro Kopf gerechnet haben wir die höchste Anzahl von «Ultra high-net-worth individuals», wie im Bankenjargon Kunden genannt werden, die über ein Vermögen von 50 Millionen Franken und mehr verfügen. Auch gebildete Fachkräfte kommen gerne zu uns, hauptsächlich aus Deutschland.
Für den Mittelstand hingegen fällt kaum etwas ab. Immobilienpreise und Mieten steigen, die Löhne stagnieren. Auch das Klima am Arbeitsplatz wird immer frostiger. Die Unternehmer werden immer schäbiger, streichen Vergütungen, die bisher selbstverständlich waren, überprüfen Spesenrechnungen auch hinter dem Komma und betrachten es als selbstverständlich, dass man freiwillig Überstunden leistet. Ü50 werden die Aussichten, einen neuen Job zu erhalten, zur Illusion.
Die grausame Ironie des Ganzen liegt darin, dass wir ausgerechnet für unser mustergültiges Verhalten bestraft werden. Gerade weil wir so fleissig und flexibel sind, gerade weil wir tiefe Steuern und freien Kapitalverkehr haben, wird auch der Franken immer stärker. Das mag zwar unsere imaginäre Potenz steigern, die realen Folgen sind fatal. Weil der Franken immer stärker wird, müssen wir noch fleissiger und noch flexibler werden.
Die Spirale dreht sich unerbittlich weiter. Obwohl wir bereits super wettbewerbsfähig sind, geht es uns wie der griechischen Mythengestalt Sisyphos. Wir erreichen unser Ziel nie. Ob Avenir suisse, Arbeitgeberverband oder FDP, neoliberale Stimmen fordern stets noch weniger Regulierung und noch mehr Reformen, damit wir noch wettbewerbsfähiger und damit noch attraktiver werden. Es ist ein Wahnsinn – doch er hat Methode.
Hat der starke Franken auch Vorteile? Ein paar wenige. Wenn wir im Ausland in den Ferien sind, dann staunen wir, dass wir in Luxushotels weniger bezahlen als zuhause in Jugendherbergen. Die aus dem Ausland importierten Autos sind so billig geworden, dass wir abends im Stau ersticken und auf den Quartierstrassen in den Gemeinden entlang dem Zürichsee die Porsches und Bentleys parkiert sind wie einst VWs und Opels. Lohnt es sich, dafür täglich wie Sisyphos den schweren Stein den steilen Hang hochzubuckeln? Oder sind wir vielleicht doch blöd, wie es in der Media-Markt-Werbung suggeriert wird?