Seit einem Monat führt Wladimir Putin Krieg in der Ukraine. Führende Industrienationen haben den Aggressor mit weitreichenden wirtschaftlichen Sanktionen belegt. Dies hatte zur Folge, dass der Rubel zunächst stark an Wert verlor. Anfang März musste man für einen US-Dollar zeitweise über 140 Rubel hinlegen. Vor dem Einmarsch waren es noch rund 75 Rubel. Mittlerweile hat sich die russische Währung etwas erholt, sie steht wegen der Sanktionen aber weiter unter Druck.
Am Mittwoch holte der russische Präsident zum Gegenschlag aus. Er verkündete, dass Kunden aus der EU, der Schweiz und anderen Staaten russisches Gas in Zukunft in Rubel bezahlen müssen – betroffen sind alle sogenannt «unfreundlichen Staaten». «Russland wird selbstverständlich weiterhin Erdgas zu den in früheren Verträgen festgelegten Mengen und Preisen liefern», sagte Putin während eines Ministertreffens, das im Fernsehen übertragen wurde. «Die Änderungen betreffen nur die Währung, die auf russische Rubel umgestellt wird.»
Alleine europäische Kunden überweisen pro Tag zwischen 200 und 800 Millionen Euro für Gas-Lieferungen nach Russland. Anfang März sollen es täglich 660 Millionen Euro gewesen sein, wie der europäische Thinktank Bruegel berechnete. Die betroffenen Geldmengen sind also beträchtlich.
Die Umstellung auf Bezahlungen in Rubel soll nicht per sofort erfolgen. Putin kündigte an, dass die Zentralbank und die russische Regierung eine Woche Zeit hätten, die Modalitäten festzulegen.
Westliche Kunden bezahlen die Gas-Lieferungen bis anhin mit Dollar oder Euro beim russischen Gas-Monopolisten Gazprom. Dieser muss aber 80 Prozent davon bei der russischen Zentralbank in Rubel wechseln, wie der deutsche Ökonomie-Professor Jens Suedekum auf Twitter festhält.
Würden jetzt alle Gas-Lieferungen in Rubel bezahlt, würden 100 Prozent der hereinkommenden Devisen in Rubel getauscht anstatt 80 Prozent. «Substantiell ändert sich eigentlich erst mal nicht so viel», hält Suedekum deswegen fest.
Was ist also Putins Ziel? Wenn die Gas-Lieferungen in Rubel bezahlt werden müssen, müssten die europäischen Länder mehr Reserven in der russischen Währung halten, sagt Wirtschaftsprofessor Reto Föllmi von der Universität St.Gallen zu watson. «Wegen der Sanktionen wird der Rubel nur noch wenig für Transaktionen genutzt, was zum Zerfall der Währung geführt hat». Putin ziele mit seiner Ankündigung darauf ab, den Handel mit Rubel wieder zu erhöhen und die Währung somit zu stärken.
Tatsächlich legte der Rubel am Mittwoch und am Donnerstag zu. Am Donnerstagmittag musste man für einen Dollar rund 98 Rubel hinlegen – also deutlich weniger als noch vor ein paar Wochen.
Es bleibe abzuwarten, wie die russische Regierung die Abwicklung in Rubel genau umsetzen wolle, so Föllmi, da gebe es eine «grosse Unsicherheit». «Vielleicht heisst es plötzlich, dass man die Gas-Rechnungen zu einem unvorteilhaften Rubelkurs begleichen muss. Vielleicht ist es also ein Versuch Russlands, den Preis für sein Gas zu erhöhen.» Bereits am Mittwoch sei der Gas-Preis stark gestiegen. Egal, wie Russland das Vorhaben umsetzen will, für Föllmi ist klar: «Das ist ein Vertragsbruch, man hat eine andere Währung abgemacht.»
Falls die betroffenen Staaten tatsächlich ihre Gas-Lieferungen künftig in Rubel bezahlen sollten, müssten sie irgendwie an die russische Währung kommen. Diese könnten sie bei Geschäftsbanken kaufen, die nicht von den Sanktionen betroffen sind, wobei sich die Frage stelle, ob diese noch genügend Rubel halten würden, so Föllmi. Der Westen müsste also möglicherweise seine eigenen Sanktionen aufweichen, um an genügend Rubel zu kommen.
Und was bedeutet die Ankündigung für die Schweiz, welche ebenfalls zu den «unfreundlichen Staaten» gehört? Die Schweiz beziehe zwar fast 50 Prozent des Gases aus Russland, sagt Föllmi, «allerdings nur indirekt». Der direkte Import erfolge aus Deutschland. Die Schweiz werde es vor allem zu spüren bekommen, wenn der Gaspreis steige – oder wenn Deutschland sich dazu entscheiden würde, kein russisches Gas mehr zu importieren.
«Das ist ein politisches Powerplay Putins. Bis jetzt haben die europäischen Länder die Bedingungen noch immer angenommen und das Gas bezahlt», konstatiert Föllmi. «Für den Moment ist das kein dummer Schachzug von Putin.» Nun müsse man schauen, wie die EU-Länder reagieren werden. «Ultraschnell können sie jedenfalls nicht vom russischen Gas wegkommen.»
Die EU ist stark von russischen Gas-Importen abhängig. Deswegen zögert sie auch mit einem Boykott, wie es etwa die USA getan hat. Die europäischen Regierungen stehen also vor einer schwierigen Herausforderung: Die Forderung Putins akzeptieren oder einen Lieferstopp riskieren.
Der deutsche Wirtschaftsminister Habeck hat die Forderung Putins am Mittwoch als Vertragsbruch kritisiert. Er werde mit den europäischen Partnern über eine Antwort reden, sagte der Grünen-Politiker in Berlin. Der österreichische Energiekonzern OMV erklärte in einer ersten Reaktion, seine Zahlungen wie in den Verträgen vereinbart, weiterhin in Euro zu zahlen.
In den Niederlanden reagierte man verhalten. Premierminister Mark Rutte sagte, es brauche etwas Zeit, um die russische Forderung zu analysieren. «In ihren Verträgen ist in der Regel festgelegt, in welcher Währung sie gezahlt werden müssen, so dass man das nicht einfach so ändern kann», meinte Rutte im Parlament.
Weitere Schritte werden wohl in den kommenden Tagen beschlossen. In Brüssel findet am Donnerstag und Freitag der EU-Gipfel statt. Im jüngsten Entwurf der Abschlusserklärung, welcher der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, heisst es, man sei bereit, rasch weitere Sanktionen gegen Russland zu beschliessen. Jeder Versuch, die bereits beschlossenen Sanktionen zu umgehen oder Russland anderweitig zu helfen, müsse gestoppt werden.
Affaire à suivre.
Es wäre aber endlich Zeit, Energie-Importe neu zu neu überdenken, neue Lieferanten zu finden und besonders die saubere nachhaltige Energie zu fördern.