«Wir befinden uns im Krieg gegen einen unsichtbaren Gegner.» Das sagen von Donald Trump über Emmanuel Macron die Staatsoberhäupter der verschiedensten Länder. Nun hat auch der Bundesrat reagiert und ein Massnahmenpaket vorgestellt. Es soll die wirtschaftlichen Verwerfungen auffangen.
Konkret will der Bundesrat 32 Milliarden Franken zur Verfügung stellen, um vor allem sicherzustellen, dass die Schweizer Unternehmen genügend liquid sind, um ihre Rechnungen zu bezahlen. Zusammen mit den bereits bewilligten 10 Milliarden umfasst das Hilfspaket damit 42 Milliarden Franken.
Zwei sich aufdrängenden Fragen nahm Finanzminister Ueli Maurer den Wind aus den Segeln: Können wir uns das leisten? «Ja, wir können das», sagt Maurer mit Verweis auf die blendende Finanzlage des Bundes.
Wie rasch wird das Geld zur Verfügung stehen? Bereits Mitte nächster Woche, denn «wir arbeiten mit den Profis der Banken zusammen», so Maurer. Das System ist einfach: Der Bund bürgt, die Banken leihen. Die Unternehmer können sich direkt an ihre Hausbank wenden, die Kredite bis zu einer halben Million Franken sofort und unbürokratisch bewilligen kann.
Nicht nur der Bund, auch die Kantone werden aktiv. So hat der Zürcher Regierungsrat den Banken eine Garantie für Kreditausfälle in der Höhe von 425 Millionen Franken zugesichert. Für Selbstständigerwerbende, die keine Kurzarbeit beantragen können, hat er 15 Millionen Franken freigegeben.
Die Massnahmen dürften auf keinen nennenswerten politischen Widerstand treffen. Selbst die ordoliberalen Gralshüter der Marktwirtschaft haben den Ernst der Lage erkannt. So spricht die wirtschaftsnahe Denkfabrik Avenir Suisse von mindestens zwölf Milliarden Franken, die der Bund nun monatlich zusätzlich ausgeben muss.
Die noch orthodoxeren Ökonomen von Economiesuisse leisten ebenfalls keinen Widerstand. Man müsse den Fünfer auch aus ordnungspolitischer Sicht für einmal gerade sein lassen, konzidiert Chefökonom Rudolf Minsch in der NZZ und begründet es wie folgt:
Dass der Staat handeln muss, ist daher weitgehend unbestritten. Wer heute noch die Schuldenbremse ins Feld führt, der lebt auf einem anderen Planeten. Schliesslich will etwa US-Präsident Donald Trump Helikoptergeld in der Höhe von 500 Milliarden direkt an die Haushalte verteilen. Die Europäische Zentralbank hat ein Hilfspaket von 750 Milliarden Euro geschnürt.
In der Schweiz fordern ETH-Professoren ein Hilfspaket in der Höhe von 100 Milliarden Franken, im Internet werden bereits Unterschriften für ein auf sechs Monate begrenztes bedingungsloses Grundeinkommen gesammelt.
Über all dem schwebt die Kardinalsfrage: Wird das reichen? Die Antwort hängt davon ab, welches der drei von den Ökonomen diskutierten Szenarien eintreten wird. Sie lassen sich mit drei Grossbuchstaben umschreiben:
Dass die Pandemie auf «wundersame Weise» im Frühling verschwinden wird, ist reines Trump'sches Wunschdenken. Sollte jedoch bald ein Impfstoff oder ein wirksames Medikament gegen das Coronavirus gefunden werden, ist auch eine schnelle Erholung denkbar.
Fachleute dämpfen jedoch diese Erwartungen. Sie sprechen davon, dass es mindestens ein Jahr gehen wird, bis ein Impfstoff verfügbar sein werde. Neuerdings wird ein Malaria-Medikament gehypt, das angeblich auch gegen Covid-19 wirken soll. Auch diesbezüglich sind die Experten sehr skeptisch.
Wer an das grosse V glaubt, der sollte jetzt an der Aktienbörse zuschlagen. Kommt es nämlich zu einer raschen Erholung, wird an den Börsen ein Feuerwerk gezündet werden. Aber Vorsicht: Nicht auf Kredit kaufen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Szenario eintreffen wird, ist gering. Viel wahrscheinlicher ist:
Selbst die grundsätzlich optimistisch gestimmten Bankökonomen erwarten nun eine Rezession der Weltwirtschaft. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat die Wachstumsprognose für das laufende Jahr für die Schweizer Wirtschaft dramatisch nach unten geschraubt. Aus einem Plus von 1,7 Prozent für das Bruttoinlandprodukt ist ein Minus von 1,3 Prozent geworden.
Das bedeutet, dass wir, bevor wir wieder auf einen Aufschwung hoffen können, eine Talsohle durchschreiten müssen. Nach dem Beinahe-Zusammenbruch des Finanzsystems 2008/09 war diese Talsohle schmal und die Rezession mild. Mit staatlicher Unterstützung für Kurzarbeit und dank dem Sozialstaat konnte sie ziemlich schmerzlos bewältigt werden.
Auf ein U-Szenario richtet sich auch der Bund ein, und mit den ergriffenen Massnahmen sollte es möglich sein, dass wir auch diesmal mit einem blauen Auge davonkommen. Es könnte aber auch viel schlimmer kommen:
Dieses Szenario sollten wir fürchten. Es bedeutet nämlich, dass die Weltwirtschaft in eine lang anhaltende Rezession, ja gar Depression verfallen wird. Erinnerungen an die Dreissigerjahre werden wach.
Leider gibt es handfeste Gründe für ein L-Szenario. Der Boom der letzten Jahre ist hauptsächlich einer Politik des billigen Geldes geschuldet. Das hat nicht nur zu einer Blase bei den Vermögenswerten (Aktien, Immobilien) geführt. Auch die Schulden aller Art haben weltweit einen Höchststand erreicht.
Die Weltwirtschaft ist somit angreifbar für eine Katastrophe geworden, und die Tatsachen, dass das Coronavirus nun im Begriff ist, die globalen Supply Chains lahmzulegen, stimmt ebenfalls wenig tröstlich. Vom aufkommenden Nationalismus ganz zu schweigen.
Sollte es tatsächlich zu einem L-Szenario kommen, dann werden selbst die von den ETH-Professoren geforderten 100 Milliarden Franken nicht ausreichen. Dann explodieren die Arbeitslosenzahlen und bringen die Sozialversicherungen (AHV, Pensionskassen) in Schwierigkeiten. Der Börsencrash hat bereits dazu geführt, dass die Gewinne der letzten Jahre verpufft sind und einzelnen Kassen eine Unterdeckung droht.
In der Volkswirtschaft wird sich eine riesige Nachfragelücke auftun. Arbeitslosigkeit wird den Konsum dämpfen und das wiederum den Unternehmern die Lust auf neue Investitionen nehmen. Firme werden ihre Kredite nicht mehr bedienen können, und das wiederum wird das Bankensystem ins Wanken bringen.
Eine solche Deflationsspirale kann gestoppt werden. Das zeigt das Beispiel von Japan, das nach einem monumentalen Börsencrash 1990 den Absturz in eine Depression mit einem resoluten Eingreifen des Staates verhindert hat – allerdings zum Preis einer gigantischen Staatsverschuldung.
Nur den Fünfer gerade sein lassen wird dann allerdings nicht mehr reichen.
Dann wieder Steuern senken und die Reichen können weiter noch reicher werden und der Rest normal vor sich hinvegitieren.
😎