Die Immobilienspezialisten der UBS haben einmal mehr den Luxusbereich in der Schweiz unter die Lupe genommen. Das Fazit erläutern sie nüchtern und wie folgt: «Die Transaktionspreise von Immobilien im Luxussegment legten im letzten Jahr rund 4 Prozent zu und stiegen damit mehr als doppelt so stark wie der Gesamtmarkt.»
Das vergangene Jahr liegt daher im bestens bekannten Trend. Mit Ausnahme eines kurzen Preiseinbruches 2015 und 2016 kennen die Immobilienpreise gerade in diesem Segment eigentlich nur eine Richtung: nach oben.
In der Schweiz zählen Häuser, die mehr als sechs Millionen Franken kosten, 350 und mehr Quadratmeter Wohnfläche und 2000 und mehr Quadratmeter Umschwung aufweisen, zum Luxussegment. Rund ein Prozent aller Immobilien werden landesweit dazugezählt.
Bereits seit Jahren liegen die Preise für diese Immobilien in schwindelerregenden Höhen. Experten warnen zwar immer wieder vor einem Crash. Trotzdem fliesst immer mehr Geld in die Immobilien. Warum das so ist, erklärt Adair Turner in seinem Buch «Between Debt and the Devil». Turner ist ein führender britischer Ökonom und Finanzspezialist.
Unser Wirtschaftssystem teilt sich auf in eine reale und eine finanzielle Wirtschaft. In der traditionellen Ökonomie werden die beiden als Geschwister betrachtet, die mehr oder weniger friedlich nebeneinander leben, sich gegenseitig aber kaum beeinflussen. Geld ist in dieser Sichtweise ein Schmiermittel, das Transaktionen erleichtert – man kann schlecht eine halbe Kuh gegen zwei paar Hosen eintauschen –, das sonst jedoch keinen Einfluss auf die reale Wirtschaft hat.
In dieser Sichtweise werden auch die Investitionen aus Ersparnissen der Bürgerinnen und Bürger finanziert. Dies ist nach wie vor weit verbreitet, jedoch falsch: Ersparnisse bilden bloss einen winzigen Teil der Summe, die in die Entwicklung der modernen Wirtschaft investiert wurde. Der grösste Teil ist von Banken geschaffener Kredit. (Wie Banken Kredit schaffen, könnt ihr hier nachlesen.)
Solange die Kredite dazu dienen, die Wirtschaft produktiver zu machen, sind sie segensreich. Nur so war es möglich, den Wohlstand der modernen Industriegesellschaften zu schaffen.
Das Problem beginnt dann, wenn die Wirtschaft diese Kredite kaum mehr nötig hat, weil sie ihre Investitionen aus dem eigenen Cashflow bewältigen kann. Das ist heute zu einem grossen Teil der Fall, vor allem bei den grossen Unternehmen.
Die Finanzwirtschaft ist jedoch weiterhin darauf angewiesen, Kredite zu schöpfen. Wohin aber mit dem Geld? Es fliesst nun in Häuser und Grundstücke. «Immobilien sind heute für mehr als die Hälfte des Reichtums verantwortlich», so Turner. «Sie sind der Grund für den Wohlstandszuwachs und für den grössten Teil der Kredite.» Auch in der Schweiz sind die meisten Kredite Hypotheken.
Volkswirtschaftlich gesehen sind Hypotheken tendenziell schädlich. Sie machen die Wirtschaft nicht produktiver, sondern führen einzig zu steigenden Immobilienpreisen. Es kommt so zu einer Vermögensinflation, von der nur eine schmale Schicht der Bevölkerung profitieren kann.
Weil diese Vermögensinflation kreditgesteuert ist, führt sie zudem zu einem Schuldenüberhang. Können diese Schulden nicht mehr bedient werden, kommt es zu einem Crash mit schwerwiegenden Folgen. Die Finanzkrise im Herbst 2008, welche die Weltwirtschaft in ihren Grundfesten erschüttert hat, war die Folge einer geplatzten Immobilienblase in den USA.
Ist die Blase einmal geplatzt, ist die Ernüchterung gross. Die Banken werden von staatlichen Regulatoren angehalten, ihre Eigenkapitaldecke zu vergrössern. Wer Wohneigentum erwerben will, muss einen grösseren Anteil an Eigenkapital mitbringen.
Die Massnahmen, die das Finanzsystem vor einem Zusammenbruch schützen sollen, sind jedoch vergebliche Liebesmühe. «Ein besseres Risikomanagement kann die Stellung einer Bank gegenüber der Konkurrenz verbessern», so Turner. «Wenn jedoch alle Banken die besten Praktiken übernehmen, wird das gesamte System paradoxerweise instabiler.»
Fassen wir zusammen: Wirtschaftswachstum ist nur mit Krediten möglich. Können diese Kredite nicht mehr produktiv eingesetzt werden, führen sie zu gefährlichen Vermögensinflationen. Platzt die Blase, gerät das gesamte Finanzsystem in grösste Gefahr.
Um diese Gefahren zu vermeiden, gibt es immer wieder Versuche, die Kreditschöpfung der privaten Banken zu unterbinden. So haben wir vor Jahresfrist über die Vollgeld-Initiative abgestimmt. Hätten wir zugestimmt, hätte bloss noch die Nationalbank Kredite aus dem Nichts erteilen dürfen.
Derzeit gibt die Modern Monetary Theory (MMT) zu reden. Sie sieht vor, dass die Zentralbanken mit der Schöpfung von Fiat Money – auch Geld aus der Luft genannt – sicherstellt, dass die Wirtschaft mit genügend Geld und die Menschen mit Arbeit versorgt sind. Solange die Zentralbanken dieses Geld in eigener Währung schaffen, können sie dies gemäss MMT gefahrlos tun.
MMT ist für die Vertreter des harten Geldes ein Albtraum. Unkontrolliertes Gelddrucken der Zentralbanken führe zwangsläufig zu einer Hyperinflation und in eine Katastrophe, wie sie beispielsweise Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg erleiden musste, erklären sie.
Das ist zu kurz gesprungen. Südkorea und Japan haben mit einer Version von MMT nach dem Zweiten Weltkrieg den Anschluss an den Westen gefunden. China tut es heute. Bringen Zentralbanken die Wirtschaft mit Fiat Money in Schwung, muss dies nicht in einer Hyperinflation enden. «Es gibt keinen technischen Grund, dass Fiat Money exzessive Inflation produziert», so Turner. «Und wer diese Option ausschliesst, verursacht unter Umständen grossen wirtschaftlichen Schaden.»
Fiat Money der Zentralbanken ist jedoch keine Allzweckwaffe. Diese Methode darf nur mit grösster Vorsicht und von Experten eingesetzt werden. Nur darf dabei nicht vergessen werden, dass die von privaten Bankkrediten verursachte Schuldenwirtschaft genauso gefährlich ist.
Gemäss Turner befinden wir uns daher zwischen «Schulden» (Kredite der Privatbanken) und «dem Teufel» (Fiat Money der Zentralbanken). Ein stabiles Finanzsystem ist daher ein Widerspruch in den Begriffen. Es geht nicht um ideologische Glaubenskriege zwischen den beiden, sondern darum, situationsgerecht zu handeln.
«Eine vollkommen entspannte Haltung zu privaten Krediten hat die Krise produziert» so Turner. «Und ein totales Verbot von Fiat Money hat die Erholung aus der Krise verzögert. Absolute Glaubenssätze und einfache Regeln sind zu gefährlich.»
Die Finanzmärkte dienen also nicht vor allem der Förderung der Realwirtschaft, sondern der Spekulation.
Will man das verhindern, darf man die Zinsen nicht so stark senken.