Sollen wir, oder sollen wir nicht? Und wenn ja, wie? Oder reicht es einfach, eine Ukraine-Flagge auf den sozialen Netzwerken zu posten? Mit diesen Fragen befassen sich derzeit auch die Wirtschaftslenker, die sich sonst am liebsten aus der Politik raushalten. Doch Schweigen ist jetzt offensichtlich keine Option.
Und so hat sich Nestlé-Chef Mark Schneider ein Herz gefasst und hat Stellung bezogen. Auf der Onlineplattform Linkedin schreibt er: «Ich möchte meine Bestürzung zum Ausdruck bringen in Bezug auf die Invasion in der Ukraine. Ich stehe an der Seite der internationalen Gemeinschaft und rufe zum Frieden auf.» Und weiter: «Krieg ist keine Lösung.»
Ähnlich klingt beim von Severin Schwan gelenkten Pharmakonzern: «Roche verurteilt den gewaltsamen Einmarsch in das Land aufs Schärfste», heisst es aus Basel.
Was auffällt: Russland, ein für den Nahrungsmittelkonzern bedeutender Markt, erwähnt Nestlé-Chef Schneider mit keinem Wort. Auch in der Roche-Mitteilung kommt Russland nur dort namentlich vor, wenn es um die Versorgungssicherheit mit Medikamenten geht.
Es ist ein heikler Kommunikationsdrahtseilakt, welchen die international tätigen Konzerne hier vollbringen müssen. Einfacher haben es national tätige Unternehmen oder Branchen, die ohnehin vom Russland-Geschäft abgeschnitten wurden. So «verurteilt» etwa der von Marcel Rohner präsidierte Verwaltungsrat der Bankiervereinigung «den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und unterstützt klar die vom Bundesrat beschlossenen Sanktionen gegen Russland».
Ebenfalls scharfe Worte findet Christian Schmitz, Chef der Snackautomaten-Firma Selecta. Er greift auf Linkedin den Chef des US-Beratungsunternehmens Boston Consulting Group an, der zwar den Krieg verurteilt und verspricht, sein Russland-Portfolio zu überprüfen, aber für Schmitz reicht das nicht. Das sei «eine völlig unzureichende Reaktion auf die jüngsten Ereignisse, die den Beginn eines neuen Kapitels der Geschichte markieren». Es brauche das Bekenntnis, für keine russischen Firmen und Institutionen mehr zu arbeiten, die unter staatlicher Kontrolle aufgebaut worden seien.
Die meisten Chefs verknüpfen ihre politische Aussage mit einem Versprechen, den Menschen in der Ukraine helfen zu wollen. So spendet etwa Roche 150'000 Packungen des Antibiotikums Rocephin, das auf der Liste der unentbehrlichen Medikamente der Weltgesundheitsorganisation steht. Schneider ruft die Nestlé-Mitarbeitenden zu Spenden ans Rote Kreuz auf und versichert, dass der Nahrungsmittelkonzern die Summe verdoppeln werde, bis zu einem Betrag von einer Million Franken.
Die Spenden der Angestellten verdoppeln will auch die Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB). John Häfelfinger ruft seine Mitarbeitenden aber nicht nur zu Spenden an die Glückskette auf, sondern auch dazu, Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet bei sich aufzunehmen. Jene, die das tun, erhalten drei bezahlte Absenztage gutgeschrieben, damit sie «die Flüchtlinge aus der Ukraine in Sicherheit willkommen heissen» können, wie der BLKB-Chef Häfelfinger auf Linkedin erklärt.
Und Mobiliar-Chefin Michèle Rodoni unterstützt das SOS-Kinderdorf mit 250'000 Franken aus dem «Vergabungsfonds» der genossenschaftlich organisierten Versicherung, um das «Leid der verletzlichsten Betroffenen des Krieges etwas zu lindern».
Als einer der ersten Chefs bekannte Jérôme Gilg Farbe. Bereits am Sonntag vor dem Bundesratsentscheid sprach sich der Manor-Chef auf Linkedin für eine Onlinepetition aus. Diese fordert: «Lasst uns Putin und seinen engen Zirkel dort schlagen, wo es schmerzt!» Die Vermögen von jenen, die von Putins System profitierten, sollten eingefroren werden, denn die Schweiz sei eine der ersten Destinationen für ihre Gelder. Das Land müsse deshalb hier vorangehen, doch die Politik benötige dafür die Ermutigung des Volkes. (aargauerzeitung.ch)