Der Staat verteilt Geld, und niemanden interessiert's. 2.1 Bundesmilliarden warten darauf, auf die Bankkonti etlicher Unternehmen überwiesen zu werden. Doch die Gesuche dafür tröpfeln beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) nur spärlich ein. Von den 160'000 anspruchsberechtigten Unternehmen haben sich in den vergangenen drei Monaten erst 11'500 gemeldet, wie das Seco auf Anfrage schreibt. Also gerade mal 7.1 Prozent.
Worum geht es? Wegen eines Bundesgerichtsurteils muss der Bund neues Geld für Kurzarbeitentschädigungen lockermachen. Unternehmen aller Branchen, die ihre Angestellten 2020 und 2021 wegen Corona in die Kurzarbeit schicken mussten, können via Seco-Formular rückwirkend eine Entschädigung für Ferien- und Feiertage verlangen.
Eine solche Entschädigung war im während der Pandemie geltenden Schnellverfahren nämlich nicht vorgesehen - obwohl dies in normalen Zeiten üblich ist. Ferien- und Feiertagsansprüche von Angestellten in Kurzarbeit summierten sich so teilweise über Monate. Unternehmen mussten sie nach der Kurzarbeit also in lange Ferien schicken - oder sie für diese Zeit zusätzlich bezahlen. Am meisten betroffen war die Gastronomie.
Ein wichtiger Grund für den bislang ausbleibenden Ansturm dürfte das komplizierte Prozedere sein, über das sich Vertreter der Gastrobranche bereits gegenüber CH Media beschwert haben. Die administrativen Hürden seien zu hoch, der Aufwand zu gross. Unter anderem müssen die Betriebe selbst berechnen, welcher Betrag ihnen pro Monat zusteht - obwohl diese Daten ja schon bei den jeweiligen Arbeitslosenkassen liegen.
Immerhin: Die Betroffenen wurden vom Seco über ihr Recht informiert. Sie haben zudem noch knapp zwei Monate Zeit, die Frist zur Einreichung des Gesuchs läuft bis Ende Oktober. Anwalt Martin Schwegler, der dazu mehrere Mandate aus der Gastrobranche hat, bezweifelt allerdings, dass es in den verbleibenden Wochen noch zum Run aufs Seco kommt. Er sagt:
Von den rund 11'500 eingegangenen Gesuchen wurden laut Seco bisher 6300 bearbeitet und an 5360 Betriebe insgesamt rund 65.2 Millionen Franken ausbezahlt (je nach Grösse stellt ein Betrieb mehrere Gesuche). Über 2 Milliarden des vom Parlament bewilligten Kredits in Höhe von 2.1 Milliarden sind also noch immer übrig.
Ein weiterer Grund für das spärliche Interesse an den Bundesmilliarden ist die Befürchtung, dass dann Covid-Gelder aus anderen Töpfen zurückgezahlt werden könnten, namentlich Härtefallgelder. Auf dem Gesuchsformular steht nämlich:
Vereinfacht gesagt: Erzielt ein Unternehmen mithilfe der Staatsgelder einen Gewinn, könnte es sein, dass es die Über-Entschädigung zurückzahlen muss oder von den zuständigen Behörden aufgefordert wird, dies zu tun. Steuerzahler sollen schliesslich nicht für Gewinne von Unternehmen aufkommen, sondern sie vor dem Kollaps bewahren.
«Das Seco sorgt so dafür, dass viele Betriebe davon ablassen, den Aufwand zur Einforderung der Kurzarbeitsgelder zu betreiben», kritisiert Martin Schwegler, der das Risiko einer Rückzahlung als äusserst gering beurteilt. Das Risiko bestehe einzig für Firmen, die im laufenden Jahr Härtefallgelder bekommen hätten. Schliesslich erfolge auch die Nachzahlung der Kurzarbeitsgelder im 2022. Die meisten Härtefallgelder seien aber 2020 und 2021 ausbezahlt worden.
Auf so manche Begünstigte macht das Ganze unter dem Strich den Eindruck, als wollten die Behörden sie davon abhalten, die ihnen zustehenden Gelder nachzufordern - mit hohen bürokratischen Barrieren und einem Appell an das schlechte Gewissen, sollten sie aus mehreren Covid-Töpfen Geld erhalten.
Das Seco weist diese Kritik von sich, die Politik mache schliesslich die Gesetze, in denen geregelt wird, wie verschiedene Bezüge zueinander stehen. Und: «Es war immer die Absicht des Bundes, die Schweizer Unternehmen in dieser grössten Krise seit vielen Jahrzehnten rasch und unkompliziert zu unterstützen, um einen Stellenabbau zu verhindern, Konkurse zu vermeiden und die Kaufkraft zu erhalten. (...) Es war aber nie die Absicht und der Auftrag des Bundes, den Unternehmen auch ihre Gewinne zu versichern», so die Stellungnahme des Amtes. (aargauerzeitung.ch)