«Der beste Schutz gegen Inflation sind Aktien»
«Die Börse neu denken» lautet das Leitmotiv von BX Swiss. Was genau ist da neu?
Früher war die Börse vor allem ein Platz für institutionelle Anleger. Wir wollen sie näher an den Privatanleger bringen. Wir wollen ein Marktplatz für alle sein.
Heisst das, dass Sie das Konzept der «Volksaktien» wieder beleben wollen?
Nein, denn echte Volksaktien gibt es heute nicht mehr.
Auch die Idee ist nicht neu.
Die Idee gibt es schon ewig. Früher hat man darunter Aktien von Nestlé, Roche, etc. verstanden. Die sind alle noch da, aber der Begriff «Volksaktie» tönt für mich sehr muffig und veraltet. Die Welt hat sich verändert, sie ist digitaler und schneller geworden. Aktien sind heute globaler und einfacher handelbar als früher. Entscheidend ist heute viel stärker die Story, die ein Unternehmen erzählt. Welchen Mehrwert schafft ein Unternehmen, welche Vision verfolgt es?
Beim Begriff «Volksaktie» schwingt jedoch auch «Vertrauen» mit.
Vertrauen war immer das Fundament der «Volksaktien», seit Credit Suisse hat dieses Vertrauen gelitten. Wir versuchen, die Börse direkt an den Endkunden zu bringen.
Wie?
Mit einem einfachen Zugang zu Sparplänen und ETFs. Wir sind überzeugt, dass gerade die privaten Investoren langfristig anlegen wollen. Deshalb ist es wichtig, dass sie so früh wie möglich damit anfangen.
ETFs und Fonds gibt es doch schon länger. Was macht BX Swiss anders?
Wir verkaufen keine eigenen Produkte. Wir sind ein Marktplatz, auf dem Anleger Zugang zu einer breiten Auswahl an Produkten haben. Mit anderen Worten: Wir sind eine Infrastruktur und sorgen dafür, dass die Produkte so einfach und so transparent wie möglich zugänglich sind. Mit unserer Wissensplattform BX plus möchten wir zudem dazu beitragen, dass sich Privatanleger besser orientieren und fundierte Anlageentscheidungen treffen können.
Aber nochmals: Angenommen, ich will einen ETF erwerben. Weshalb gehe ich nicht direkt zu BlackRock oder sonst einem Anbieter?
Bei uns können Anleger ETFs von BlackRock und vielen anderen Anbietern via ihrer Hausbank handeln; mit grosser Auswahl, transparenter Plattform und den oft günstigeren Konditionen im Markt.
Nochmals für alle Nicht-Experten: Swissquote bietet ebenfalls günstig Finanzprodukte an. Was unterscheidet Sie?
Swissquote ist eine Bank und ein Broker. Über Swissquote handeln Anleger an Börsen. Wir hingegen sind als Börse ein unabhängiger, regulierter Marktplatz.
Was unterscheidet Sie von Six?
Wir sind eine kleinere, agilere Börse, die sich auf die Bedürfnisse von Privatanlegern fokussiert, mit einem umfangreichen Produktuniversum. Bei uns kann man verschiedene Asset-Klassen kaufen. Wenn Sie mir einen Vergleich erlauben: Wir sind der «Lidl der Finanzwelt». Wir machen Börse günstig, transparent und für alle zugänglich.
Sie bieten auch sogenannte OTC-Produkte an. (OTC steht für «Over the Counter», für Aktien von Unternehmen, die nicht an den grossen Börsen gelistet sind, Anm. d. Verf.)
OTC-Handel bieten wir nicht an – wir sind eine regulierte Börse. Bei uns sind Aktien, strukturierte Produkte, ETFs, ETPs und Anleihen handelbar. Wer OTC-Titel sucht, findet diese z. B. auf Plattformen wie OTC-X der Berner Kantonalbank.
Ist das nicht gefährlich? Gerade mit diesen Aktien ist vor allem in den USA Schindluder getrieben worden.
Wir sind eine regulierte Börse – streng überwacht und transparent. Bei uns gelten die gleichen regulatorischen Standards wie bei anderen Börsen: Zulassungskriterien, Transparenzpflichten und Aufsicht.
OTC-Aktien wurden früher von Regionalbanken gehandelt. Papiere von Bergbahnen waren einst sehr beliebt. Was wird bei BX Swiss gehandelt?
Nichtkotierte Aktien wie Bergbahnen werden in der Schweiz beispielsweise über Plattformen wie OTC-X (BEKB) gehandelt. BX Swiss konzentriert sich auf den regulierten Handel mit Aktien, ETFs, ETPs, strukturierten Produkten und Anleihen.
Sie wollen nicht nur der Lidl für den Kleinanleger sein, Sie wollen auch KMU fördern. Wie wollen Sie einen liquiden Markt für diese Unternehmen schaffen?
Wir streben an, dass sich Schweizer KMU über die Börsen finanzieren.
Weshalb tun sie es noch nicht?
Viele KMU wissen gar nicht, dass sie sich an der Börse listen können.
Bei Ihnen können sie dies ohne IPO (die englische Abkürzung von Börsengang) mit dem dazu gehörenden, sehr aufwändigen und teuren Verfahren?
Es muss nicht immer ein IPO sein. Auch ein Familienunternehmen kann sich unter bestimmten Voraussetzungen an der Börse listen lassen. Das ist einfacher und günstiger und dennoch regulatorisch kontrolliert und genehmigt. Es gibt in der Schweiz mehrere Hundert – potenziell über 1000 – Unternehmen, die kapitalmarktfähig wären.
Aber auch bei solchen Unternehmen will der Aktionär Transparenz. Wie kriegen Sie das hin?
Transparenz ist Pflicht: Z. B. Jahresergebnisse veröffentlichen, wesentliche Veränderungen melden, Management offenlegen. Und ja – ein gewisses Eigenkapital braucht es auch. Bei BX Swiss zwei Millionen Franken. Aber das ist für viele KMU erreichbar. Am wichtigsten ist heute ohnehin die Kommunikation: Anleger wollen verstehen, wofür ein Unternehmen steht.
Warum wird es denn nicht bereits im grossen Stil gemacht?
Weil in der Schweiz die Käufer fehlen. Anders als beispielsweise in Schweden ist die Nachfrage zu schwach. In Schweden liegt der Anteil von Aktionären an der Bevölkerung bei rund 30 Prozent. In Schweden ist die Aktionärskultur viel stärker ausgeprägt – in der Schweiz dagegen deutlich schwächer.
Wie erklären Sie das?
In Schweden gibt es z. B. Steuervorteile für Privatanleger und für institutionelle Anleger, wenn sie in schwedische Firmen investieren. Das gibt es in der Schweiz nicht. Zudem müssen die Kosten runter. Dank künstlicher Intelligenz (KI) wird dies zum Glück bald möglich sein.
Verstehe ich Sie richtig: Dank gelockerten Vorschriften beim Börsengang und KI wird es bald mehr KMU an der Börse geben?
Nicht ganz. Natürlich müssen die Anforderungen für einen Börsengang hoch bleiben.
Gerade Billig-Titel sind bei Finanz-Gaunern sehr beliebt. Deren Kurse werden kurzfristig mit falschen Versprechen in die Höhe getrieben, um sogleich mit grossem Gewinn abgestossen zu werden. Ahnungslose Kleinanleger verlieren so ihr eingesetztes Geld.
Wir wollen Qualität und keine sogenannten «penny stocks». Die Qualität muss stimmen, und sie wird auch überwacht. Deshalb arbeiten wir zurzeit in einem Projekt mit der ZHAW zusammen. Sie hilft uns zu bestimmen, welche Schweizer Firmen für einen Börsengang geeignet sind.
Was für eine Rolle spielt dabei die KI?
Nur ein Beispiel, sie hilft den Unternehmen, die regulatorisch notwendigen Dokumente, die bei einem Börsengang anfallen, schneller zu erstellen. Das spart Zeit und Geld.
Sprechen wir nochmals kurz über die Volksaktie. Besteht das Problem nicht auch darin, dass der normale Mensch eigentlich nicht als Anleger taugt? Will heissen: Wir wissen aufgrund der Verhaltenspsychologie, dass die meisten Menschen viel mehr Angst vor einem Verlust haben als Gier nach Gewinn. Und dies, obwohl sich Letzteres – wie schon x-fach bewiesen – über längere Zeit auszahlt? Nur wenige professionelle Investoren können die Risikoangst überwinden und sind deshalb erfolgreich.
Ich sehe das anders. Für mich liegt das Problem darin, dass der Durchschnittsbürger über zu wenig finanzielles Wissen verfügt. Vielen ist zu wenig bewusst, dass man durch kluges Investieren seine finanzielle Lage auf lange Sicht deutlich stärken kann. Das ist kein Gambling. Eine Börse ist kein Kasino. Es ist ein Marktplatz.
Gerade die Kryptos wecken jedoch bei den Jungen die Lust zu gambeln. Sie wollen Bitcoin und Ether.
Junge Anleger kaufen aber auch Tesla oder Nvidia, denn sie wollen eine Story. Aber sie interessieren sich vielleicht für ein Schweizer Unternehmen, das zum Beispiel die Mini-Schrauben für das iPhone herstellt – ein sogenannter Hidden Champion. Aber dessen Geschichte wird viel zu wenig erzählt. Doch ich bin zuversichtlich: Das wird kommen.
Die Angst vor dem Investieren hängt auch mit der aktuellen geopolitischen Lage zusammen. Ist heute wirklich der richtige Zeitpunkt, bei der Börse einzusteigen? Sollte man nicht den nächsten Crash abwarten?
Es wird immer Crashs geben. Deshalb sollte man sein Vermögen in kleinen Schritten und diversifiziert aufbauen, beispielsweise mit einem monatlichen Betrag. Wir haben keinen Einfluss auf die Geopolitik. Gegen die Inflation hingegen können wir uns schützen, und die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Inflation kommen wird, ist durchaus real. Der beste Schutz dagegen – das weiss man seit hundert Jahren – sind Aktien.
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