Schneller mit dem Zug ins Hofbräuhaus oder an den Bayern-Match: Seit Fahrplanwechsel fahren die SBB auf drei der täglich sechs Eurocity-Verbindungen in nur noch 3,5 statt wie bislang vier Stunden nach München. So steht es zumindest in der Werbung und im Online-Fahrplan.
In der Realität erleben die SBB derzeit zwischen der Limmatstadt und der Isar-Metropole ein regelrechtes Verspätungschaos. Dieses erinnert an die unliebsamen «Cisalpino»-Zeiten im Italienverkehr in den 2000er-Jahren, als Pannen und chronische Verspätungen die Nerven der Reisenden strapazierten.
Seit dem 1. Januar sind etwa bei der beschleunigten Verbindung EC 98 (München ab 16.52 Uhr) gerade einmal sieben Züge pünktlich in Zürich angekommen. Zweimal fiel der Zug laut zugfinder.net ganz aus. Öfter trafen die «Astoro»-Neigezüge mit einer Verspätung von 20 bis 35 Minuten in Zürich ein. Zweimal mit 60 Minuten und mehr.
Der EC 98 ist nicht einfach ein negativer Ausreisser: Laut SBB ist seit dem Fahrplanwechsel auf der Strecke Zürich–München bloss jeder dritte Zug pünktlich am Zielort eingetroffen – zwei Drittel aller Verbindungen sind also verspätet. «Wir bedauern dies und setzen alles daran, die Situation so schnell wie möglich zu verbessern», sagt SBB-Sprecher Reto Schärli zu watson.
Wo liegt das Problem? In entsprechenden Statistik-Portalen tauchen eine Vielzahl von Gründen auf. «Reparatur am Zug, defektes Stellwerk, Verspätung eines vorausfahrenden Zuges, ärztliche Versorgung eines Fahrgastes».
Die Ursachen für die Verspätungen sei eine Kumulation von verschiedenen Ereignissen, sagt der SBB-Sprecher: «Dies macht eine Lösung schwieriger», so Schärli. Einerseits fänden in Lindau teilweise längere Grenzkontrollen durch die Behörden statt, anderseits gebe es bei der Durchfahrt in Österreich Langsamfahrstellen aufgrund von Bauarbeiten. «Der Fahrplan an sich ist stabil konzipiert.» Aber bei einer Kumulation von Verspätungsgründen könne sich der Fahrplan aufgrund von Zugkreuzungen und engen Taktverkehren nicht mehr erholen, so Schärli.
Ein Unglück kommt selten allein. Wie chmedia Anfang Januar berichtete, kollidierte ein Astoro-Neigezug am 27. Dezember mit einer Rangierlok. Dies ist insofern ein gröberes Problem, als die Komposition als eine von wenigen mit dem neuen Zugsicherungssystem ausgestattet ist.
Denn die schnelleren Verbindungen sind nur möglich, weil die nachgerüsteten Züge die sogenannte «dynamische Transition» beherrschen und der Wechsel der verschiedenen Stromsysteme an der Grenze in St. Margrethen keinen längeren Zwischenhalt mehr nötig macht. Längst sind aber nicht alle 19 Astoro-Züge auf dem neusten Stand.
Das sorgt für weitere Unannehmlichkeiten für die Passagiere: «Das Fahrzeug wurde so stark beschädigt, dass es für mehrere Wochen ausfällt», so Schärli zu watson. Dadurch müssten teilweise nun Züge eingesetzt werden, die an der Grenze manuell in das andere Zugsicherungssystem wechseln müssten. Die Folge sind weitere Verspätungen.
Bei den anderen Verbindungen müssen die Passagiere mit einem Interregio von Zürich nach St. Margrethen fahren und dort auf die EC-Kompositionen umsteigen. Aktuell verkehren also weniger Direktzüge zwischen Zürich und München als noch vor dem Fahrplanwechsel.
Edwin Dutler, Vorstandsmitglied der Passagiervereinigung Pro Bahn, ist entrüstet über die aktuelle Situation. «Ob Corona, unfertige Baustellen, zu wenig geeignetes Rollmaterial oder konzeptionelle Fahrplan-Planungsfehler interessiert den Reisenden eigentlich nicht – Tatsache ist einfach, der jetzige Zustand ist unhaltbar.»
Wer derzeit von Zürich nach München fährt oder umgekehrt, sollte also mehr Reisezeit einplanen. Ursprünglich wollten die SBB bis im April alle sechs Verbindungen auf eine Reisezeit von dreieinhalb Stunden verkürzen. Ob diese Pläne eingehalten werden können, ist noch unklar.
Die Eurocity verkehren seit Dezember 2020 auf der neu elektrifizierten Strecke Lindau-München. Die Premierenfahrt endete übrigens mit einer Panne. Der SBB-Eurocity wurde auf ein stromloses Gleis geleitet und musste von einer Diesellok abgeschleppt werden.
Nur der Stromabnehmer hat eine andere Breite.
Viel Entscheidender ist ,dass die Züge mit den verschiedenen Zugsicherungen klar kommen und dass die Strecke ab Lindau endlich elektrifiziert worden ist.