Wo Billig-Läden wie Aldi und Lidl in der Schweiz punkten – und wo nicht
Die Gewerkschaft Unia hat die Arbeitsbedingungen im Schweizer Detailhandel untersucht. Dazu hat sie von der Ratingagentur Inrate eine Benchmark-Studie erstellen lassen. Untersucht wurden die Arbeitsbedingungen der Detailhändler Aldi Suisse, Coop, Lidl und Volg sowie die der schwedischen Kleiderkette H&M und eines grossen Schuhdetailhändlers.
Die Resultate des Schuhdetailhändlers mussten in der Studie zudem anonymisiert werden. Er hatte bei der Unia entsprechend interveniert. (egg)
Das Ziel war es, die Arbeitsbedingungen der genannten Detailhandelsunternehmen anhand von objektiv messbaren bzw. erhebbaren Indikatoren zu vergleichen. Untersucht wurden:
- Entschädigung
- Arbeitszeiten
- Vereinbarkeit von Beruf und Familie
- Aus- und Weiterbildung
- Chancengleichheit
- Sozialversicherung
- Sozialpartnerschaft
- Gesundheit und Sicherheit
Für die Teilname am Benchmarking wurden laut den Verfassern der Studie «15 der grössten in der Schweiz tätigen Detailhandelsunternehmen angefragt». Sechs haben sich schliesslich zur Teilnahme bereit erklärt. Diese sechs Detailhändler bilden zwar keine genügend grosse Stichprobe, um für die ganze Branche zu sprechen, doch sie zeigen an Einzelbeispielen auf, wie gut die Arbeitsbedingungen sind.
Die Resultate der einzelnen Detailhändler
Aldi Suisse
- hohe Durchschnittslöhne
- alle Mitarbeitenden mit Monatslohn, keine Stundenlöhner
- Ausbildung von Lehrlingen und Weiterbildung von Mitarbeitenden wird gefördert
- Sozialversicherungsleistungen sollten verbessert werden
- kein GAV
Coop
- gute Leistungen bei den Sozialversicherungen
- umfassender GAV, für Mitarbeitende im Monats- und Stundenlohn gültig
- finanzielle Unterstützung bei der Fremdbetreuung von Kindern
- Gesundheits- und Sicherheitsmanagement mit Ernonomie-Schulungen und Unfall-Prävention
- keine flächendeckenden Beiträge an die Kinderbetreuung
Hennes und Mauritz (H&M)
- fortschrittliche Ferienplanung
- sehr fortschrittliche Regelung beim Mutterschaftsurlaub
- globales Abkommen zum Schutz und zur Förderung grundlegender Rechte der Beschäftigten
- zu wenig Weiterbildung unter Mitarbeitenden
- Lohngleichstellung von Mann und Frau nicht zufriedenstellend
- kein GAV
Lidl (Schweiz)
- keine Stundenlöhner, nur Angestellte im Monatslohn
- Lohngleichheit wird eigehalten
- umfassender GAV, der für alle Mitarbeitenden gilt
- Anteil der über 50-jährigen Mitarbeitenden ist gering
Schuhdetailhändler
- hoher Anteil an Lehrstellen
- fortschrittliche Ferienplanung
- gute Leistungen bei der Pensionskasse
- zu viele Angestellte im Stundenlohn statt Monatslohn
- Mutterschaftsurlaub zu kurz (weniger als 16 Wochen)
- GAV fehlt
Volg
- hoher Anteil an Arbeitsplätzen für Behinderte
- hohes Engagement für Integration von Behinderten
- hoher Frauenanteil in Filialleitungen
- hoher Anteil an über 50-jährigen Mitarbeitenden
- gute Sozialversicherungsleistungen
- zu viele Mitarbeitende im Stundenlohn statt im Monatslohn
- kein GAV
Vereinbarkeit von Beruf und Familie ungenügend
Verbessern sollte sich für die Angestellten laut der Unia insbesondere die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Grosse Defizite ortet die Unia insbesondere bei der Kinderbetreuung. Von den sechs untersuchten Unternehmen unterstützte nur Coop die Beschäftigten bei der Betreuung ihrer Kinder.
Auch das Lohnniveau kritisiert Unia bei fast allen Detailhändlern: Die Angestellten hätten nicht nur zu tiefe Löhne, sondern sähen sich vermehrt mit unregelmässigen Arbeitszeiten, unsicheren Arbeitsverhältnissen und zunehmendem Stress konfrontiert.
Landes-GAV gefordert
Zudem hält die Gewerkschaft einen landesweiten Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für nötig. Obwohl einige Unternehmen einen GAV hätten und regionale GAV für den Detailhandel existierten, habe die Mehrheit der Beschäftigten in der Branche keinen Schutz durch einen GAV.
