Bei Ebbe sehe man, wer ohne Badehosen schwimme, lautet ein Zitat des legendären Investors Warren Buffett. An den Finanzmärkten spielt der Mond keine Rolle, umso grösser hingegen ist der Einfluss der Zentralbanken. Und diese haben in den letzten Monaten das Ruder radikal herumgeworfen, verkünden eine Leitzinserhöhung nach der anderen und sorgen so dafür, dass derzeit der eine oder andere Player plötzlich ohne Badehosen dasteht.
Als prominenter Nacktschwimmer wird derzeit die Credit Suisse gehandelt. Auf Twitter überschlagen sich die Meldungen, wonach die einst so stolze Schweizer Grossbank kurz vor dem Bankrott stehe. Vergleiche mit Lehman Brothers gibt es zuhauf. Der Kollaps der amerikanischen Investmentbank hat im Herbst 2008 die Finanzkrise ausgelöst und eine globale Kreditklemme zur Folge gehabt.
An der Börse sackt die CS-Aktie derweil weiter ab. Heute hat sie erneut zeitweise gegen zehn Prozentpunkte eingebüsst und dümpelt mittlerweile um 3.60 Franken herum. Vor eineinhalb Jahren lag der Kurs noch bei rund 14 Franken. Gleichzeitig ist der Kurs der Credit Default Swaps der CS, der Derivate, mit denen Kreditrisiken abgesichert werden, explodiert.
Genährt werden die Befürchtungen von einer allfälligen CS-Pleite von den Ereignissen, die sich letzte Woche in Grossbritannien abgespielt haben. Nachdem Finanzminister Kwasi Kwarteng sein Mini-Budget vorgestellt und darin eine massive Steuererleichterung für Unternehmen und Reiche in Aussicht gestellt hatte, schnellten die Zinsen für britische Staatsanleihen in die Höhe. Für einmal gerieten nicht Banken, sondern die Pensionskassen in Schwierigkeiten. Die Bank of England musste daher notfallmässig eingreifen und versprechen, britische Staatsanleihen in der Höhe von 60 Milliarden Pfund aufzukaufen.
Das Desaster auf der Insel hatte Signalwirkung rund um den Globus. Es hat einmal mehr aufgedeckt, wie anfällig die Finanzmärkte sind und dass Krisen in der Regel dort auftreten, wo man sie am wenigsten vermutet. «Es bringt die unknown Unknowns (die unbekannten Unbekannten) zurück», erklärt dazu Jan Hatzius, Chefökonom bei Goldman Sachs, einer Investmentbank, im «Wall Street Journal». «Es könnten da noch andere Dinge in ähnlicher Art draussen lauern.»
Dazu zählt sicher die CS. Ihre Verfassung ist seit Jahren prekär. Die Bank hat kaum eine Krise ausgelassen, in der es viel Geld zu verlieren gab. Ob Archegos, Greensill Capital, Mosambik (Tunfisch-Anleihen) oder das Waschen von bulgarischen Drogengeldern: Stets mischte die CS an vorderster Front mit und versenkte dabei Milliarden von Franken. Eine Lernkurve war bei den CS-Bankern lange nicht auszumachen. Aktuell müssen sie sich mit einer 800-Millionen-Dollar-Klage eines verärgerten Kunden in Singapur herumschlagen. Gleichzeitig wird gerätselt, wie viel Geld die CS bei einem Leveraged Buyout der Softwarefirma Citrix verbrannt hat.
Die UBS hat sich in den Nullerjahren mit riskanten Investitionen in den amerikanischen Immobilienmarkt verzockt und musste vom Bund gerettet werden. Deswegen hat die Grossbank ihre Investmentbank danach radikal heruntergefahren und setzt seither auf Vermögensverwaltung.
Die CS hingegen hat die Finanzkrise unbeschadet überstanden. Es gab daher für sie keinen Grund, die Strategie zu ändern. Doch wie wollte die im internationalen Vergleich kleine Bank mit den Grossen an der Wall Street mithalten? Das sollte sich rächen. Die Investmentbanker waren für die erwähnten Flops verantwortlich.
Nun ist die CS angeschlagen. Zusammen mit der Deutschen Bank zählt sie zu den Problembären in der Finanzgemeinde. Aber ist eine Pleite auch wahrscheinlich?
Eher nicht. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen hat die CS ihre Spitze ausgewechselt. Mit dem VR-Präsidenten Axel Lehmann und dem CEO Ulrich Körner leiten nun keine Stars mehr die Bank, sondern zwei knochentrockene Technokraten, welche keine Flausen mehr dulden. Zudem ist die CS immer noch eine sehr starke Marke und nach wie vor der Inbegriff des Swiss Banking. Schliesslich verfügt die Bank allem Unbill zum Trotz immer noch über ein intaktes Kapitalpolster, das es ihr erlauben sollte, die immensen Kosten einer nicht mehr vermeidbaren Restrukturierung zu stemmen.
Die CS gehört zudem zu den Banken, die «too big to fail» sind. Ein Zusammenbruch hätte unabsehbare Konsequenzen für die Schweiz und die internationalen Finanzmärkte. Daher wäre der Bund wohl gezwungen, einzugreifen, so wie er es seinerzeit bei der UBS getan hat.
Auf Lehmann und Körner wartet jedoch ein hartes Stück Arbeit. Die CS braucht frisches Geld, und das ist schneller gesagt als getan. Eine Kapitalerhöhung würde die alten Aktionäre vergraulen, weil damit ihr Stimmrecht verwässert würde. Die Kosten für eine Refinanzierung der Schulden sind derweil in die Höhe geschnellt.
CEO Körner versucht mit allen Mitteln, die Wogen zu glätten. In einem Memo am Freitagabend versprach er, regelmässig zu informieren und den Lärm in den Medien zu ignorieren. Am 27. Oktober will die CS ihre Pläne für die Zukunft offenlegen.
Einen wichtigen Meinungsmacher hat Körner offenbar bereits überzeugen können. Oswald Grübel, ein früherer CS-Chef, erklärte gegenüber der «NZZ am Sonntag», die Lage könne gar nicht mehr schlechter werden. Deshalb habe er CS-Aktien gekauft, «und ich werde weiter kaufen.»
Eigenverantwortung und so.