Es ist einiges im Gange auf den Finanzmärkten. Derzeit macht eine Schweizer Grossbank weltweit die Rede, die schon länger im Krisenmodus steckt: Die Credit-Suisse-Aktie fiel in den letzten Wochen gefährlich tief, gleichzeitig fangen Anlegerinnen und Anleger an, sich massiv gegen Kreditausfälle zu versichern. Dadurch werden gar Erinnerungen wach an die globale Finanzkrise 2008, die ebenfalls durch die Krise und schliesslich den Bankrott einer Grossbank (Lehman Brothers) ein Jahr zuvor ausgelöst wurde.
Wir klären die vier wichtigsten Punkte zum Tumult bei der Credit Suisse:
Dass die Grossbank Credit Suisse am Kränkeln ist, ist schon länger bekannt. Diverse Krisen und Skandale begleiten die CS seit Jahren. Während der Aktienkurs schon seit Monaten nur die Abwärtsrichtung kennt, wurde es letzte Woche noch brenzliger: Die CS-Aktie fiel auf ein Allzeittief unter vier Franken, im letzten Monat ist sie insgesamt um fast 25 Prozent gesunken.
One share of #CreditSuisse now costs less than a cup of coffee in Zurich!☕️
— Julian Liniger (@julian_liniger) October 3, 2022
Another banking crisis in sight?
Und auch heute ist keine Erholung in Sicht: Eine Viertelstunde nach Börsenstart um 9 Uhr fiel die Aktie gleich von knapp vier Franken auf 3.55. Als Grund geben Händler laut Berichten an, dass immer mehr Anleger einen finanziellen Kollaps der Grossbank befürchten.
Es ist vor allem ein Umstand, der Anlegerinnen, Analysten und Märkte jetzt in Unruhe versetzt: Die Preise der sogenannten Credit Default Swaps (CDS) schiessen in die Höhe – es ist mehr als ein 10-Jahres-Hoch. Anfang des Jahres noch bei 55 Basispunkten, liegt der Preis mittlerweile bei rund 250 Punkten. Übers Wochenende ist die CS deswegen in einen Twitter-Sturm geraten: Die Seite @SuisseCollapse beschwört eine Lehman-Brothers-Woche herauf, der Hashtag #CreditSuisse trendet seit dem Wochenende auch in der Schweiz.
Mit Credit Default Swaps versichern sich Anlegerinnen und Anleger gegen einen möglichen Kreditausfall. Genauer genommen ist ein CDS ein Finanzderivat, das es einem Anleger ermöglicht, sein Kreditrisiko mit dem eines anderen Anlegers zu tauschen oder auszugleichen («to swap»). Um das Ausfallrisiko zu tauschen, kauft der Kreditgeber einen CDS von einem anderen Anleger, der sich verpflichtet, ihn zu entschädigen, wenn der Kreditnehmer ausfällt.
The credit default swaps (CDS) for Credit Suisse are currently rocketing northwards. High CDS levels are a market indicator of companies that are in huge financial trouble. #CreditSuisse $CS pic.twitter.com/ObgCnOxS6R
— James Melville (@JamesMelville) October 3, 2022
Der sogenannte CDS-Spread ist die am Markt gehandelte Prämie für ein solches Finanzderivat. Der Spread der Credit Suisse ist nun innert kürzester Zeit nach oben geschossen. Wenn der Preis so steigt, wie er das tat, bedeutet es, dass die CDS stark nachgefragt werden – dass Anlegerinnen und Anleger also zunehmend mit einem Kreditausfall rechnen und sich somit gegen einen solchen versichern wollen.
Ulrich Körner, seit Anfang August CEO der CS, musste sich in den letzten Monaten mit Marktspekulationen, Abgängen von gewichtigen Bankerinnen und Bankern und Kapitalzweifeln auseinandersetzen. Gleichzeitig wird bei der CS versucht, einen Weg für die Zukunft der angeschlagenen Schweizer Bank zu finden.
Belastet werden die Titel der Grossbank nun von der Ungewissheit und zahlreichen Spekulationen über eine bevorstehende Strategieanpassung: Vergangene Woche hatten diverse angelsächsische Medien über mögliche Massnahmen berichtet – darunter auch über eine mögliche Zerschlagung der Investmentbank. Schweizer Medien halten sich mit Spekulationen hingegen noch zurück.
Für grosse Unruhe bei den Investorinnen und Anlegern gesorgt hatten insbesondere auch Berichte über eine mögliche milliardenschwere Kapitalerhöhung. Die NZZ schrieb dazu am Wochenende, dies seien falsche Berichte gewesen, die von der Nachrichtenagentur Reuters («Exclusive: Credit Suisse sounds out investors about capital hike») gestreut worden seien. Demnach habe die Bank versucht, durch geheime Gespräche mit Investoren eine weitere Kapitalerhöhung zu erreichen.
Eine Kapitalerhöhung wäre kein gutes Zeichen, da sie bedeuten könnte, dass die Bank ohne zusätzlichen Kapitaleinschuss ihre Schulden nicht bedienen kann.
Am Freitag hatte das Management in diesem Zusammenhang noch Durchhalteparolen ausgegeben. Die Performance des Aktienpreises ändere nichts an der starken Kapitalbasis und Liquiditätsposition der Bank, hiess es in einem Memo an die Mitarbeiter, das publik wurde. Ausserdem sei die Bank mit ihrer Strategieüberprüfung «gut auf Kurs».
Trotzdem: Seit dem Wochenende kursieren jetzt weitere Berichte, wonach Credit-Suisse-Manager ihr Wochenende damit verbracht hätten, Grosskunden und Investorinnen mit Blick auf die Liquidität und Kapitalausstattung der Bank zu beruhigen.
Gemäss einem Kommentar von Analysten der Bank Swissquote hätten Händlerinnen und Händler ihrerseits das Wochenende gar «damit verbracht, darüber zu diskutieren, ob die Credit Suisse nun endgültig pleitegeht oder nicht».
Hashtags und Berichte, die den Zustand der CS mit der gefallenen Bank Lehman Brothers in Verbindung bringen, helfen der Grossbank überhaupt nicht. Die interne Kommunikation der CS-Führung zeigt, dass man jetzt bemüht darum ist, keine Panik zu verbreiten. Für viele bleibt diesbezüglich aber im Hinterkopf: Auch 2007 meldete die Führung von Lehman Brothers bis kurz vor dem Aus, sie sei sehr gut kapitalisiert, also gesund.
#CreditSuisse CEO Seeks to Calm Markets as Default Swaps Climbhttps://t.co/f5atSrtCVe
— menaka doshi (@menakadoshi) October 3, 2022
Das Problem für die CS ist jetzt, dass nach den Gerüchten über eine neue Strategie die Erwartungen am Markt mittlerweile entsprechend hoch sind. Das Management müsste jetzt bis Ende Oktober definitiv mit positiven Neuigkeiten aufwarten, damit sich der Aktienkurs stabilisiert. Ausserdem wartet man gespannt auf die Geschäftszahlen des dritten Quartals, die ebenfalls Ende des Monats erwartet werden.
Laut dem Kommentar von Experten der Onlinebank Swissquote braucht die Bank nun aber trotzdem ein «Weihnachtswunder», dass der neue CEO wie versprochen die Bank innert 100 Tagen auf Vordermann bringt. Andernfalls stünden eine Rettung durch den Staat oder gar eine Übernahme durch einen Konkurrenten zur Diskussion. Einig sind sich aber alle Experten: Jetzt drängt die Zeit.
(Mit Material der sda)
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