Heute Dienstag um 14 Uhr verkündet Innenminister Alain Berset den nächsten Prämienschock. Dieser dürfte happig ausfallen. Die Krankenkassenprämie könnte um bis zu 9 Prozent steigen, sagte Verena Nold, Direktorin des Krankenkassenverbands Santésuisse, jüngst in der Samstagsrundschau von SRF. Geschehe das nicht, seien die Reserven der Kassen bald aufgebraucht – und der grosse Hammer komme 2025. Der Vergleichsdienst Comparis rechnet mit einem durchschnittlichen Anstieg von 6 Prozent.
So oder so: Es geht ans Portemonnaie.
Und das seit über zwei Jahrzehnten. «Die Prämien sind in den letzten 25 Jahren stets angestiegen», sagt Matthias Müller vom Krankenversicherer-Verband Santésuisse zu watson. Die Gesundheitskosten seien noch stärker gestiegen als die Prämien. Und Prämien müssten langfristig den Kosten folgen.
Doch warum musst du jeden Herbst mehr zahlen? Das sind die Kostentreiber.
«Die Medizin kann mehr. Und macht zunehmend mehr», sagt Tilman Slembeck, Gesundheitsökonom an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), zu watson. Das sei einerseits gut. Weil: mehr Lebensjahre in einem besseren Gesundheitszustand.
«Andererseits aber kostet jeder Eingriff viel Geld. Irgendjemand muss das bezahlen», sagt Slembeck.
Die Menschen leben länger. Auch das ist einerseits gut. «Heute sterben wir meist nicht mehr an Kinderkrankheiten oder einem entzündeten Blinddarm. Wir werden deshalb insgesamt älter und haben mehr Alterserkrankungen wie Demenz», sagt Slembeck.
Doch die Kehrseite, auch hier: Das ist teuer.
Dabei nehmen insbesondere die Kosten bei der Pflege zu Hause, etwa bei der Spitex, stark zu.
Die Mengenausweitung ist ein weiterer Kostentreiber. Und zwar in vielen verschiedenen Bereichen.
«Wir müssen wegkommen von der mengenmässigen Vergütung. Für Versicherer ist es einfach, Mengen abzurechnen, etwa bei Medikamenten», sagt Krankenkassenexperte Felix Schneuwly vom Vergleichsportal Comparis zu watson. Heisst: nur verrechnen, was gebraucht wird. «Es sollten diejenigen belohnt werden, die effizient arbeiten und Qualität abliefern.»
Dass es ganz allgemein mehr Eingriffe und mehr Therapien gebe, etwa bei Physio- und Psychotherapien, sagt auch Slembeck. Die psychologischen Psychotherapeuten etwa dürfen seit dem 1. Juli 2022 selbständig und mit höheren Tarifen abrechnen.
Ein MRI für eine Magnetresonanztomographie in einem Spital etwa ist teuer in der Anschaffung. Also gilt es, das Gerät zu amortisieren. Wie? Über möglichst viel Nutzung. Doch: Der gesundheitliche Nutzen ist laut Slembeck fragwürdig.
Kommt dazu: Medikamente und auch Generika sind in der Schweiz teuer. Müller von Santésuisse sagt:
Spitalaufenthalte werden zunehmend ambulant statt stationär behandelt, ohne Übernachtung also. Stationär zahlt der Kanton 55 Prozent der Kosten, ambulante Leistungen indes werden direkt über die Versicherungen abgehandelt. «Die Versicherungen geben diese Kosten an die Versicherten via Prämien weiter», sagt Gesundheitsökonom Slembeck.
Dazu kommt: In den letzten zehn Jahren sind im Spitalbereich Kapazitäten ausgebaut worden. Diese Kapazitäten wollen ausgenutzt werden. Dazu Slembeck:
Obwohl die EFAS-Vorlage, welche die Finanzierung von ambulanten und stationären Eingriffen vereinheitlichen will, im Parlament auf der Zielgeraden ist, ist der Gesundheitsökonom skeptisch, ob so Kosten gespart werden können.
Erschwerend kommt der Fachkräftemangel in der Medizin und der Pflege dazu.
Die Politik sei ein weiterer Kostentreiber. Die unzähligen Änderungen im Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG-Reformen) führten laut Krankenkassenexperte Schneuwly dazu, dass die Bürokratie überbordet. Er sagt:
Die Ärzte und Pflegefachleute hätten weniger Zeit, sich um die Patienten zu kümmern. Das führe zu Frust, gefährde die Qualität und erhöhe die Kosten. Was uns alle mehr koste.
Die Gesundheitsakteure sind zerstritten, so Schneuwly weiter. Es herrsche keine produktive und lösungsorientierte Atmosphäre. «Ein Führungswechsel im Eidgenössischen Departement des Innern kann eine Chance für einen Neuanfang sein», sagt Schneuwly an die Adresse des abtretenden Gesundheitsministers Alain Berset.
Den zunehmenden Bürokratieaufwand bestätigt zwar auch Gesundheitsökonom Slembeck. Doch ist dieser für ihn «im Gesamtkontext der steigenden Gesundheitskosten ein eher kleiner, wenn auch mühsamer Fisch». Diesem könne etwa durch Zusammenschlüsse von Arztpraxen entgegengewirkt werden.
Schneuwly höre «unisono von Ärzten», dass «die Leute schneller zu ihnen rennen als vor Corona». Gerade Junge würden heute einerseits häufig mit diffusen Beschwerden zum Arzt gehen, oft auch wegen Bagatellen. Die Ärzte müssten das gleichwohl abklären – das koste.
Andererseits steigen bei Jungen insbesondere psychische Beschwerden, so Schneuwly. «Corona hat den jungen Menschen geschadet – etwa durch die Restriktionen im Ausgang und die steigenden Anforderungen in der Ausbildung und im Beruf.»
Nein, die Prognosen bleiben laut Gesundheitsökonom Slembeck düster: «Die Prämien werden weiterhin jährlich ansteigen.»
Immerhin, sobald sich die Sondereffekte der Corona-Krise gelegt hätten, «werden wir es nicht mehr mit einem jährlichen Prämienanstieg von 7 bis 8 Prozent zu tun haben».
Sondern? «Mit 3 bis 4 Prozent.»
Omegon
Roro Hobbyrocker
Es gibt zuviele Anspruchsgruppen.
Jede Reform wir von allen Lobbygruppen bezahlten Politiker so abgeändert, das am Schuss nur schlechte Lösungen rauskommen, welche spätestens von Volk abgelehnt werden.
Christian Mueller (1)