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HSG-Professor erklärt, warum Influencer-Werbung überbewertet ist

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Eine Surferin posiert vor dem Sonnenuntergang in Bali, Indonesien.Bild: www.imago-images.de

«Das ist wirkungslos»: HSG-Professor erklärt, warum Influencer-Werbung überbewertet ist

Wie entscheiden wir uns für ein Reiseziel und gegen alle anderen? Werbung auf Instagram und Co. spiele dabei kaum eine Rolle, sagt Professor Pietro Beritelli. Warum trotzdem viele Hotels und Tourismusorganisationen auf den Hype aufspringen.
24.07.2024, 07:4724.07.2024, 09:59
Ann-Kathrin Amstutz / ch media
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Influencer-Werbung ist «en vogue». Bilder von türkisblauen Pools oder Videos mit atemberaubenden Aussichten sollen bei der Followerschaft auf Instagram und Co. Reiselust wecken und die Buchungszahlen ankurbeln. Doch oft halte die Influencer-Werbung nicht, was sich Hotels und Tourismusorganisationen davon versprechen, sagt Pietro Beritelli, Professor für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Tourismus an der Universität St.Gallen (HSG).

Obwohl der Trend, über die sozialen Medien zu werben, an Fahrt gewinnt, zweifeln Experten an der Wirkung. Es werde «viel über Influencer-Marketing geschrieben, auch in der Fachpresse», sagt Beritelli. Dadurch erhalte das Thema eine «scheinbare Relevanz», und der Hype weite sich aus. Dabei habe seine Forschung gezeigt: «Influencer-Marketing, um Gäste anzulocken, ist wirkungslos.»

Pietro Beritelli
HSG-Professor und Tourismus-Experte Pietro Beritelli.Bild: zvg

Der HSG-Professor beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit dem Thema, wie sich touristische Destinationen am besten vermarkten. Er sitzt im Vorstand von mehreren Tourismusorganisationen. Lange habe auch er «daran geglaubt, dass man Gäste vor allem dank Imagewerbung holen» könne. Bis er gemerkt habe, dass diese Erklärung nicht immer konsistent sei.

So stellte sich Beritelli die Frage: Was sind die auslösenden Faktoren, die uns zu einer Buchung bewegen? Wie kommt es dazu, dass wir eine Reiseentscheidung treffen? Warum reisen wir in den Sommerferien genau an diesen und keinen anderen Ort, bei aller Auswahl, die wir haben?

Diese Fragen hat er zunächst seinen Studierenden gestellt. Und es kamen Antworten wie: «Ich reise nach London, um eine Freundin zu besuchen.» Oder: «Es gab ein günstiges Last-minute-Angebot, darum haben wir uns für die Malediven entschieden.» Oder: «Wir fahren nach Kreta, weil es uns da beim letzten Mal so gut gefallen hat.» Der Tourismus-Experte sagt: «Nicht ein einziges Mal sind die Stichworte Influencer oder Imagewerbung von Ländern und Regionen gefallen.»

Reiseentscheidungen sind sozial und hochkomplex

Dieses Bild, das Beritelli selbst überrascht hat, bestätigte sich in seiner Forschungsarbeit immer wieder. Während der Pandemiezeit hat er 256 Interviews geführt, die jeweils rund 30 Minuten dauerten. Alle Teilnehmenden berichteten von einem Tagesausflug und zwei Reisen mit Übernachtungen, die sie tatsächlich absolviert hatten. Bei der Frage, welche Gründe für die Buchung ausschlaggebend waren, kamen immer wieder die gleichen Antworten.

«Reisen sind sehr stark in einen sozialen Kontext eingebettet», sagt Beritelli. Selten träfen die Leute eine Reiseentscheidung für sich alleine; oft würden Partner, Familie oder Freundinnen mitreden. «Da sind ganz viele Optionen, wann und wohin man reist, schon ausgeschlossen.»

Es gebe keine klassische Wettbewerbssituation, bei der man alle Möglichkeiten aufliste, vergleiche und anschliessend «die beste» daraus wähle. Vielmehr gehe es darum, einen Kompromiss zu finden, der für alle Reiseteilnehmenden und angesichts der Umstände möglichst stimmig ist. «Die daraus resultierende Entscheidung ist so individuell, dass es schwer ist, sie in ein Marketingkonzept einzubetten», so der HSG-Professor.

Der Strand ruft: In der Schweiz will eine Mehrheit in den Sommerferien ins Ausland.
Das Reiseziel muss am Schluss allen Beteiligten passen.Bild: Shutterstock

Schon oft hat er den Einwand gehört, vielleicht löse eine Werbeanzeige zwar nicht direkt eine Buchung aus. Doch sie sorge dafür, dass ein Reiseziel ins Bewusstsein rückt. Das lässt Beritelli aber nicht gelten. Die blossen Bilder von Attraktionen lösten zwar «irgendwelche Hoffnungen und Sehnsüchte» aus. Doch das wirke nicht derart unmittelbar auf die Menschen, dass sie direkt eine Buchung tätigen.

Studien hätten schon oft gezeigt, dass die blosse Kenntnis einer Destination nicht ausreiche, um wirklich dorthin zu reisen: «Das ist viel zu abstrakt.» Viele Menschen hätten zwar eine Bucketlist mit allen Zielen, die sie mal bereisen möchten. «Doch dann gehen sie ihr Leben lang nicht hin, weil immer etwas dazwischenkommt.» Es gelte in der Forschung mittlerweile als erwiesen: Eine Kauf- oder Reiseabsicht ist keine Garantie dafür, dass man tatsächlich an das betreffende Ziel reist.

Der HSG-Professor hat auch spezifisch die Influencer-Werbung unter die Lupe genommen. Sie fällt in die Kategorie des sogenannten «celebrity endorsement» oder der «Empfehlung durch Prominente». Deren Wirkung ist seit Jahrzehnten ein «umstrittenes Thema» in der Marketing-Forschung, wie Beritelli sagt, wegen der «fehlenden oder bestenfalls widersprüchlichen Resultate».

Während persönliche Empfehlungen aus dem Bekanntenkreis tatsächlich beeinflussen könnten, wohin wir in die Ferien fahren, wirke dies bei Werbe-Empfehlungen durch Prominente oder Blogger «höchstens in Einzelfällen». Dabei handle es sich meist um Attraktionen, die man in einem Tagesausflug besuchen könne. Das habe sich auch in seiner Forschung bestätigt, sagt Beritelli.

Man tut es, weil es die anderen auch tun

Doch warum wenden Tourismusorganisationen und Hotels teils grosse Summen auf, wenn es sich finanziell gar nicht lohnt? Beritelli beobachtet hier einen ausgeprägten Imitationseffekt: «Weil es die anderen tun, müssen wir auch mitmachen.» Manchmal gehe es auch um eine Form der Selbstdarstellung als Land oder Region - so wie an der Expo alle Länder darum wetteifern würden, wer den grössten und schönsten Stand habe. Das habe auch eine identitätsstiftende Funktion für die Bevölkerung.

Die Erkenntnis, dass Imagewerbung nicht funktioniere, sei zwar «verheerend» für die Strategie, alles auf diese Karte zu setzen. Doch für die Organisationen bedeute es einen «Befreiungsschlag». Denn das Geld, das sonst in aufwendige Kampagnen oder Influencer-Werbung geflossen wäre, könne man nun viel besser einsetzen - etwa für neue Wanderwege und Biketrails.

Ganz auf Imagewerbung zu verzichten, würde Beritelli dann aber doch nicht pauschal empfehlen. In Kombination mit einem Auslöser - etwa einem speziellen Rabattangebot - könne Werbung erfolgreich sein. Also etwa eine Werbeanzeige für eine Seilbahn, bei der man dann mit einem Klick ein vergünstigtes Ticket lösen könne.

Er legt touristischen Betrieben wie Hotels oder Bergbahnen deshalb nahe, Imagewerbung immer mit Verkaufsförderung zu verbinden. Und vor allem die eigenen Gäste immer zu fragen: Wie ist es dazu gekommen, dass Sie bei uns gebucht haben? So könne jeder Betrieb in einer Kosten-Nutzen-Rechnung selbst evaluieren, ob man Ressourcen für Influencer-Werbung aufwenden möchte oder nicht. (aargauerzeitung.ch)

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133 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Berner in Zürich
24.07.2024 08:19registriert August 2016
Dank dem Instagram Hype, weiß ich welche Orte ich sicher nicht besuche. Wenn ich in meiner Freizeit viele Leute sehen will, geh ich Samstag Vormittag ins Migros einkaufen 😏🤣
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Roli_G
24.07.2024 09:04registriert Januar 2021
Vielleicht ist es auch einfach nicht der beste Ansatz, Leute nach Beweggründe zu fragen und dann zu glauben, dass die Antworten ein vollständiges Bild ergeben können.
Ich glaube gerne, dass Influencer Werbung etwas überschätzt wird. Aber gleichzeitig existieren Phänomene wie der Aescher, wo ein Ort wegen celebrity endorsement regelrecht überrannt wurde. Damit ist klar, dass es nicht korrekt sein kann, völlige Wirkungslosigkeit zu erwarten.
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Bibliophil
24.07.2024 09:21registriert Januar 2021
Zu sagen Werbung auf Social Media habe überhaupt keinen Einfluss ist sicherlich nicht ganz richtig. Eventuell spielt da auch das Alter eine Rolle. Ich habe soeben meine Masterarbeit zum Thema Einfluss von Authentizität auf Social Media auf die Jugendlichen geschrieben (klar nicht vergleichbar mit Uniforschung). Trotzdem haben alle Jugendlichen (14-15 Jahre alt) gesagt, dass sie gewisse Marken wegen ihren liebsten Influenern anderen Marken bevorziehen würden. Es hat sich aber auch gezeigt, wie hochkomplex die Beziehung zwischen einem Influencer und ihren Followern ist.
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