Dies ist die überarbeitete und aktualisierte Version eines Artikels, der im Januar 2014 bereits erschienen ist.
55 Millionen Lichtjahre sind eine ziemliche Distanz. Der Mond zum Beispiel ist nur gerade eine gute Lichtsekunde von uns entfernt. Da ist es schon beeindruckend, wenn es den Astronomen gelungen ist, ein Objekt in dieser unvorstellbaren Entfernung zu fotografieren – auch wenn sie streng genommen gar nicht das Schwarze Loch selbst abgelichtet haben, sondern dessen Akkretionsscheibe.
Ein kurzer Blick in die Berichterstattung über diese Sensation zeigt mir allerdings schnell, dass es hier um schwer verdauliche Kost geht: Begriffe wie Ereignishorizont, Quantenfluktuation oder metastabile, gebundene Zustände des Gravitationsfeldes sind mir ungefähr so verständlich wie eine Gebrauchsanweisung auf Koreanisch.
Dabei spricht alle Welt von Schwarzen Löchern, als sei vollkommen klar, was damit gemeint ist. Loch und schwarz sind ja Wörter, die man aus dem Alltag bestens kennt. User LAZIO1900 jedenfalls kennt Schwarze Löcher aus eigener Erfahrung:
Doch was ist ein Schwarzes Loch denn wirklich?
Ich wende mich vertrauensvoll ans Internet, das bekanntlich alles weiss. Google führt mich schnurstracks zum entsprechenden Wikipedia-Eintrag.
«Ein Schwarzes Loch ist ein Objekt, das in seiner unmittelbaren Umgebung, innerhalb des Ereignishorizonts, eine so starke Gravitation erzeugt, dass weder Materie noch Information (etwa Licht- oder Radiosignale) diese Umgebung verlassen kann», lese ich da.
Na, dieser erste Satz ist ja gar nicht so schwierig, finde ich, nur dieser mysteriöse Ereignishorizont lässt mich etwas ratlos zurück. Ich lese hoffnungsvoll weiter. Doch dann kommen wieder diese Kopfweh-Wörter: Raumzeit, Singularität, Schwarzschildradius und schliesslich ein Ungetüm, das mir den Rest gibt: Raumzeitkrümmung.
Der Artikel hat kaum angefangen, und ich muss schon passen. Entnervt scrolle ich noch kurz nach unten und treffe dort auf das Keine-Haare-Theorem. Wie? Sollte die Tatsache, dass ich eine Glatze habe, etwas mit einem Schwarzen Loch zu tun haben? Ich klicke die Seite weg.
Der Fall ist klar: Ich benötige professionelle Hilfe. Ein Anruf bei Bruno Binggeli, Professor am Departement Physik der Universität Basel, soll Licht ins Dunkel bringen. Ein Schwarzes Loch, beruhigt mich Binggeli, sei eigentlich ganz einfach zu erklären: «Wenn Sie Materie zusammenpressen, wird die Dichte irgendwann so gross, dass die Fluchtgeschwindigkeit die Lichtgeschwindigkeit erreicht.»
Fluchtgeschwindigkeit? «Ja, die Geschwindigkeit, die man zum Beispiel benötigt, um eine Rakete von der Erde wegzuschiessen», erklärt Binggeli. «Nehmen Sie unsere Sonne als Beispiel: Wenn man sie auf eine Kugel mit drei Kilometer Radius zusammendrücken könnte, würde die Fluchtgeschwindigkeit der Lichtgeschwindigkeit entsprechen, und nichts könnte die Sonne mehr verlassen.»
Und was passiert dann? Gemäss der Einstein'schen Relativitätstheorie müsste diese komprimierte Sonne dann kollabieren und auf einen Punkt zusammenfallen. «Sie wäre dann gewissermassen nicht mehr da, ein Loch eben. Eine Singularität.» Oha, wieder diese Singularität – ich bin überfordert.
«Eine Singularität», versucht Binggeli mir beizubringen, «ist ein physikalischer Zustand, in dem eine bestimmte Grösse unendlich oder null ist. Damit ist es unmöglich, Aussagen über die physische Beschaffenheit einer solchen Singularität zu machen.»
Mir raucht der Kopf. Diese verflixte Singularität! Wieder ist es da, dieses Gefühl, das der österreichische Schriftsteller Robert Musil in seinem Roman «Die Verwirrungen des Zöglings Törless» – es ging dort um Kant – so schön beschrieben hat: «(Ihm war), als drehe eine alte, knöcherne Hand ihm das Gehirn in Schraubenwindungen aus dem Kopfe.»
Doch was ist ein Schwarzes Loch denn wirklich?