Erste Daten über die Omikron-Variante geben Anlass zur Hoffnung, sagt der deutsche Top-Virologe Christian Drosten in einem ausführlichen Interview mit dem «Deutschlandfunk.» Ein Leben wie in Vor-Corona-Zeiten sei bald möglich. Allerdings wird nach Ansicht des 49-jährigen Virologen der Berliner Charité eine vierte, für Risikogruppen gar eine fünfte Impfung nötig sein. Zugleich spricht sich Drosten für eine Verkürzung der Quarantäne auf fünf Tage aus, um die Wirtschaft durch Ausfälle am Arbeitsmarkt nicht zu stark zu belasten. Die wichtigsten Punkte im Überblick.
Vorliegende Daten deuten laut Drosten darauf hin, dass bei einer Omikron-Infektion «die Krankheitsschwere sehr wahrscheinlich abgemildert ist.» Allerdings: Omikron ist deutlich ansteckender als bisherige Mutationen, in Deutschland sei mit einer Verdoppelung der Fallzahlen alle vier Tage zu rechnen. Das heisst: Selbst wenn sich bestätigt, dass Omikron weniger gefährlich ist, kommt es zu enorm hohen Fallzahlen ab Mitte Januar und zu «hohe Zahlen in den Krankenhäusern.» Allerdings, so der Top-Virologe: Die meisten Omikron-Patienten, die Spitalpflege benötigten, könnten dann auf Normalstationen behandelt werden. Behandlungen auf Intensivstationen dürften seltener werden, da Omikron die Lunge laut ersten Erkenntnissen weniger stark angreift als vorherige Mutationen.
Nein. Der Chef-Virologe, der auch die deutsche Regierung berät, warnt:
Omikron werde sich rasend schnell verbreiten. Omikron sei vermutlich lediglich etwas weniger riskant für die Lunge, für Ungeimpfte ohne jeglichen Immunschutz aber noch immer bedrohlich.
Mit Blick auf die Omikron-Welle sagt der Virologe: «Mathematische Modellierungen sagen, das wird Mitte, Ende Januar losgehen und entspannen kann man sich wieder Mitte April». So konkret wird dieses Szenario allerdings nicht eintreten, da bereits Gegenmassnahmen in Kraft seien (Maskenpflicht, keine Grossveranstaltungen). «Bis Ostern müssen wir die Welle gesellschaftlich moderieren», spricht Drosten weiterhin notwendige Massnahmen an. Weil die Ansteckungsrate bei Omikron derart hoch ist und die doppelte Impfung kaum vor einer Infektion schützt und diese eben auch nach dem Booster möglich seien, würden sich in den nächsten Wochen sehr viele Menschen infizieren. Drosten verknüpft damit eine Hoffnung:
Alle würden schon sehr bald im nahen Bekanntenkreis, in der Familie oder im Arbeitsumfeld Menschen kennen, die infiziert seien oder waren. Das führe dazu, dass «die Leute von ganz von selbst vorsichtiger sein werden, wie sie sich bewegen.»
Bestätige sich, dass bei Omikron die Krankheitsschwere geringe sei, «dann sind wir auf dem Weg in die endemische Situation.» Allerdings ist der Top-Virologe nur verhalten optimistisch. Omikron unterscheide sich von vorherigen Mutationen deutlich. Das heisst: Ungeimpfte, die sich mit Omikron infizieren, sind nach überstandener Krankheit nicht automatisch auch gegen die Vorgängerviren (beispielsweise die Delta-Variante) immun. Deshalb sei die Booster-Impfung und eine vierte, an das Omikron-Virus angepasste Impfung im zweiten Quartal 2022 für alle notwendig, um die Pandemie zu beenden. Für Risikogruppen oder ältere Menschen sei im Winter 2022 möglicherweise gar eine weitere Auffrischimpfung - dann die insgesamt fünfte - notwendig.
«Ja, absolut!», sagt Drosten. Allerdings: In Ländern mit hoher Impfquote sei dies schon sehr bald der Fall, in Deutschland mit einem Anteil von fast 30 Prozent Ungeimpften - die Impfquote in der Schweiz ist sogar noch tiefer - dauere es aber länger und der Preis sei höher. Vollständig geimpfte Menschen könnten schon bald in einem «ganz normalen Zustand» leben, «die Pandemie wird für diese Menschen vorbei sein», auch wenn möglicherweise noch eine Weile Maske in geschlossenen öffentlichen Räumen getragen werden müsse.
So bald nicht - jedenfalls nicht, so lange es 30 Prozent Ungeimpfte in einer Bevölkerung gibt, meint Drosten. Auch Geimpfte müssten mit Einschränkungen rechnen: «Die Menschen werden weiter Rücksicht nehmen müssen auf diejenigen, die es leider nicht verstehen, dass sie auch ihren Beitrag leisten müssen», spricht Drosten die Ungeimpften an.
Länder mit einem hohen Anteil an Ungeimpften würden wirtschaftlich gegenüber anderen Staaten geschwächt, da sie länger Schutzmassnahmen aufrechterhalten müssten und es wegen der aggressiveren Omikron-Variante in nächster Zeit gehäuft zu enorm vielen Ausfällen an Arbeitsstellen kommen werde, was sogar Versorgungsengpässe nach sich ziehen könne.
Eine Impfpflicht könne helfen, die Quote rascher zu erhöhen, sagt der Charité-Virologe. Drosten plädiert allerdings für eine Aufklärungsoffensive über die Impfungen. Über die Impfungen würden falsche Informationen und Halbwissen verbreitet. Medien, die der Regierung Panik-Mache unterstellten, würden mit ihrer Berichterstattung dazu beitragen, dass viele Menschen, die eine Impfung nicht grundsätzlich ausschliessen, zögerten. Drosten:
Das sei das Hauptproblem der tiefen Impfquote. «Das ist doch eigentlich das, was die meisten Menschen davon abhält, sich impfen zu lassen.» (aargauerzeitung.ch)
«Ja, absolut!», sagt Drosten.
Auf das Virus bezogen ja, aber die Welt wird nie mehr so sein wie vor Corona. Ein Ereignis, welches so viele Menschen auf dieser Erde gleichzeitig für mehrere Monate beeinflusst hatte, gab es wohl seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr. Der stetige Wandel der Gesellschaft wurde in den letzten zwei Jahren massiv beschleunigt, sodass es wohl die Welt "vor" Corona nie mehr geben wird. Ich bin gespannt mit welcher Perspektive wir in 10 Jahren zurückschauen werden, um die Lage neu zu beurteilen.