Wissen
Coronavirus

Die Diabetes-Fälle stiegen weltweit während Corona – auch bei Kindern

Diabetes Insulin
Bild: Shutterstock

Die Diabetes-Fälle stiegen weltweit während Corona – betroffen sind auch Kinder

Diabetes Typ 1 ist weltweit auf dem Vormarsch. Eine Studie zeigt einen Zusammenhang zu den Corona-Infektionen.
27.02.2023, 20:2827.02.2023, 20:28
Bruno Knellwolf / ch media
Mehr «Wissen»

Seit Beginn der Pandemie haben die Fälle von Diabetes Typ 1 deutlich zugenommen. Das zeigen derzeit mehrere Studien weltweit. Michael Hauschild ist Diabetes-Spezialist am Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV) in Lausanne und sagt dazu: «Wir haben einen Anstieg der Fallzahlen im Jahr 2021, der auch 2022 noch anhält, in der pädiatrischen Endokrinologie und Diabetologie beobachtet.»

Eine US-Studie aus San Diego zeigt nach Pandemiebeginn in den Jahren 2020 und 2021 einen Anstieg von 57 Prozent an Diabetes 1 gegenüber 2019 bei Kindern. Die Fallrate während der Covid-19-Pandemie sei im einzigen Kinderkrankenhaus im Grossraum San Diego höher als erwartet gewesen, schreiben die Studienautorinnen um Bethany L. Gottesman.

Da stellt sich die Frage, inwieweit der Anstieg von Diabetes-Diagnosen mit einer Corona-Infektion zu tun hat. Untersucht hat das ein Forscherteam um Alan Kwan vom Cedars Sinai Smidt Heart Institute in Los Angeles und in einer Studie vergangene Woche auf «Jawa Network» publiziert.

Diabetes-Risiko war bei Ungeimpften höher

Die Daten von Patienten, die zwischen März 2020 und Juni 2022 im Cedars-Sinai Health System in Los Angeles behandelt wurden, zeigen, dass sich das Risiko für Diabetes nach einer Corona-Infektion deutlich erhöht hat. «Das Diabetes-Risiko nach einer Covid-19-Infektion war bei ungeimpften Patienten höher als bei geimpften, was auf einen Nutzen der Impfung hindeutet», schreiben die US-Wissenschafter in ihrem Fazit. Unklar blieben nach Kwan allerdings die Ursachen, die zum Diabetesrisiko nach der Infektion beitragen

Michael Hauschild sagt, die Gründe für die Zunahme von Diabetes Typ 1 seien vielfältig. Die Häufigkeit von Typ-1-Diabetes nehme in allen Teilen der Welt zu. «Die Gründe dafür sind noch nicht genau bekannt, aber es gibt Wechselwirkungen zwischen Umweltfaktoren, dem Immunsystem und genetischen Faktoren.» Bei einem multifaktoriellen Geschehen sei es sehr schwierig, die Ursache eines Autoimmunprozesses für den einzelnen Patienten zu erfassen. Der bei Kindern häufigste Typ-1-Diabetes geht nach Hauschild mit einer immunbedingten Zerstörung der Insulin produzierenden Betazellen einher und erfordert eine lebenslange Insulin-Ersatztherapie.

Drei bis fünf Prozent mehr Diabetes-Fälle in der Schweiz

«Für die Schweiz, wie auch auf europäischer Ebene, deuten die Zahlen auf einen Anstieg der Inzidenz von Typ-1-Diabetes bei Kindern um durchschnittlich drei bis fünf Prozent in den letzten Jahren hin.» Für die Schweiz gebe es derzeit keine Zahlen, die einen überdurchschnittlichen Anstieg seit 2020 belegen könnten, sagt der Diabetes-Spezialist vom CHUV.

Es sei möglich, dass das Risiko erhöht sei, nach einer Corona-Infektion Typ-1-Diabetes zu entwickeln. «Der Zusammenhang ist aber noch nicht belegt», sagt Michael Hauschild. Studien dazu seien in Arbeit. Auch über den in Alan Kwans Studie festgestellten positiven Einfluss der Covid-Impfung liegen für Hauschild noch zu wenig verlässliche Daten vor.

Kaum eine Veränderung wurde während der Pandemie bei der Zahl an diabetischer Ketoazidose festgestellt. Das ist eine schwerwiegende Stoffwechselentgleisung als Folge eines akuten Insulin-Mangels, die ein lebensgefährliches diabetisches Koma auslösen kann und dementsprechend notfallmässig behandelt werden muss.

Kommt es zu mehr Diabetes-Diagnosen müsste es auch mehr dieser Notfälle geben. Tatsächlich zeigen einige Studien, dass es aufgrund von verzögerten Diabetes-Diagnosen während der Pandemie zu mehr Ketoazidose-Fällen gekommen ist.

Um diese Fälle zu vermeiden, sei Früherkennung das Wichtigste. Anzeichen für möglichen Diabetes bei Kindern sind grosser Durst, häufiges Wasserlassen, Müdigkeit und Gewichtsverlust. Wird Diabetes dann diagnostiziert, lassen sich der akute Insulin-Mangel und damit Ketoazidose vermeiden.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
7 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Peedy
27.02.2023 21:02registriert Januar 2017
Danke für den Artikel. Meine Tochter ist ebenfalls während Corona an Diabetes erkrankt. Das schlimmste dabei sind ja jeweils die Kommentare der anderen Eltern, dass man seinem Kind halt weniger Zucker hätte geben sollen. Dabei hat Diabetes Typ 1 andere Ursachen als Typ 2…darum Danke für den Artikel, welcher dies erläutert.
712
Melden
Zum Kommentar
avatar
Lordkanzler-von-Kensington
27.02.2023 21:51registriert September 2020
Ein Faktor/Auslöser, der bekannt ist, dass sich ein Typ1Diabetes entwickelt, ist eine vorangegangene Virusinfektion (z.B. Epstein-Barr) oder ein entzündlich-infektiöses Geschehen. Die Anlage für den T1D trägt man genetisch in sich & dazu kommt dann eben ein Auslöser, der zur Manifestation führt. Warum jeweils zu dieser Zeit, zu diesem Auslöser, kann momentan nicht gänzlich wissenschaftlich beantwortet werden. Insgesamt steigen alle Autoimmunerkrankungen global an, da sog. Umweltfaktoren auch eine Rolle spielen (Stoffe über Luft, Essen, Boden, etc). Corona= gr. Infektion = gr. Anstieg - Leider
240
Melden
Zum Kommentar
7
Neue Studie: Kaffee kann das Risiko für Multiple Sklerose verringern
Wieder einmal wurde Kaffee wissenschaftlich unter die Lupe genommen – diesmal mit einem positiven Ergebnis: Das koffeinhaltige Getränk könnte das Risiko, an Multipler Sklerose zu erkranken, senken. Das zeigt eine Analyse von zehn Beobachtungsstudien mit insgesamt 19'430 Teilnehmenden.
Zur Story