Nein, Sport alleine reicht nicht aus. Um schlank und fit zu sein, braucht es auch eine passende Ernährung. Hinter dem positiven Effekt von Sport auf das Körpergewicht steckt vor allem der Muskelaufbau. Wer viele Muskeln hat, verbrennt mehr Energie, selbst im Schlaf. Auch Körperfett wird so abgebaut.
Die Strategie, nach dem Verzehr einer Tüte Chips eine halbe Stunde joggen zu gehen, um die Extra-Kalorien abzufangen, funktioniert nur kurzfristig. Freizeitsportler müssen Sport und Ernährung dauerhaft auf ihren Energiebedarf abstimmen. Bei Leistungssportlern, die täglich drei bis vier Stunden trainieren, sieht es noch einmal anders aus. Ihr System verzeiht deutlich mehr.
Das Sofa-Argument schlechthin verfängt nicht. Zwar gibt es dazu unterschiedliche Ansichten auch unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Das Gros der Studien weist aber darauf hin, dass bei Übergewicht ein Drittel auf die genetische Ausstattung und zwei Drittel auf den Lebensstil zurückgehen. Sättigungsgefühl und Fettstoffwechsel unterscheiden sich zwar je nach Veranlagung. Niemand aber ist ein Sklave seiner Gene. Gesundheit und Körpergewicht werden primär über den Lebensstil gesteuert.
Das ist tatsächlich so. Mit den Muskeln erhöht sich die stoffwechselaktive Körpersubstanz und damit der Grundumsatz, also die Kalorienmenge, die auch ohne Bewegung verbrannt wird. Der Effekt ist im Alltag gut zu beobachten: Von zwei normalgewichtigen Personen isst in der Regel jene die grösseren Portionen, die mehr Muskeln hat. Zum Abnehmen wird deshalb heute nicht mehr nur Ausdauersport, sondern Kraft-Ausdauer-Training empfohlen.
Wäre die Aussage generell richtig, müssten zum Beispiel in Italien oder Frankreich besonders viele Übergewichtige leben, das trifft aber so nicht zu. Im Mittelmeerraum ist es üblich, am Ende des Tages ausgiebig zu essen und so die Tages-Energiezufuhr zu komplettieren – nach einem kargen Frühstück und kleinen Mittagessen. Dann geht man später als in der Schweiz zu Bett.
Die Ergänzungen sind wichtig, denn am Ende geht es um die Tages-Energiezufuhr. In der Schweiz wird die Hauptmahlzeit immer noch von vielen mittags eingenommen. Essen am Abend ist vor allem dann ein Problem, wenn auch das Snacken auf dem Sofa oder Alkohol dazugehören. Solche Rituale sind Kalorientreiber. Wer spät isst, schläft zudem in der Regel weniger gut. Auch das ist heikel. Denn Studien zeigen, dass Schlafqualität und Übergewicht eng zusammenhängen.
Der aus den USA importierte Low-Carb-Trend hat Kohlenhydrate zum Ernährungsfeind Nummer eins erklärt. Das ist ernährungswissenschaftlich Unsinn. Der Körper ist auf Kohlenhydrate als Hauptenergieträger angewiesen. Wichtig zu wissen ist, und das steht seit Jahren im Schulkochbuch: Kohlenhydrate sind nicht gleich Kohlenhydrate. Als unproblematisch gelten langkettige Kohlenhydrate, wie sie sich in Hülsenfrüchten oder Vollkornbrot finden. Ballaststoffreiche Lebensmittel helfen erwiesenermassen beim Abnehmen. Schlecht für den Körper ist hingegen raffinierter Zucker, wie er in verarbeiteten Lebensmitteln und insbesondere Süssgetränken konzentriert ist. Auch zu viel Fruchtzucker ist ein Problem. Es bringt also nichts, ein ganzes Glas Orangensaft statt Eistee zu trinken.
Proteine verlängern das Sättigungsgefühl, und sie können vom Körper sehr variabel genutzt werden. Es ist aber aufwendiger, aus ihnen in chemischen Umbauprozessen Stoffe zu gewinnen, wie sie aus Kohlenhydraten viel direkter gewonnen werden können. Auch sind Proteine eigentlich zu kostbar dafür, sie als Energieträger zu nutzen. Ihre Funktion ist es, mit den Aminosäuren die Bausteine für den Körper zu liefern.
Der Trend, Lebensmittel mit Proteinen anzureichern, schiesst an den echten Bedürfnissen der Öffentlichkeit vorbei. 0.8 Gramm Proteine pro Kilogramm Körpergewicht reichen für einen normalen Erwachsenen aus, auch wenn er Sport treibt. Einzig Bodybuilder brauchen mehr. Auch sollte man sich, so die Empfehlung, nicht dauerhaft 2 Gramm Proteine pro Kilo Körpergewicht oder mehr zumuten, weil das die Nieren erheblich belastet.
Die gewichtete Nährstoffempfehlung für Normalsterbliche lautet heute: 50 bis 55 Prozent in Kohlenhydraten, 30 Prozent in Fetten und (nur) 15 bis 20 Prozent in Proteinen einzunehmen.
Das stimmt. Die Entwicklung ist indes abhängig davon, wann die Menopause einsetzt. Ab dem 40. bis 50. Lebensjahr nimmt der Grundumsatz von Frauen ab – direkt wegen der hormonellen Umstellung und indirekt, weil die Muskelmasse zurückgeht. Wer nicht mit Sport dagegenhält, ist gefährdet zuzunehmen.
Sinkt der Energieverbrauch beispielsweise von 2100 auf 2000 Kilokalorien pro Tag, kann das in ein bis eineinhalb Kilos pro Jahr niederschlagen. Oft wird der physiologisch bedingte Effekt durch die Lebensumstände verstärkt: Die Kinder sind ausgezogen, der Hund ist verstorben, man arbeitet wieder mehr am Schreibtisch. Das senkt den Leistungsumsatz.
Nebst Sport hilft es auch, ein Bewusstsein für die physiologischen Veränderungen zu haben, sich entsprechend anzupassen, also mehr Lebensmittel mit einer geringen Nährstoffdichte in seine Ernährung einzubauen wie Gemüse. Auch energiedichte Lebensmittel dürfen noch einen Platz haben, wenn sie wertige Fette enthalten wie zum Beispiel Nüsse.
Ganz allgemein hat eine Tafel Schokolade 500 bis 600 Kilokalorien und macht nicht satt. Die Kalorien kommen also immer «obendrauf». Jüngere Menschen stecken das besser weg, was primär mit dem aktiveren Lebensstil zu tun hat.
Leistungssportler können das Energieplus einer Tafel Schokolade pro Tag problemlos kompensieren. Die wenigsten aber essen so. Denn Schokolade lässt den Blutzuckerspiegel hochschiessen, der Körper muss viel Insulin produzieren, was langfristig Krankheiten wie Diabetes begünstigt.
Unfair ist die Situation der Geschlechter. Männer sind physiologisch im Vorteil. Weil ihr Körper einen höheren Muskelanteil hat, ist ihr Grundumsatz höher. Das verzeiht mehr kleine Sünden.
(aargauerzeitung.ch)