«Ein Vegi-Menü, bitte.»
«Aha, du isst kein Fleisch», erkundigt sich die neue Bekannte.
«Jep», antworte ich.
«Warum? Wegen den armen Tierli?»
«So ist es.»
«Du isst meinem Essen das Essen weg.»
«Hohoho.»
«Und sowieso, dein ganzes Soja anzubauen ist auch nicht gerade umweltfreundlich.»
«Hast du dir schon einmal überlegt, dass der grösste Teil des Sojas als Tierfutter gebraucht wird?»
«Echt jetzt! Ihr Vegis seid unerträglich. Ihr könnt es einfach nicht lassen, allen eure fanatische Religion aufzuzwingen.»
Diese Unterhaltung, in Varianten, kennt jeder Veganer und Vegetarier. In ermüdender Regelmässigkeit wird von uns verlangt, dass wir uns für unsere Ernährung rechtfertigen. Dennoch klebt das Vorurteil an uns wie Kaugummi im Haar, wir würden herumrennen und jedem vorschreiben, wie er zu essen hat. Gut zu sehen bei den Leserkommentaren zum Meinungsstück von Maurice Thiriet.
Natürlich gibt es sie, die Veganer, die ihr Weltbild mit dem Rammbock in ihre Mitmenschen hämmern. Und es tut mir Leid für jeden, der sich mit so einem Zeitgenossen auseinandersetzen muss. Aber wie in aller Welt kommt man auf die Idee, dass die Mehrheit der Fleischverzichter in diese Kategorie fällt?
Wie ich das erlebe, sehen neun von zehn Veganern und Vegetariern – wenn man von Hipster-Enklaven wie Prenzlauer Berg in Berlin – ihren Fleischverzicht als persönliche Entscheidung an. Leute zu bekehren oder anzufeinden steht nicht auf dem Programm. absieht
Keinen Deut besser ist die Fraktion der Fleischesser, die uns genau das vorwirft. Die reine Anwesenheit eines Veganers weckt das Tier in ihnen. Dann wird gewettert, vorzugsweise mit Totschlagargumenten: Veganismus sei ein «Wohlstandsphänomen», eine «Ersatzreligion» und völlig abwegig, «solange es Kinder gibt, die verhungern».
Es sieht ganz so aus, als ob die Fleisch-Eiferer den Veganismus zur Sau machen wollen, ohne sich die Mühe zu machen, ihn wenigstens zu verstehen. Und zwar so verbissen, als ob sie fürchten, man wolle ihnen ihr geliebtes Fleisch wegnehmen.
Kaum eine Gruppierung mit einer selbstgewählten Lebensart muss sich mit so vielen Anfeindungen von der breiten Masse herumschlagen wie die Veganer – weder Raucher noch Versicherungsvertreter noch Vokuhila-Träger.
Keine Angst, liebe Fleischesser, wir wollen euch gar nichts wegnehmen. Wir haben uns einfach für einen anderen Lebensstil entschieden als ihr. Und wir haben unsere Gründe dafür, die wir euch gerne erläutern, wenn ihr ernsthaftes Interesse zeigt und auf einer rationalen Ebene diskutieren wollt (Nein, «Dürfen Veganer Oralsex haben?», lasse ich nicht als ernsthafte Frage gelten).
Wir verlangen nicht viel: Nur, dass man uns respektiert, statt uns alle in die Ecke der Spinner und Fanatiker zu stellen. Und dass wir unser Zmittag essen können, ohne doofe Fragen beantworten zu müssen.
Wieso reagieren die meisten Fleischesser so gereizt und wollen nicht diskutieren? Weil es keine überzeugenden Argumente für den ausufernden Fleischkonsum gibt. Früher gab es einmal pro Woche Fleisch, höchstens. Heute ist einmal täglich Durchschnitt. Wieso ist das nötig?