Der Schutz vor Infektionen oder durch übertragbare Krankheitserreger ausgelöste Erkrankungen ist das primäre Ziel von Impfungen. Doch der Effekt von Vakzinen reicht offenbar weit darüber hinaus. Aus aktuellen internationalen Studien lässt sich zusätzlicher Schutz gegen Herzinfarkt, Schlaganfall und beispielsweise auch gegen Demenz ableiten.
«Aus Zwillings-Studien wissen wir, dass drei Viertel von Gesundheit beziehungsweise Krankheit auf Umweltfaktoren beruhen», sagte am Donnerstag Mark Doherty, leitender Medical Affairs Manager des britischen Pharmakonzerns GlaxoSmithKline (GSK), bei einer Online-Diskussion zum Thema Impfungen als lebenslanges Konzept.
Zu «Umweltfaktoren» gehören auch Infektionserkrankungen, die per se gefährlich sein können, aber offenbar auch kurz-, mittel- und langfristige weitere Konsequenzen haben. Doherty: «Eine Atemwegsinfektion führt in den ersten drei Tagen bei über 18-Jährigen zu einem um das Fünffache gesteigerten Herzinfarkt- und zu einem um das Dreifache gesteigerten Schlaganfallrisiko. Diese erhöhte Gefährdung hält bis zu drei Monate an.»
14 Tage nach der Infektionskrankheit ist das Risiko eines Infarkts immer noch drei Mal höher als bei nicht infizierter Personen, die Häufigkeit eines Schlaganfalls ist doppelt so hoch. Das lässt sich durch die Grippe-Impfung verhindern.
Neu sind laut Doherty in diesem Zusammenhang Daten zur Varicellen-Impfung gegen Herpes zoster, die älteren Menschen zur Vorbeugung der Gürtelrose angeraten wird. Belegt wurde dies in den USA. Dort hat man nach Herpes zoster-Impfung an rund 200'000 Menschen gezeigt, dass sich das Schlaganfallrisiko bei den 60- bis 64-Jährigen um zwölf Prozent, bei den 65- bis 69-Jährigen gar um 51 Prozent reduzierte.
Grosse Beobachtungsstudien sprechen mittlerweile auch für einen vor Demenz schützenden Effekt verschiedener Impfungen: Erst am 15. September veröffentlichte ein Team um Timothy Wiemkam (Saint Louis University/USA) in der Fachzeitschrift «Vaccine» eine wissenschaftliche Untersuchung zum Thema Influenza-Impfung und Demenzrisiko bei älteren Menschen.
Es wurden Daten von insgesamt rund 120'000 Personen im Durchschnittsalter von 75,5 Jahren ausgewertet. Fazit: Wer sich mindestens vor sechs Wintersaisons hatte gegen Grippe impfen lassen, hatte gegenüber Vergleichspersonen mit keiner oder weniger Impfungen ein um zwölf Prozent geringeres Demenzrisiko.
In der US-Wissenschaftszeitschrift PlosOne erschien von der gleichen Studiengruppe erst am 17. November eine ganz ähnliche Untersuchung mit Daten von 136'000 bei der US-Veteranenbehörde Versicherten und einer Vergleichsgruppe von 172'000 Personen. Die Angehörigen beider Gruppen im Alter von über 65 Jahren waren zu Beginn des Beobachtungszeitraums (2008) ohne Demenzdiagnose.
Die Wissenschaftler um Geoffrey Scherrer als Erstautor: «Die Herpes zoster-Impfung war im Vergleich zu Nicht-Geimpften mit einem signifikant geringeren Demenzrisiko verknüpft.» Bei den Immunisierten hatte man bis 2019 eine um 31 Prozent reduzierte Häufigkeit von auftretender Demenz registriert.
Auch Studien aus Taiwan hatten zuvor bereits auf einen derartigen Schutzeffekt von Impfungen hingewiesen. Ergänzt wird das durch eine im Juli dieses Jahres von Christian Schnier (University of Edinburgh) publizierten wissenschaftlichen Arbeit mit den Daten von 336'341 Personen aus Wales, von denen 155'972 die Herpes zoster-Impfung erhalten hatten. (aeg/sda/apa)