Noch gibt es keine mRNA-Impfung gegen Krebs. Nun machen die Studienresultate zu einer mRNA-Therapie gegen den schwarzen Hautkrebs Hoffnung, welche die US-Pharmafirma Moderna publiziert hat. Dieser Hautkrebs-Impfstoff mRNA-4170 ist ein neuartiger personalisierter Krebs-Impfstoff. Er zielt darauf ab, das Immunsystem so zu aktualisieren, dass der Patient eine massgeschneiderte Antitumorreaktion erzeugen kann.
In der in der Studie untersuchten Krebs-Therapie wird der mRNA-Impfstoff von Moderna mit der bekannten Keytruda-Therapie des Herstellers Merck kombiniert. Keytruda ist eine monoklonale Antikörpertherapie, welche die Fähigkeit des Immunsystems verbessert, Tumorzellen zu erkennen und zu bekämpfen. Keytruda wird heute schon einzeln eingesetzt, wenn das Melanom so weit fortgeschritten ist, dass er nicht mehr operativ entfernt werden kann.
Die Studienresultate über drei Jahre Anwendung zeigen nun, dass die mRNA-Therapie kombiniert mit Keytruda bei 157 Patienten mit Hochrisiko-Melanom das Risiko eines Rückfalls und des Todes um 49 Prozent reduziert. Im Vergleich zu Patienten, die nur Keytruda erhalten haben, sank das Risiko einer Fernmetastasierung oder des Todes um 62 Prozent.
«Die Resultate, welche mit der Kombination in dieser Studie erreicht wurden, sind absolut bemerkenswert und bedeuten vermutlich den Durchbruch dieser Technologie im Bereich Krebs. Zumindest einmal beim schwarzen Hautkrebs», sagt Roger von Moos, Direktor des Tumor- und Forschungszentrums am Kantonsspital Graubünden und Hautkrebs-Spezialist bei der schweizerischen Arbeitsgruppe für klinische Krebsforschung (SAKK).
Die individualisierte Impfung zusammen mit einer Immuntherapie sei zum heutigen Zeitpunkt extrem vielversprechend. Dies auch im Vergleich zu anderen Hautkrebs-Therapien. «Die Nebenwirkungen dieser Therapie sind zum Beispiel deutlich geringer als die einer Kombinationsimmuntherapie.»
Mit einer solchen mRNA-Impfung wird nicht wie bei der Grippe oder Corona vorbeugend geimpft, um die Krankheit gar nicht entstehen zu lassen. Das geht nicht, weil man für diese personalisierte mRNA-Therapie, wissen muss, wie der Tumor beschaffen ist. Das weiss man natürlich nicht, wenn jemand gar keinen Tumor hat. Diese mRNA-Therapie kann deshalb ausschliesslich Patienten eingesetzt werden, die schon Hautkrebs haben, erklärt Roger von Moos.
Die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat der mRNA-Krebstherapie nun nach Abschluss der Studienphase 2b den Status eines Therapiedurchbruchs gewährt, einer «Breakthrough Therapy Designation». Und die europäische Heilmittelagentur EMA den in etwa gleichbedeutenden Status «Prority Medicines». «Das bedeutet, dass diese Behörden die Resultate als sehr vielversprechend ansehen und den Prozess der Zulassung beschleunigen», erklärt von Moos.
Die Studiendaten können schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt angeschaut werden und weitere wichtige Wirksamkeitsdaten eventuell rollend im Zulassungsprozess nachgeliefert werden. Insgesamt erhalten solche Medikamente in der Regel eine frühere Zulassung.
Denn noch sind weitere Studien nötig, wie der Hautkrebs-Spezialist erklärt. «Und nicht vergessen darf man, dass es sechs bis acht Wochen dauert, bis eine individuelle Impfung hergestellt ist, weil es dafür Tumorgewebe vom Patienten braucht.» Es könnte als durchaus sein, dass diese Therapie bei sehr schnell wachsenden Melanomen möglicherweise nicht optimal sei.
Die mRNA-Technik wurde bereits erfolgreich gegen Sars-CoV-2 eingesetzt. Doch eine Impfung gegen Krebs ist viel komplizierter als eine Impfung gegen ein Virus, wie unlängst Burkhard Ludewig, Forschungsleiter am Kantonsspital St.Gallen erklärt hat. Einfacher ist nur die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs HPV, weil dieser von einem Virus verursacht wird, gegen das der Wirkstoff eingesetzt werden kann.
Bei anderen Krebsarten haben die Krebszellen aber eine hohe Variabilität. Deshalb müssen die Immunzellen durch die Impfung stark und in hoher Anzahl aktiviert werden, was die Herstellung eines Impfstoffs kompliziert macht.
Dass die neue mRNA-Impfung vorerst gegen den schwarzen Hautkrebs eingesetzt werde, sei naheliegend, sagt Ludewig. Diese Tumorzellen würden vom Immunsystem sehr gut erkannt, weshalb auch kombinierte Immuntherapien gut gegen Hautkrebs wirkten. Das gilt auch bei Lungenkrebs, deshalb könnte die mRNA-Therapie auch gegen diesen Krebs erfolgreich sein.
Tatsächlich hat das US-Unternehmen soeben eine Phase-3-Studie bei Lungenkrebs gestartet, für die weltweit Patienten rekrutiert werden. Auch Roger von Moos sagt, dass die mRNA-Therapie vermutlich bald auch bei anderen Tumorarten eingesetzt werden könnte.
Moderna plant zudem das mRNA-Entwicklungsprogramm rasch auf weitere Tumorarten auszuweiten. Die gesamte mRNA-Medizin wird ausgebaut, nicht nur in den Bereichen Krebs, sondern auch gegen seltene Krankheiten und Infektionskrankheiten wie Grippe und das Respiratorische Synzytialvirus RSV.
Für die Hautkrebs-Impfung von Moderna geht es nun in die Schlussphase. Bereits seit Juli läuft die letzte klinische Testphase, die Phase-3-Studie für mRNA-4170. Daran beteiligt ist auch Roger von Moos. «Das Kantonsspital Graubünden ist eines der wenigen Schweizer Zentren, welche ausgewählt wurde, diese Studie durchzuführen.» Leider sei es bei den Behörden zu Verzögerungen gekommen. Er hoffe nun täglich, dass das «Go» bald komme, um die Studie zu eröffnen. «Zumal die Zulassungsbehörden anderer Länder die Bewilligung bereits abgegeben haben», sagt von Moos. Es gilt keine Zeit zu verlieren. (aargauerzeitung.ch)