Paolo Macchiarinis Ex-Verlobte, Benita Alexander, tritt in der Dokumentation über den in Basel geborenen Arzt als Protagonistin auf. Macchiarinis Eltern stammen aus Italien. Benita Alexander ist US-Amerikanerin und arbeitet als Journalistin, sie lernte Macchiarini 2013 während der Dreharbeiten für einen TV-Beitrag kennen.
Sie erzählt den Zuschauern alles über Macchiarini: der Chirurg, dessen Zukunft einst so vielversprechend schien. Eigenen Angaben zufolge studierte er in Pisa und in Birmingham, Alabama. Dann habe er in Besançon, Frankreich, geforscht und promoviert.
Er operierte Menschen in der ganzen Welt: in den USA, UK, Russland und Südafrika. 2010 wurde er bejubelt, denn er habe angeblich eine bahnbrechende neue Methode der Luftröhren-Transplantation entdeckt. Dabei setzte er seinen Patienten künstliche Luftröhren ein, deren Gewebe aus Stammzellen gezüchtet worden seien.
Jahre später wird klar, dass seine Methode nicht bahnbrechend, sondern für viele seiner Patienten verheerend war. Denn Macchiarini hatte seine Transplantationserfolge und Forschung zum Teil klar gefälscht.
In der Netflix-Doku erzählen auch verschiedene Angehörige von Patientinnen und Patienten von ihren Begegnungen mit Macchiarini. Ihre verstorbenen Familienmitglieder hatten Krebs, oder andere unheilbare Krankheiten. Die Prognosen, welche andere Ärztinnen machten, waren schlecht.
Nur einer konnte ihnen Hoffnung schenken: Paolo Macchiarini. Alle zeichnen das gleiche Bild von ihm, er sei anfänglich ein charismatischer und professioneller Arzt gewesen.
Der US-Amerikaner Chris Lyle war Macchiarinis Patient, seine Mutter und Schwester treten ebenfalls in der Dokumentation auf. Lyle hatte einen Tumor in der Luftröhre.
Sein Schwager stiess während seiner Recherchen auf einen Beitrag von ABC-News, er kontaktierte Macchiarini. Dieser bot seine Hilfe an und operierte Chris Lyle 2011 im renommierten Karolinska-Spital in Stockholm. Lyle und seine Familie waren hoffnungsvoll, denn schliesslich gehört das Karolinska-Institut zu den angesehensten medizinischen Universitäten Europas und ist überdies der Sitz des Nobelpreis-Komitees.
Macchiarini setzte Lyle eine Plastikluftröhre ein, auf welcher scheinbar menschliche Stammzellen angesiedelt waren. Zuerst schien es, als sei die Operation gelungen, wenige Monate nach der Behandlung verstarb Lyle jedoch. Seine Mutter und Schwester seien nach der Operation noch in ständigem Austausch mit Macchiarini gewesen.
Je mehr die Zuschauerinnen und Zuschauer über Macchiarini erfahren, desto skurriler wird die Geschichte. Seine Ex-Verlobte Benita Alexander erklärt, dass er auch Barack Obama, Bill Clinton und sogar Papst Franziskus behandeln würde, das alles sei aber höchst geheim. Zudem hätte Macchiarini verkündet, dass sie der Papst höchstpersönlich trauen würde.
Beruflich konnte Macchiarini seinen Schein wahren. Er reiste im Jahr 2012 nach Russland und filmte dort einen Dokumentarfilm über eine Transplantation. Er, der Halbgott in Weiss, setzte Julia Tuulik eine neue Luftröhre aus Plastik ein. Tuulik war eine junge Mutter, deren Leben nach einem Unfall erschwert wurde, weil ihre Luftröhre beschädigt war.
Im Dokumentarfilm über den Arzt wurde die Prozedur als Erfolgsgeschichte geschildert. Die Realität hingegen war tragisch. Noch vor der Premiere der Dokumentation schrieb Tuulik in einem Brief:
Wenige Monate nach der Operation ist auch Tuulik verstorben. Sie und Lyle waren nicht die Einzigen, deren Körper die künstliche Luftröhre abstiess: Zwischen 2011 und 2014 hatte Macchiarini bei mindestens acht Patienten und Patientinnen Plastikluftröhren eingesetzt. Viele von ihnen waren unheilbar krank, alternative Heilungsmöglichkeiten gab es nur selten. Drei der Operationen fanden am Karolinska-Institut in Stockholm statt. Sieben Patienten starben, nur einer überlebte – seine künstliche Luftröhre wurde wieder entfernt.
Macchiarinis Umfeld wurde skeptisch. Seine Mitarbeiter im Karolinska-Institut stellten seine Forschung infrage. Hatte er wirklich Tierversuche durchgeführt, bevor er begann, Menschen künstliche Luftröhren einzusetzen?
Einige seiner Mitarbeiter, die in der Netflix-Doku auftreten, sind der Meinung, dass seine Patientinnen und Patienten seine Versuchskaninchen gewesen seien und er vorab mangelhafte bis gar keine Forschung durchgeführt hatte.
Doch laut verschiedenen Medienberichten, unter anderem der Aargauer Zeitung, habe das Karolinska-Institut die Warnungen von Wissenschaftern und Whistleblowern ignoriert und den Betrug später zu vertuschen versucht. Es habe schliesslich von der Publicity profitiert: Die scheinbaren Erfolge seien ausschlaggebend gewesen für eine Spende von 50 Millionen US-Dollar aus China.
Im Jahr 2016 wurde Macchiarini entgültig entlarvt – seine Ex-Verlobte arbeitete mit der «Vanity Fair» zusammen und schilderte exklusive Details. Die «Vanity Fair» titelte: «The Celebrity Surgeon Who Used Love, Money, and the Pope to Scam an NBC News Producer». Zu Deutsch: «Der Star-Arzt, der Liebe, Geld und den Papst benutzte, um eine NBC-Produzentin zu betrügen».
Macchiarinis Kartenhaus zerfiel – geschäftlich wie auch privat. Denn plötzlich wurde bekannt, dass Macchiarini nicht nur seine Patientinnen und Patienten belog, sondern auch verschiedene Frauen betrogen und belogen hatte. Nebst seiner Ex-Verlobten hatte Macchiarini nämlich noch eine Frau und Tochter in Italien. Besonders brisant: Seine Frau in Italien war die Mutter eines Patienten, der ebenfalls von Macchiarini operiert wurde und später verstarb.
Das Ende der nervenaufreibenden Netflix-Doku: Ein Gericht in Stockholm entschied im Juni 2023, dass Macchiarini wegen schwerer Körperverletzung zweieinhalb Jahre Haft absitzen muss. Mindestens zwei seiner Patienten hätten ohne die Transplantationen länger leben können. Bei einem weiteren Patienten sei der Eingriff trotz medizinischer Notlage «unverantwortlich» gewesen. Macchiarini hat Berufung eingelegt gegen dieses Urteil. (jub)
Meine Meinung stützt sich aber nur auf diesen Artikel.