Verschiedene menschenförmige Stelen mit Schmuck, Waffen und Werkzeugen.
Steinstelen aus dem jungsteinzeitlichen Europa erzählen von einer neuen gesellschaftlichen Schicht: den schwerbewaffneten Kriegern, die das Eigentum der Eliten beschützen sollten.
Alexander Rechsteiner / Schweizerisches Nationalmuseum
Das Leben vor 6000 Jahren war gefährlich. Erst seit vergleichsweise kurzer Zeit waren die Menschen in Europa sesshaft geworden, sie betrieben Ackerbau, hielten Tiere und begannen, dem Boden Metalle abzuringen. So langsam sich diese Umstellung vollzog, umso einschneidender veränderte sie das Leben der Menschen.
Wer sesshaft war, musste seine Nahrung nicht täglich zusammensuchen oder jagen, denn neue Nahrungsmittel wie Getreide konnten eine grössere Zahl an Menschen ernähren und das Vieh war eine sichere und stetige Fleischquelle. Die Sesshaftigkeit machte ausserdem eine Anhäufung von Ressourcen möglich: Erstmals in der Menschheitsgeschichte waren gewisse Personen reicher als andere.
Hier bloggt das Schweizerische Nationalmuseum
Mehrmals wöchentlich spannende Storys zur Geschichte der Schweiz: Die Themenpalette reicht von den alten Römern über Auswandererfamilien bis hin zu den Anfängen des Frauenfussballs.
blog.nationalmuseum.chDoch Reichtum war auch gefährlich. Ein üppiger Acker oder der Zugang zur neu entdeckten Kupfermine weckten Neid und den Wunsch, den Besitz des anderen zu erobern. Wer etwas besass, musste sich deshalb verteidigen. Es überrascht darum nicht, dass sich in den archäologischen Funden aus der Jungsteinzeit ein markanter Anstieg der Gewalt ablesen lässt. Hiebspuren eines Beils auf einem Schädel oder die Überbleibsel von Pfeilverletzungen an Skeletten sind Beweise dafür.
Brustbein eines Mannes der mit Pfeil und Bogen erschossen wurde. Neben der Pfeilverletzung weist das Skelett weitere Verletzungen am Schädel und der Hüfte auf, die zum Zeitpunkt des Todes zugefügt wurden. Möglicherweise kämpfte er mit ein oder zwei Personen.Bild: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Juraj Lipták
Nicht nur die menschlichen Überreste zeugen von der zunehmenden Gewalt. Auch von Menschen bearbeitete Objekte erzählen diese Geschichte. Sorgfältig behauene Steine, die bewaffnete Personen darstellen, finden sich in der Jungsteinzeit vermehrt. Allen Stelen gemeinsam ist die auf das Wesentliche reduzierte, geometrisch-schematisierte Darstellung von Körperteilen wie Augen, Nase und Armen. Einige von ihnen zeigen schwer bewaffnete Krieger. Die männliche Figur auf einer Stele aus dem Südtirol beispielsweise trägt nicht weniger als sieben Dolche, mehrere Beile und eine Streitaxt.
Die Stele ist nicht nur eine Ehrerbietung an die dargestellte Person, sie ist auch ein Machtsymbol. Neben technischen Errungenschaften wie Waffen oder landwirtschaftlichen Geräten sind auf den Stelen auch Reichtümer wie Schmuck oder gemusterte Kleider abgebildet.
1 / 6
Menschenförmige Stelen aus der Jungsteinzeit
Männliche Stele «Petit-Chasseur 25» mit T-förmigem Gesicht, gemustertem Gewand, Pfeil und Bogen. Marmor. 2500–2200 v. Chr. Schweiz, Kanton Wallis, Sitten. (bild: musées cantonaux du valais, sion. hervé paitier) quelle: musées cantonaux du valais, sion. hervé paitier
Neue Waffen wie Dolche und Beile sind die Grundlage für die Sicherung des Reichtums der Elite. Sie dienen der Verteidigung, aber auch dem Angriff. Offensichtlich ist auch eine Veränderung des Kampfstils. Im Gegensatz zu Pfeil und Bogen sind Dolche und Beile nur im Nahkampf sinnvoll, dort dafür umso effektiver. Ihre Verwendung bedingt Kraft und Entschlossenheit.
Das ist nicht jedermanns Sache. So begegnen sich in der Jungsteinzeit erstmals spezialisierte Krieger. Dem Chef eines Clans garantieren sie den Erhalt oder gar die Eroberung von neuem Reichtum. Die Krieger geniessen deshalb in der zunehmend hierarchisch gegliederten Gesellschaft der Jungsteinzeit ein besonderes Ansehen. Ihr Abbild hat sich auf den Steinstelen bis heute erhalten.
Menschen. In Stein gemeisselt
17.09.2021 – 16.01.2022
Landesmuseum ZürichVor 6000 Jahren beginnen die Menschen in Europa, grosse Steinskulpturen zu errichten. Diese Stelen und Statuen repräsentieren Frauen und Männer, zuweilen mit tätowierten Gesichtern, mit Armen und mit frisierten Köpfen. Sie tragen begehrte Gegenstände wie Waffen, Schmuck oder Kleidungsstücke, welche die Innovationen einer ganzen Epoche aufzeigen. Stelen und Statuen werden beim rituellen Ahnenkult verehrt und zeugen als Symbole für Macht und Status von einer Zeit, in der der Mensch vermehrt Ackerbau und Viehzucht betreibt, in Dorfgemeinschaften lebt und die ersten Metalle nutzt.
Die
Wechselausstellung im Erweiterungsbau des Landesmuseums vereint Stelen aus mehreren Ländern Europas, darunter neue Funde aus den Kantonen Zürich und Wallis, und bietet einen einmaligen Einblick in die Lebenswelt der Menschen in der Jungsteinzeit.
Weitere vom Blog des Nationalmuseums übernommene Beiträge:
Germanen-Gemetzel in Jütland
1 / 10
Germanen-Gemetzel in Jütland
Hinweis auf ein grausames Ritual? Vier Beckenknochen von toten germanischen Kriegern wurden vor rund 2000 Jahren auf einen Pfahl gesteckt. (bild: ejvind hertz/skanderborg museum)
quelle: ejvind hertz, skanderborg museum
Archäologen finden Maya Schätze
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
Bestimmte Tigerpythons können wohl noch grössere Beute verschlingen als bisher angenommen. Die grössten Exemplare könnten ihr Maul weiter aufreissen als bisher nach mathematischen Modellen vermutet, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal «Reptiles & Amphibians».