Geburt der Krieger
Das Leben vor 6000 Jahren war gefährlich. Erst seit vergleichsweise kurzer Zeit waren die Menschen in Europa sesshaft geworden, sie betrieben Ackerbau, hielten Tiere und begannen, dem Boden Metalle abzuringen. So langsam sich diese Umstellung vollzog, umso einschneidender veränderte sie das Leben der Menschen.
Wer sesshaft war, musste seine Nahrung nicht täglich zusammensuchen oder jagen, denn neue Nahrungsmittel wie Getreide konnten eine grössere Zahl an Menschen ernähren und das Vieh war eine sichere und stetige Fleischquelle. Die Sesshaftigkeit machte ausserdem eine Anhäufung von Ressourcen möglich: Erstmals in der Menschheitsgeschichte waren gewisse Personen reicher als andere.
blog.nationalmuseum.ch
Doch Reichtum war auch gefährlich. Ein üppiger Acker oder der Zugang zur neu entdeckten Kupfermine weckten Neid und den Wunsch, den Besitz des anderen zu erobern. Wer etwas besass, musste sich deshalb verteidigen. Es überrascht darum nicht, dass sich in den archäologischen Funden aus der Jungsteinzeit ein markanter Anstieg der Gewalt ablesen lässt. Hiebspuren eines Beils auf einem Schädel oder die Überbleibsel von Pfeilverletzungen an Skeletten sind Beweise dafür.
Nicht nur die menschlichen Überreste zeugen von der zunehmenden Gewalt. Auch von Menschen bearbeitete Objekte erzählen diese Geschichte. Sorgfältig behauene Steine, die bewaffnete Personen darstellen, finden sich in der Jungsteinzeit vermehrt. Allen Stelen gemeinsam ist die auf das Wesentliche reduzierte, geometrisch-schematisierte Darstellung von Körperteilen wie Augen, Nase und Armen. Einige von ihnen zeigen schwer bewaffnete Krieger. Die männliche Figur auf einer Stele aus dem Südtirol beispielsweise trägt nicht weniger als sieben Dolche, mehrere Beile und eine Streitaxt.
Die Stele ist nicht nur eine Ehrerbietung an die dargestellte Person, sie ist auch ein Machtsymbol. Neben technischen Errungenschaften wie Waffen oder landwirtschaftlichen Geräten sind auf den Stelen auch Reichtümer wie Schmuck oder gemusterte Kleider abgebildet.
Neue Waffen wie Dolche und Beile sind die Grundlage für die Sicherung des Reichtums der Elite. Sie dienen der Verteidigung, aber auch dem Angriff. Offensichtlich ist auch eine Veränderung des Kampfstils. Im Gegensatz zu Pfeil und Bogen sind Dolche und Beile nur im Nahkampf sinnvoll, dort dafür umso effektiver. Ihre Verwendung bedingt Kraft und Entschlossenheit.
Das ist nicht jedermanns Sache. So begegnen sich in der Jungsteinzeit erstmals spezialisierte Krieger. Dem Chef eines Clans garantieren sie den Erhalt oder gar die Eroberung von neuem Reichtum. Die Krieger geniessen deshalb in der zunehmend hierarchisch gegliederten Gesellschaft der Jungsteinzeit ein besonderes Ansehen. Ihr Abbild hat sich auf den Steinstelen bis heute erhalten.
Landesmuseum Zürich
Vor 6000 Jahren beginnen die Menschen in Europa, grosse Steinskulpturen zu errichten. Diese Stelen und Statuen repräsentieren Frauen und Männer, zuweilen mit tätowierten Gesichtern, mit Armen und mit frisierten Köpfen. Sie tragen begehrte Gegenstände wie Waffen, Schmuck oder Kleidungsstücke, welche die Innovationen einer ganzen Epoche aufzeigen. Stelen und Statuen werden beim rituellen Ahnenkult verehrt und zeugen als Symbole für Macht und Status von einer Zeit, in der der Mensch vermehrt Ackerbau und Viehzucht betreibt, in Dorfgemeinschaften lebt und die ersten Metalle nutzt.
Die Wechselausstellung im Erweiterungsbau des Landesmuseums vereint Stelen aus mehreren Ländern Europas, darunter neue Funde aus den Kantonen Zürich und Wallis, und bietet einen einmaligen Einblick in die Lebenswelt der Menschen in der Jungsteinzeit.
blog.nationalmuseum.ch/2021/09/geburt-der-krieger
