In der Diskussion über die Klimaerwärmung und deren Folgen sind sie ein fester Bestandteil: sogenannte Kipppunkte, Points of no return, nach denen sich das Klima unwiderruflich verändert. Klimaforscher verweisen oft auf diese Kipppunkte, um die Dringlichkeit von Massnahmen gegen die fortschreitende Klimaerwärmung zu untermauern. Der Begriff ist daher auch in der Klima-Berichterstattung prominent vorhanden – auch watson hat mehrfach über Klima-Kipppunkte berichtet, etwa hier, hier oder hier.
Doch eine wachsende Gruppe von Wissenschaftlern befürchtet, dass der Begriff mehr schadet, als nützt und man ihn deshalb nicht mehr verwenden sollte. So ist etwa am 3. Dezember im Fachmagazin «Nature Climate Change» ein Beitrag von Wissenschaftlern mehrerer Universitäten – darunter Princeton, Rutgers und Carleton – erschienen, der sich kritisch mit dem Begriff befasst. Die Autoren argumentieren, Kipppunkte seien in Bezug auf die globale Erwärmung schlecht definiert und würden oft falsch angewandt. Obendrein gebe es keinen Beweis dafür, dass der apokalyptische Ton der Kipppunkt-Metapher wirklich die Handlungsbereitschaft erhöhe.
Zudem stellen die Autoren fest, dass die Öffentlichkeit eher auf Bedrohungen reagiere, die kurzfristig und unmittelbar bevorstehend sind und deren Eintreten als relativ sicher gilt. Abstrakte Gefahren, deren Zeitpunkt höchst ungewiss oder unvorhersehbar sei, lösten dagegen weit weniger Reaktionen aus.
«Zwar sind viele der physikalischen Phänomene, die unter die Bezeichnung Kipppunkte fallen, wichtig und sicherlich eine Untersuchung wert, aber sie beleuchten nicht unbedingt die kritischsten oder weitreichendsten Aspekte davon», erklärt Hauptautor Robert Kopp, Professor für Erd- und Planetenwissenschaften an der Rutgers School of Arts and Sciences.
Erkenntnisse aus der sozialwissenschaftlichen Forschung, so stellen die Autoren fest, legten nahe, dass konstruktives kollektives Handeln eher durch intensive Klimaereignisse ausgelöst werde, die jetzt stattfinden, als durch die eher abstrakte Idee von Kipppunkten. Als Beispiele für solche intensive Klimaereignisse nennen die Autoren etwa grossflächige Waldbrände, anhaltende Dürre, starke Hitzewellen und Überschwemmungen.
Die Autoren bemängeln, der Begriff «Kipppunkt» sei nicht gut definiert, auch wenn es so aussehe. «Der Versuch, so viele Phänomene und Situationen unter einer Bezeichnung und einem Interpretationsrahmen zusammenzufassen, trägt nicht zur Wissenschaft bei», kritisiert Mitautor Michael Oppenheimer, Professor an der Princeton University.
Die breite Anwendung des Begriffs mache ihn vage und unwirksam, wenn es darum gehe, Massnahmen anzuregen. «Die Wahrscheinlichkeit, dass Länder Massnahmen ergreifen, ist grösser, wenn sie ein eindeutiges Ereignis wie einen verheerenden Waldbrand oder eine Energiekrise erkannt haben, das politische Möglichkeiten zur Förderung bereits bekannter Lösungen bietet», erläutert Rachael Shwom, Professorin an der Rutgers School of Environmental and Biological Sciences, ebenfalls Mitautorin.
Die Autoren monieren ferner, es entstehe Verwirrung, wenn politische Ziele, die auf der Erwärmung basieren – etwa Bemühungen zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs – fälschlicherweise mit Klima-Kipppunkten in Verbindung gebracht würden. Nach ihrer Ansicht sollte sich die Klimawissenschaft nicht zu sehr mit der Bestimmung genauer Schwellenwerte für katastrophale Auswirkungen befassen, zumal deren Zeitpunkt höchst ungewiss sei. Dies könne zu Fehlalarmen führen und die Glaubwürdigkeit künftiger Behauptungen nur verringern.
«Jeder Bruchteil eines Grades zählt: 1,45 Grad Erwärmung sind schlecht, 1,55 Grad sind noch schlechter», sagt Mitautorin Elisabeth Gilmore von der Carleton University. «Dennoch scheinen viele zu glauben, dass 1,5 Grad Erwärmung eine besondere Bedeutung habe oder eine Schwelle darstelle, ab der sich Klimaschutz nicht mehr lohnt. Das Gegenteil ist der Fall: Je wärmer die Erde wird, desto grösser ist die Notwendigkeit, die Emissionen schnell zu reduzieren.»
Die Wissenschaftler betonen, dass sie nicht die ersten sind, die Zweifel an der Verwendung von Kipppunkten äussern. Bereits im Jahr 2006 kritisierten die Redaktoren der Zeitschrift «Nature» den Begriff in einem Aufsatz wegen der höchst unsicheren Wissenschaft und der Gefahr, dass dieser Fokus zu Fatalismus führen könnte. Für Gilmore ist daher klar: «Solange Wissenschaftler über Kipp-Punkte sprechen, sollten ihre kommunikativen Auswirkungen Gegenstand der Forschung sein.»
(dhr)
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Menschheit künftig weniger Energie braucht, tendiert gegen 0.
Somit fällt sparen aus.
Bleibt übrig:
- die Anzahl Verursacher reduzieren
- Technologie
Variante eins bedeutet Genozid und Massenmord. Ziemlich unethisch.
Variante zwei kostet Geld.
Momentan wär's "günstig" auf Erneuerbare umzusatteln, aber zu viele Petrolheads laben am Tropf der Fossilen...
Somit läufts wohl darauf aus, dass die Natur es selbst richten muss.