Es ist eine längst bekannte Tatsache, dass das Eis der Antarktis seit Jahren schwindet. Und der Rückgang beschleunigt sich: Zwischen 2002 und 2011 ging die Masse des antarktischen Landeises viel stärker zurück als im Jahrzehnt davor; pro Jahr betrug der Schwund rund fünfmal so viel. Würde der Eisschild über dem Südkontinent, in dem rund 60 Prozent des gesamten Süsswassers der Erde gespeichert sind, vollständig abschmelzen, stiege der Meeresspiegel um mehr als 50 Meter an.
Dies ist derzeit kein realistisches Szenario. Doch auch der derzeitige Rückgang der Eismasse hat Auswirkungen auf den Meeresspiegel. Im Westen der Antarktis – eine der Weltregionen, in denen die Temperaturen im Zuge der Klimaerwärmung am stärksten gestiegen sind – nimmt der Schwund bedrohliche Ausmasse an. Dies zeigt eine neue Studie der britischen Northumbria-Universität, die Ende März im Fachmagazin «The Cryosphere» erschienen ist.
Die Studie befasst sich mit dem Pine-Island-Gletscher im westantarktischen Ellsworthland, dessen Eismassen rund zehn Prozent des Westantarktischen Eisschilds ausmachen. Mit einer Fläche von rund 162'000 km2 ist das Pine-Island-Gletschersystem knapp viermal so gross wie die Schweiz. Und es verliert so viel Eis pro Jahr wie kein anderer Antarktis-Gletscher – zusammen mit dem benachbarten, noch grösseren Thwaites-Gletscher ist der Pine-Island-Gletscher bereits jetzt für rund zehn Prozent des globalen Meeresspiegel-Anstiegs verantwortlich.
Das liegt daran, dass dieser 250 Kilometer lange und 2 Kilometer mächtige Eisstrom mehr Eis ins Meer verfrachtet als jeder andere Gletscher der Welt. Er transportiert seine Eismassen immer schneller in die Amundsensee, während zugleich die Kante des auf dem Meer schwimmenden Schelfeises, die sogenannte Grounding Line, immer weiter zurückwandert – regelmässig kommt es zu grossen Abbrüchen. Per Saldo verliert der Gletscher Eis.
Bisher war nicht klar, ob dieser Gletscherschwund unumkehrbar werden könnte, der Rückgang also einen Point of no return erreicht, von dem an der Gletscher unaufhaltsam immer weiter abschmilzt, bis er ganz verschwunden ist. Genau diese Befürchtung bestätigt die britische Studie. «Die Möglichkeit, dass diese Region einen Kipppunkt überschreitet, wurde in der Vergangenheit bereits diskutiert, aber unsere Studie ist die erste, die bestätigt, dass der Pine Island Glacier tatsächlich diese kritischen Schwellenwerte überschreitet», stellt Sebastian Rosier, der Hauptautor der Studie, in einer Mitteilung der Northumbria University fest.
Die Forscher errechneten in Computermodellen drei sogenannte Kipppunkte, bei denen der Eisschwund sich beschleunigt. Die ersten beiden davon wären potenziell umkehrbar, wenn rechtzeitig wirksame Massnahmen zum Klimaschutz ergriffen würden, doch der dritte ist gemäss ihren Berechnungen irreversibel – und würde mit dem vollständigen Abschmelzen des Gletschers enden. Dieser unumkehrbare Kipppunkt ist erreicht, wenn sich das Meerwasser vor der westantarktischen Küste permanent um mehr als 1,2 °C erwärmt.
«Das würde zu einem Rückzug des gesamten Gletschers führen, der einen Kollaps des westantarktischen Eisschildes einleiten könnte», schreiben die Forscher in der Studie. Der Westantarktische Eisschild enthält so viel Eis, dass sein Abschmelzen den Meeresspiegel um drei Meter ansteigen lassen würde. Ein solcher Vorgang würde sich freilich nicht in wenigen Jahren abspielen, sondern Jahrhunderte dauern.
Die Studie gibt keine Prognose ab, wie bald ein solcher Temperaturanstieg, der diesen dritten Kipppunkt auslösen würde, eintreten könnte. Im Pazifik hat die durchschnittliche Temperatur der Wasseroberfläche zwischen 1950 und 2009 um 0,41 °C zugenommen, wie Daten des Weltklimarats IPCC zeigen. Bis zum Ende des Jahrhunderts rechnet der IPCC mit einem weiteren Anstieg um ein bis drei °C.
Die Relevanz der aktuellen Studie liegt vornehmlich darin, dass sie die Gefahren einer unumkehrbaren Gletscherschmelze in der Westantarktis deutlich macht, in ihren Modellrechnungen aber auch die frühzeitigen Signale aufzeigt, die vor dem Eintreten der Kipppunkte warnen.
(dhr)
aber beschäftigen und etwas von den eigentlich sorgen ablenken tut sie ganz gut...
Und ja. Die SVP schadet.