Herr und Frau Schweizer lieben Tee. Laut einer Studie des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen konsumiert die erwachsene Durchschnittsschweizerin pro Tag 0,29 Liter Tee (ca. 2 Tassen à 150 ml). Das ist, etwas überraschend, mehr als Kaffee (0,26 Liter).
Daraus lassen sich folgende Konsumdaten berechnen:
Nicht schlecht.
Eine ziemliche Menge.
Eine ziemliche Menge mit einem ziemlichen hohen Optimierungspotential. Und zwar gleich in dreifacher Hinsicht.
Im Grundsatz gilt: Jede Teesorte entfaltet bei einer anderen Wassertemperatur ihre wahren Qualitäten. 100 Grad braucht es selten. Weissen und grünen Tee giesst man am besten bei 70 °C auf, gelben und Oolong-Tee bei 80 °C. Oft liest man den Tipp, das Wasser zum Kochen zu bringen, um es nachher abzukühlen. Was vor 100 Jahren die eine oder andere Diarrhö vermied, ist heute nicht mehr nötig.
Ein Wasserkocher (80 % Effizienz) mit 2000 Watt erhitzt die täglichen 0,29 Liter Wasser von 15 auf 100 °C in einer Minute und vier Sekunden (1' 04''). Wer bereits mit 70 °C zufrieden ist, darf bereits nach 42 Sekunden aufgiessen und wartet einen Drittel weniger lang (22 Sekunden). Wer gleich einen Liter aufkocht, der muss sich bei 100 °C 3' 42'' gedulden. Das ist 1' 18'' länger als auf 70 °C. Ausserdem kann der Tee bei 70 °C schneller getrunken werden.
So.
Jetzt kommt der grosse Brocken.
Für einen Liter 100-grädiges Wasser benötigt unser Wasserkocher 0,12333 kWh. Für 70 °C sind es nur 0,08 kWh. Das macht eine Einsparung von stolzen 0,04333 kWh pro Liter Wasser.
Würde für sämtliche Tees in der Schweiz ein Jahr lang das Wasser nur auf 70 °C erhitzt, könnten 32’421’672,5 kWh eingespart werden ( 748’250’000 x 0,04333 kWh = 32,4 GWh).
32,4 GWh. Wie viel ist das?
32,4 Gigawattstunden entsprechen ungefähr der Jahresproduktion des Wasserkraftwerks Wynau im solothurnischen Berner Oberwynau. Sie beläuft sich seit dem Neubau auf ca. 35 Gigawattstunden.
32,4 Gigawattstunden entsprechen ungefähr dem Jahresverbrauch von 7200 Haushalten (32,4 GWh / 4500 kWh). Die Zahl macht so ausgeschrieben keinen Eindruck. Aber guck mal:
Und schliesslich entsprechen 32,4 Gigawattstunden dem Verbrauch einer Tesla-Model-3-Flotte von 16’643 Fahrzeugen, die täglich 30 Kilometer weit fahren (10 % Ladeverlust eingerechnet).
Alles nur mit Teewasser.
Pro-Tipp 1: Vermutlich noch mehr Potential hat, wirklich nur die benötigte Menge Wasser zu erhitzen. Leider fehlen uns dazu die Daten.
Pro-Tipp 2: 70-grädiges Wasser kann auch ohne Temperaturanzeige oder -Regulation erkannt werden. Sobald die Blasen am Boden des Wasserkochers die Grösse von Stecknadelköpfen erreichen, beträgt die Temperatur ca. 71 °C.
Das sind 120 TWh vs. 32 GWh...