1997 führte die Regierung von Quebec, Kanada, eine grosszügige Subventionierung von Kinderbetreuungsdiensten ein. Dadurch sanken die Preise für Kinderbetreuung markant. Fünf Jahre später konnte der Effekt dieses Entscheids deutlich gemessen werden: Mütter mit jungen Kindern nahmen jetzt mehr am Erwerbsleben teil, unabhängig ihres Bildungsniveaus. Ihre Erwerbsquote stieg um 8 Prozentpunkte, und ihre Arbeitsstunden nahmen um 231 pro Jahr zu.
Das Beispiel aus Kanada zeigt, wie es für Staaten möglich ist, die Erwerbsquoten von Frauen aktiv zu steigern. Hier erfährst du, wie – und warum die Erwerbsquote noch nicht alles ist, wie das Beispiel der Schweiz eindrücklich zeigt.
In den letzten Jahrzehnten sind immer mehr Frauen weltweit einer bezahlten Arbeit nachgegangen. Gemäss einem Bericht der Weltbank von 2012 ist in derselben Zeitspanne die Erwerbsquote von Männern gesunken. Konkret partizipierten im Jahr 2008 weltweit 51,8 Prozent aller Frauen am Arbeitsmarkt, gegenüber 50,2 Prozent im Jahr 1980. Bei Männern sank dieser Wert von 82 Prozent (1980) auf 77,7 Prozent (2008).
Doch die globalen Unterschiede sind gross. Während zum Beispiel in der Türkei nur etwas über ein Drittel der Frauen am Arbeitsmarkt tätig ist, sind es in vielen, vor allem nördlichen, europäischen Ländern sowie Neuseeland oder Island fast doppelt so viele. Hier gehört auch die Schweiz dazu: 62 Prozent aller Frauen partizipieren hierzulande am Arbeitsmarkt, weltweit ist dies die siebthöchste Quote und weit über dem OECD-Durchschnitt. Allerdings ist in der Schweiz auch die Erwerbsquote der Männer mit 72,4 Prozent im Vergleich zu anderen Ländern hoch.
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Und nun zurück zur Story ...
Was ist aus diesen Daten herauszulesen? «Man muss bei der Interpretation aufpassen», warnt Gesine Fuchs, Dozentin für Sozialpolitik an der Hochschule Luzern. «Denn diese Zahlen beschreiben lediglich die bezahlte Erwerbstätigkeit – und nicht die unbezahlte.» Die Statistik sagt per se also noch nichts über die von Frauen gesamthaft geleistete Arbeit aus.
Hinzu kommt, dass aus der Frauenerwerbsstatistik auch nichts über die Anzahl gearbeitete Stunden herauszulesen ist. Und diese Statistik steht gerade in der Schweiz ziemlich gegensätzlich zur Erwerbsquote.
Grundsätzlich kann festgehalten werden: Damit Frauen am Arbeitsmarkt teilhaben können, müssen sie sowohl die Zeit als auch die Möglichkeit haben, dies zu tun. Aus der Forschung ist bekannt, dass unter anderem folgende Faktoren einen Einfluss auf die Partizipationsrate von Frauen haben:
Gerade in Zeiten eines abnehmenden Arbeitsangebots haben Volkswirtschaften ein grosses Interesse daran, die Erwerbsquoten zu erhöhen und so das Arbeitskräftepotenzial besser auszunutzen. Das wird vielerorts getan, allerdings anhand sehr unterschiedlicher Modelle.
Die sozialdemokratische Politik, wie sie beispielsweise in Schweden praktiziert wird, zeichnet sich durch subventionierte Kitas, bezahlten Elternurlaub, der sowohl Mütter als auch Väter ermutigen soll, sich an der Kinderbetreuung zu beteiligen, und eine Förderung der Vollbeschäftigung aus.
Das Unicef-Forschungsinstitut Innocenti untersuchte 2021, inwiefern sich verschiedene hoch entwickelte Staaten bezüglich Qualität und Bezahlbarkeit von Kinderbetreuung schlugen. Demnach schneiden Länder wie Luxemburg, Island, Schweden, Norwegen und Deutschland international am besten ab. In Island, Lettland, Neuseeland, Finnland und Dänemark ist dabei die Qualität der familienergänzenden Kinderbetreuung am höchsten.
Liberale Wohlfahrtsstaaten, wie zum Beispiel diejenigen im angelsächsischen Raum, verfolgen in der Sozialpolitik hingegen einen eher zurückhaltenden Ansatz bezüglich Staatsausgaben für Familien. Als Resultat davon müssen der Innocenti-Studie zufolge in der Schweiz, Irland und Neuseeland Paare mit durchschnittlichem Einkommen für die Betreuung von zwei Kindern zwischen einem Drittel und der Hälfte eines Gehaltes aufwenden.
Ein bekanntes Beispiel für einen liberalen Wohlfahrtsstaat sind auch die USA, die mit einem besonders kurzen Mutterschaftsurlaub von zwölf Wochen auffallen. Zudem sind die Vereinigten Staaten das einzige OECD-Land – und nur eines von acht Ländern weltweit –, das keinen gesetzlich garantiert bezahlten Mutterschaftsurlaub kennt. Mit anderen Worten: Es steht den Unternehmen frei, Mütter während des Mutterschaftsurlaubs zu bezahlen.
Das Beispiel zeigt: Reiche Länder kennen nicht zwingend bessere Bedingungen für Mütter und Väter. Sowohl niedrige Betreuungsquoten als auch kurze Elternurlaube finden sich ebenfalls in einigen der reichsten Länder – wie zum Beispiel in der Schweiz.
Dass die Betreuungsquote in der Schweiz niedrig ist, äussert sich auch in folgender Statistik:
Wie oben gezeigt hat die Schweiz zwar eine der höchsten Erwerbsquoten – gleichzeitig aber nur vergleichsweise wenige geleistete Arbeitsstunden.
Warum ist das so? «Dass die Schweiz eine so hohe Frauenerwerbsquote hat, liegt vor allem am liberalen Arbeitsmarkt», erklärt Politikwissenschaftlerin Gesine Fuchs. Dieser erlaube es den Arbeitnehmenden relativ einfach, in Teilzeit zu arbeiten. Zudem habe der wirtschaftliche Druck zugenommen: «Mittlerweile müssen auch Paare aus der Mittelschicht mehr als ein Einkommen haben, um einen gewissen Standard leben zu können.»
Zwar bemüht sich der Staat auch hierzulande, Kitaplätze gezielt zu fördern. Die sogenannte Anschubfinanzierung ist ein seit 2003 laufendes, befristetes Impulsprogramm, das die Schaffung zusätzlicher Plätze für die Tagesbetreuung von Kindern fördern soll. «Die Forschung zeigt, dass die Erwerbstätigkeit von Schweizer Frauen durch dieses Programm profitiert hat», sagt Fuchs. (Durch die Sparpläne, die der Bundesrat vorsieht und die er kürzlich kommunizierte, steht dieses Programm allerdings auf der Kippe.)
Trotzdem: Da Schweizer Männer im Ländervergleich noch immer überdurchschnittlich viele Stunden arbeiten, ist klar, dass es nach wie vor einen starken geschlechterspezifischen Effekt gibt.
Zum einen dürfte das ökonomische Gründe haben: Für viele lohnt sich eine allzu häufige externe Kinderbetreuung nicht, weil sie mehr kosten würde, als der zusätzliche Lohn dem Haushalt einbringt. Und zum anderen spricht vieles dafür, dass die Normen in der Schweiz noch vergleichsweise konservativ sind. Denn: In aller Regel reduziert hierzulande noch immer die Frau ihr Pensum, um sich um die Kinderbetreuung zu kümmern, wenn diese zu teuer ist.
Bestehe nicht auf Fernbedienungen, guter Reisepartner und kann recht unterhaltsam sein. Dafür spiele ich kein Tennis.
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Spass beiseite: Mich stört, wenn man bei der Kinderbetreuung durch die Eltern von unbezahlter Betreuungsarbeit spricht. Die Kinderbetreuung durch die Eltern wird immer unbezahlt sein. Man sollte seine Kinder ja auch irgendwie wollen und sie nicht einfach zeugen und gebären, damit sie da sind.
Das ist übrigens geschlechterneutral zu verstehen.