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Unsere Hitzewellen in den Sommermonaten kommen nicht aus der Sahara

Unsere Hitzewellen in den Sommermonaten kommen nicht aus der Sahara

Atmosphären-Forscher der ETH Zürich haben herausgefunden, was zu extremen Hitzewellen führt. Überraschenderweise ist es bei uns in der Schweiz nicht in erster Linie die heisse Luft aus dem Süden. Diese kann allerdings dringend benötigte Gewitter verhindern.
20.02.2023, 22:10
Bruno Knellwolf / ch media
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Lang und heiss war der vergangene Sommer. Ungewöhnlich heisses Wetter gab es 2022 auch in Indien und Pakistan und im Dezember in Südamerika. Die Klimaforscher sind sich weitgehend einig, dass solche Extremereignisse in Zukunft häufiger werden.

Drei Mechanismen sind für solche Hitzewellen verantwortlich und bekannt. Zum ersten kann Luft aus wärmeren Regionen in kühlere gelangen, zum Beispiel bei uns aus der Sahara nach Mitteleuropa. Zweitens kann die Luft in einem Hochdruckgebiet absinken und sich dabei durch Kompression, also Druck, erwärmen. Beim dritten Mechanismus heizt der Boden durch direkte Sonnenstrahlung stark auf. Dann erwärmt sich die darüber liegende Luft stärker als üblich.

People cool off at an urban beach in Madrid Rio park during a heat wave in Madrid on July 13, 2022. (AP Photo/Manu Fernandez)
Menschen erfrischen sich während der Hitzewelle im Juli 2022 in einem Park in Madrid.Bild: keystone

Was passiert vor dem Hitzerekord?

Aber welcher Prozess entscheidet, ob es an einem Ort eine Hitzewelle gibt oder nicht? Um das zu verstehen, haben Matthias Röthlisberger und Lukas Papritz von der ETH Zürich die Hitzewelle in Kanada untersucht, bei der Ende Juni 2021 Temperaturen von fast 50 Grad gemessen wurden, und daraus Hitzewellen auf der ganzen Welt analysiert. Dafür haben sie mit Daten des European Centre for Medium-Range Weather Forecasts (ECMWF) an vielen Orten der Welt den heissten Tag in den letzten 40 Jahren herausgefiltert. Und an diesen Tagen dann untersucht, welcher Mechanismus wie viel zur Hitzewelle beigetragen hat.

Die Resultate haben die ETH-Forscher der Professur für Atmosphärendynamik am Montag im Fachjournal «Nature Geoscience» publiziert. Dabei zeigte sich: Der Weg der heissen Luft ist entscheidend. Stammt die Luft aus einer klimatisch wärmeren Region, dann trägt Wärmetransport substanziell zur Hitzewelle bei. Stammt die Luft hingegen aus einer klimatisch vergleichbaren Region, dann sind es eher die Faktoren der Bodenerhitzung und des Hochdruckgebietes, welche die Temperaturen in die Höhe treiben.

Die regionalen Unterschiede sind gross. Jeder der drei Faktoren dominiert in gewissen Regionen der Welt, aber sehr oft entstehen Hitzewellen durch ein komplexes Zusammenspiel aller drei Mechanismen.

Es ist nicht direkt die Sahara-Luft, welche Europa erhitzt

Am meisten interessiert uns Mitteleuropa, das oft unter dem Einfluss heisser Sahara-Luft steht. Doch diese ist überraschend gar nicht direkt relevant für Hitzewellen in Mitteleuropa, sagt Röthlisberger. Die Luft, welche während Hitzewellen bei uns in Bodennähe liegt, kommt in der Regel nicht von Süden, sondern oft vom Atlantik und aus Nord- oder Osteuropa. Die Luft vom Atlantik wird in tieferen Schichten durch das Aufheizen am Boden und durch Kompression weiter erhitzt.

«Allerdings sieht das anders aus, wenn man die Luft weiter oben in der Atmosphäre betrachtet, zum Beispiel auf der Höhe des Jungfraujochs», erklärt Röthlisberger. «Diese Luft kommt während Hitzewellen in Mitteleuropa meist tatsächlich aus südlichen Regionen und ist auch deshalb aussergewöhnlich warm.» Indirekt beeinflusst diese warme Luft in der Höhe aber auch die Bodentemperatur, weil sie die Gewitterbildung reduziert. Wegen der fehlenden Gewitter fehlt es dann in unteren Lagen an Abkühlung und Niederschlag.

Das gewonnene Verständnis der Anteile der Hitzewellen-Mechanismen könne helfen, physikalisch plausible Abläufe von sehr starken Hitzewellen in einem wärmeren Klima zu erarbeiten. «Auch wird uns dieses Prozessverständnis helfen, noch existierende Schwächen in Klimamodellen und Wettervorhersagemodellen besser zu identifizieren und dann zu verbessern», sagt Röthlisberger. (bzbasel.ch)

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