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Fast so viel wie zwei Bier pro Tag – wie Affen Alkohol konsumieren

Schimpansen fressen alkoholhaltige Früchte.
Zwei Schimpansen beim Verzehr von Früchten.Bild: Aleksey Maro/UC Berkeley

Fast so viel wie zwei Bier pro Tag – wie Affen Alkohol konsumieren

Trinkende Menschen teilen ihre Vorliebe für Alkohol mit ihren nächsten Verwandten: Wildlebende Schimpansen nehmen beim Fressen reifer Früchte laut einer Studie regelmässig geringe Mengen Ethanol auf.
21.09.2025, 20:4421.09.2025, 20:44

Das zeigt eine im Fachjournal Science Advances veröffentlichte Studie – und stützt damit die These, dass die menschliche Alkoholneigung tief in der Evolution verwurzelt ist. Die Forschenden verwenden den Begriff Ethanol dabei synonym zu Alkohol – gemeint ist also der gewöhnliche Trinkalkohol.

Ein internationales Team um die Biologen Aleksey Maro und Robert Dudley von der University of California in Berkeley untersuchte den Alkoholgehalt von Früchten, die Schimpansen in Ngogo in Uganda und Taï in der Elfenbeinküste häufig fressen. Die untersuchten reifen Früchte von 20 Arten enthielten im Mittel 0,26 Prozent Ethanol.

Rechnerisch die Alkoholmenge von fast zwei Bier

Da Schimpansen pro Tag etwa 4,5 Kilogramm Früchte verzehren – was etwa drei Viertel ihrer täglichen Nahrungsaufnahme entspricht –, nehmen sie durchschnittlich rund 14 Gramm Alkohol auf. Das entspricht in etwa der Menge, die in einem 0,33-Liter-Bier enthalten ist. Als eine Einheit Alkohol werden in der Regel rund 10 bis 12 Gramm reiner Alkohol bezeichnet – also etwa der Gehalt eines kleinen Glases Wein oder eben eines Bieres. Auf ihr geringeres Körpergewicht umgerechnet entspricht die tägliche Menge bei Schimpansen fast zwei Einheiten beim Menschen.

«Weil die Tiere täglich fünf bis zehn Prozent ihres Körpergewichts an reifen Früchten fressen, führen schon niedrige Konzentrationen zu einer hohen Tagesmenge – also einer substanziellen Dosis Alkohol», sagt Robert Dudley. Die Forschenden schreiben, dass diese Raten mit heutigen gängigen Trinkmustern beim Menschen vergleichbar sind.

Schimpanse frisst Frucht.
Im Schnitt fressen die Schimpansen 4,5 Kilogramm Früchte pro Tag – und nehmen so 14 Gramm Alkohol auf. Bild: Catherine Hobaiter/University of St. Andrews

Die Schimpansen zeigten dabei keine auffälligen Anzeichen von Trunkenheit. «Der Verzehr zieht sich über den Tag, und wir sehen keine offensichtlichen Rauschzeichen,» sagte Maro. «Um überhaupt einen Schwips zu bekommen, müsste ein Schimpanse so viel Obst essen, dass der Magen übervoll wäre.» Ob die Tiere gezielt besonders reife, zuckerreiche und damit alkoholhaltigere Früchte bevorzugen, bleibt offen. Klar ist jedoch: Alkohol ist ein regelmässiger Bestandteil ihrer natürlichen Ernährung.

Alkoholkonsum bei Tieren
Seit blühende Pflanzen vor etwa 100 Millionen Jahren anfingen, zuckerhaltigen Nektar und Früchte zu produzieren, die von Hefen vergoren werden konnten, hat sich der Stoffwechsel mehrerer Tiere an die Verwertung von Ethanol angepasst. Insbesondere Primaten und Baumspitzmäuse sind effizient darin, aber es gibt auch genetische Hinweise etwa in frucht- und nektarfressenden Flughunden sowie Vögeln wie den Seidenschwänzen. Im Gegensatz zum Menschen ist jedoch nicht der Rausch das Ziel, sondern die im Ethanhol enthaltenen Kalorien. Möglicherweise trägt Ethanolkonsum auch zu einer breiteren Partnerwahl bei, da Ethanol die Erregung erhöht, Hemmungen abbaut und kognitive Fähigkeiten beeinträchtigt.
Quelle: GEO

Hinweise auf evolutionäre Wurzeln

Die Forschenden betonen, dass der Alkohol in tropischen Früchten kein Zufallsprodukt ist. Wenn Früchte reifen, wird ihr Zucker von Hefepilzen vergoren, die überall in der Natur vorkommen. Dabei entsteht automatisch Alkohol. Wer also reife Früchte zu sich nimmt – ob Schimpanse oder Mensch in frühen Entwicklungsstadien –, nimmt damit fast zwangsläufig auch geringe Mengen davon auf.

Die Ergebnisse legen nahe, dass Alkohol über Millionen Jahre hinweg ein fester Bestandteil der Ernährung fruchtfressender Primaten war. Schon die gemeinsamen Vorfahren von Menschen und Schimpansen dürften regelmässig vergorene Früchte verzehrt haben. «Die menschliche Vorliebe für Alkohol ist wahrscheinlich aus diesem Ernährungserbe unseres gemeinsamen Vorfahren mit den Schimpansen entstanden», sagte Maro.

Die Ergebnisse stützen die sogenannte Drunken-Monkey-Hypothese. Sie wurde vor rund 20 Jahren von Co-Autor Robert Dudley, Professor für Integrative Biologie an der University of California, formuliert. Seine These: Die menschliche Vorliebe für Alkohol geht auf eine gemeinsame Vergangenheit mit fruchtfressenden Primaten zurück. Mit der neuen Arbeit liefert er nun zusammen mit Maro konkrete Messdaten, die diese Idee untermauern.

Schimpansen teilen alkoholhaltige Früchte

Ähnliche Beobachtungen gab es auch andernorts: In Guinea-Bissau filmten Forschende jüngst, wie Schimpansen vergorene Früchte des Afrikanischen Brotfruchtbaums teilten – in vielen Fällen mit messbarem Alkoholgehalt. Bereits vor rund zehn Jahren war zudem in Guinea beschrieben worden, dass Schimpansen vergorenen Palmsaft aus angezapften Bäumen schöpfen und teils mehrere Liter davon trinken, was bei einzelnen Tieren deutliche Rauschwirkungen zeigte. (sda/dpa)

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