Der Waldrapp ist ein Zugvogel und seit dem 17. Jahrhundert in Europa ausgestorben. Damals galt er als begehrter Speisevogel, der deshalb oft und gerne vom Himmel geholt wurde. Schliesslich wurde er so selten, dass der Erzbischof in Salzburg der Bevölkerung die Jagd auf die Vögel verbot.
Seit einigen Jahren nun ist das österreichische Waldrappteam um Projektleiter Johannes Fritz damit beschäftigt, die in Europa ausgestorbenen Vögel wieder anzusiedeln (siehe Infobox). Die Mitarbeiter ziehen Küken auf, die aus Zoos stammen und helfen ihnen im Herbst, in den Süden zu gelangen: Was jeder «normale» Zugvogel von seinen Eltern lernt, muss dem Waldrapp vom Menschen beigebracht werden. Ihm wird quasi ein wenig unter die Flügel gegriffen.
Dazu werden die Tiere während der Aufzucht darauf trainiert, ihren menschlichen Ziehmüttern zu folgen. Das sind im Fall vom Waldrappteam die Betreuerinnen Corinna Esterer und Anne-Gabriela Schmalstieg:
Die beiden Ziehmütter werden von Fritz und einem weiteren Piloten in zwei Ultraleicht-Flugzeugen von der Brutstätte in Bayern über die Alpen in den Süden der Toskana geflogen. Gefolgt von einem insgesamt 16-köpfigen Team und natürlich den 14 Waldrappen, die dieses Jahr aufgezogen wurden.
Die Reise, die am 25. August begann, wurde in vier Etappen durchgeführt. Erstmals ging es dabei über die Alpen. Die Vögel mussten dabei fast 1000 Kilometer weit fliegen, 300 Kilometer lang war die längste Strecke, die sie am Stück zurücklegten.
Für die Helfer des Waldrappteams war das bereits das neunte Jahr, in dem sie diese Reise machten. Laut Teamleiter Fritz sei es die bisher härteste gewesen: «Der Fön verursachte erhebliche Turbulenzen. Dass die Vögel bei solchen Bedingungen überhaupt mitgekommen sind, ist der ausserordentlich engen Beziehung zu den Ziehmüttern zu verdanken.»
Und wenn ein Vogel abgetrieben worden wäre? Kein Problem, denn jedes Tier ist mit einem GPS-Sender ausgestattet, der es erlaubt, es zu orten. Übrigens können auch Sie das tun, nämlich mit der Gratis-App Animal Tracker. Dort erfahren Sie die aktuellen Standorte von Shorty, Hella, Idefix, Senta und weiteren Waldrappkollegen. Dank der App konnte schon ein Wilderer verhaftet werden, der zwei Exemplare abgeschossen hatte.
Elf Tage nach Abflug schliesslich trafen die Jungtiere in der Toskana im WWF-Winterquartier ein und stiessen dort auf ihre Artgenossen. Sie leben fortan selbständig als Zugvögel. Solche gibt es bereits seit 2011, seit 2014 umfasst der Bestand bereits 32 Vögel. Mit dabei sind seit 2012 auch jedes Jahr Jungvögel, die von ihren Eltern aufgezogen werden und den zugerfahrenen Artgenossen ohne menschliche Unterstützung in das Wintergebiet folgen. Das sind also echte, unabhängige Wildvögel.
Heisst das, dass sich das Waldrappteam nun zur Ruhe setzen kann? Fritz: «Wir machen mit der Handaufzucht und menschengeführter Migration weiter, um den Bestand in den Brutgebieten zu vergrössern. Ab 2015 soll ein neues Brutgebiet in Überlingen am Bodensee entstehen.» Die Grenznähe zur Schweiz wurde übrigens mit dem Ziel gewählt, später hoffentlich auch hierzulande Brutkolonien zu gründen. Das sind doch mal erfreuliche Nachrichten!