Eine Million Arten sind bedroht: So schlimm steht es um die Artenvielfalt wirklich
Mit der Natur geht es bergab wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Das Artensterben beschleunigt sich. Damit untergräbt der Mensch seine eigene Lebensgrundlage, so die eindringliche Botschaft des Weltbiodiversitätsberichts, der am Montag präsentiert wurde.
Rund eine Million von insgesamt schätzungsweise acht Millionen Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht; viele könnten bereits in den nächsten Jahrzehnten komplett verschwinden. Mehr als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte, warnt der Weltbiodiversitätsrats IPBES am Montag in einer Mitteilung zum Zustandsbericht der weltweiten Artenvielfalt.
Das Artensterben beschleunigt sich und der Niedergang der Natur hat ein solches Ausmass erreicht, dass schwerwiegende Folgen für den Menschen wahrscheinlich sind, so die Botschaft des IPBES-Berichts, dessen Kernaussagen am Montag vorgestellt wurden. Drei Viertel der Landfläche und rund zwei Drittel der Meeresfläche der Erde sind demnach bereits signifikant durch den Menschen verändert.
Ursachen für den Verlust an Artenvielfalt und Ökosystemen sind dem Bericht zufolge eindeutig menschliche Aktivitäten. Die Hauptprobleme laut IPBES:
- veränderte Land- und Meeresnutzung
- direkte Nutzung von Pflanzen und Tieren
- Klimawandel
- Verschmutzung
- invasive Arten
Übermässige Nachfrage
Dem Verlust an biologischer Vielfalt liege die übermässige Nachfrage nach natürlichen Ressourcen, sowohl insgesamt als auch pro Kopf, zu Grunde, kommentierte Markus Fischer von der Universität Bern, der am Bericht beteiligt war.
Dies führe zu einer Übernutzung lokaler Ökosysteme, und gleichzeitig zu immer umfangreicherem weltweiten Handel mit natürlichen Ressourcen, der allerdings derzeit weder nachhaltig sei noch die Vorteile gerecht verteile.
Kernaufgabe ist die unabhängige Bestandsaufnahme der biologischen Vielfalt sowie ihrer Gefährdung und Zerstörung. Betrachtet werden auch Ökosystemleistungen wie die Blütenbestäubung. Die Mitgliedsstaaten und -organisationen nominieren für die Berichte zeitlich befristete Autorenteams aus Forschenden und weiteren Experten. (sda/dpa)
«Die Gesundheit der Ökosysteme, auf die wir und alle anderen Spezies angewiesen sind, verschlechtert sich schneller denn je», sagte IPBES-Vorsitzender Robert Watson gemäss der Mitteilung. «Wir unterhöhlen das Fundament unserer Volkswirtschaften, Existenzgrundlagen, Ernährungssicherheit, Gesundheit und Lebensqualität weltweit.»
Einfach Weitermachen ist keine Option
Der negative Trend bei Artenvielfalt und Ökosystemen untergrabe zudem den Fortschritt bei 35 von 44 der nachhaltigen Entwicklungsziele der Uno, beispielsweise in den Bereichen Armuts- und Hungerbekämpfung, Gesundheit und Wasserversorgung, hiess es weiter.
Der Bericht macht aber auch Hoffnung: Das Ruder liesse sich herumreissen, wenn ein Richtungswechsel auf allen Ebenen stattfindet, hin zu einer nachhaltigen Nutzung der Natur. Klar sei, dass ein «Weitermachen wie bisher» keine Option sei, sagte Fischer.
Einer der Schlüssel, um die Ausbeutung der Natur aufzuhalten, wäre eine Weiterentwicklung der Wirtschaft und Finanzsysteme über das limitierte Dogma ständigen Wachstums hinaus - hin zu einer globalen, nachhaltigen Weltwirtschaft. Es brauche neue Visionen für eine gute Lebensqualität ohne ständig steigenden Materialverbrauch, sowie eine Senkung von Verbrauch und Verschwendung, erklärte Fischer. (sda)
Am Dienstag ist laut der Umweltorganisation WWF «Swiss Overshoot Day», also der Tag im Jahr, an dem die Schweiz bereits so viel an natürlichen Ressourcen verbraucht hat, wie im Rahmen einer nachhaltigen Nutzung der Natur eigentlich fürs ganze Jahr 2019 zur Verfügung steht. Ab Dienstag lebe die Schweiz somit auf Pump und auf Kosten kommender Generationen, teilte WWF am Montag mit.
Insbesondere bei den Flugreisen, Strassenverkehr und Abfall ist demnach schlechtes Gewissen angebracht: Schweizerinnen und Schweizer fliegen durchschnittlich dreimal so viel wie EU-Bürger, fahren europaweit die schwersten Autos und gehören zu den grössten Abfallproduzenten der Welt, so die Mitteilung. (sda)
